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„Viertel vor zehn statt fünf nach zwölf“

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Von: Peter Schiebel

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Blick nach Schorn: Bereits im Herbst 2019 lag der Bebauungsplanentwurf öffentlich aus. Die Bearbeitung hat sich durch die Kommunalwahl und Corona verzögert.
Blick nach Schorn: Bereits im Herbst 2019 lag der Bebauungsplanentwurf öffentlich aus. Die Bearbeitung hat sich durch die Kommunalwahl und Corona verzögert. © ike

Zweieinhalb Stunden lang hat der Starnberger Stadtrat am Mittwochabend über das geplante Gewerbegebiet Schorn geredet. Dabei ging es ausschließlich um die Vorstellung der Planung. Die Abwägung der insgesamt 196 Stellungnahmen von Bürgern, Behörden und Verbänden soll erst in vier Wochen erfolgen. Gleich zu Beginn der Beratung äußerte Bürgermeister Patrick Janik scharfe Kritik an einem in Wangen verteilten Flugblatt.

Starnberg „5 nach 12 in Wangen“ ist ein Flugblatt überschrieben, das die Bürgerinitiative Schorn in dem Ortsteil verteilt hat. Darin heißt es unter anderem, dass die Stadt die Planungen für das Gewerbegebiet „im Eilverfahren“ vorantreiben wolle und der Bürgermeister sein Wahlkampfversprechen breche, weil es weiterhin keinen Autobahn-Vollanschluss zum Gebiet gebe und die Zufahrt deswegen zum Teil über Wangen erfolge.

„Ganz und gar unzutreffend“ seien die Vorwürfe, sagte Janik am Mittwoch. „Wir befinden uns in der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung, mehr ist noch nicht passiert“, betonte er. „Wir sind vom Satzungsbeschluss meilenweit entfernt.“ Von Eiltempo könne keine Rede sein, und interessierte Bürger hätten aufgrund von Corona-Bestimmungen auch nicht ausgeschlossen werden müssen. Es sei also eher „viertel vor zehn für Wangen“, sagte Janik, „um im Bild zu bleiben“. Aufgrund der teils unwahren Formulierungen empfahl er für eine neuerliche Auflage bereits einen Titel: „Wangener Wahrheit“ – in Anlehnung an die Anti-Tunnel-Postille „Starnberger Wahrheit“.

Die Eckdaten

Vier große Gebäudekomplexe links und rechts einer neuen Erschließungsstraße sowie zwei sogenannte „Grünfugen“ und eine „Grüne Mitte“ – das sind die Kernstücke der Planung für den Technologie Campus Schorn (TCS), wie Investor und Planer das Gebiet nennen. Die Planung sieht Gebäudehöhen bis maximal 24,30 Meter vor. Das Gebiet ist insgesamt 46,91 Hektar groß, 21,5 Hektar davon sind Nettobauland. Davon wiederum werden 10,3 Hektar versiegelt (das entspricht rund zehn Fußballfeldern), weitere 3,5 Hektar Bauraum werden begrünt, 7,7 Hektar schließlich bepflanzt.

3000 Arbeitsplätze sollen in Schorn entstehen, betonte Diplom-Ingenieur Michael Nahr vom Münchner Architekturbüro Obermeyer, Koch und Partner. Für Aufsehen sorgte eine Anmerkung des Kreisbauamtes, wonach der Bebauungsplanentwurf sogar maximal 16 800 Arbeitsplätze ermöglichen würde, was Stadt und Kreis jedoch überfordern würde. „Mehr als 3000 Arbeitsplätze sind überhaupt nicht verkraftbar“, erklärte auch Professor Otto Gaßner (UWG).

Die Planung

Nahr betonte die „hohe Qualität“, die die Planung habe. Sichtachsen sollen erhalten bleiben, Funktionen des täglichen Bedarfs wie Einzelhandel oder Boardinghaus zur Verfügung stehen. Öffentliche Plätze sollen verbindende Elemente sein, Zäune sind in dem Gebiet verboten.

Was Verkehr, Energie und dergleichen anbelangt, wollen die Planer so nachhaltig wie möglich sein. So sind zwar 2500 Stellplätze in vier Parkhäusern und noch mal 500 Stellplätze oberirdisch vorgesehen, es soll aber trotzdem nur die Hälfte der Arbeitnehmer mit dem Auto kommen, die übrigen mit Bus und Fahrrad. Bei der Versorgung wird unter anderem auf Geothermie aus Pullach gesetzt.

Alles in allem eröffne die Planung „viele Möglichkeiten“, sagte Stadtbaumeister Stephan Weinl. Die Verwaltung erinnerte zudem daran, dass die bislang letzte Planung für ein Gewerbegebiet in Starnberg 50 Jahre zurückliege.

Der Verkehr

Wie bereits in vorherigen Diskussionen, so war auch diesmal die Verkehrsanbindung ein großes Thema. Die Zusage für einen Autobahnhalbanschluss bei Oberdill liegt vor – „das ist schon relativ viel“, sagte TU-Professor Klaus Bogenberger, der als Verkehrsexperte dem beratenden Gremium des Investors angehört. Zwar sei der Wunsch nach einem Vollanschluss „absolut nachvollziehbar“, in dem Stadium der Planung aber nicht umsetzbar. „Das Gebiet liegt an der Autobahn, wird aber über die Dörfer erschlossen“, kritisierte Winfried Wobbe (UWG). Was dagegen spreche, die Zufahrt der Straßenmeisterei an der A 95 für eine Abfahrt aus Richtung Starnberg zu nutzen, wollte auch Michael Mignoli (BLS) wissen. Die entspreche nicht dem Standard, antwortete Bogenberger.

Der Artenschutz

Eine Bemerkung von Planer Nah ließ vor allem Marc Fiedler (FDP) aufhorchen. Wie es sein könne, dass der Bau eines Gewerbegebiets die Artenvielfalt verbessere, wollte er wissen. Aktuell sei das Gebiet von „Wald und konventioneller Landwirtschaft“ geprägt, erklärte Julia Kriner vom zuständigen Büro PSU. Dort sei die Artendiversität von Haus aus eher niedrig. Im Plangebiet würden „Grünstandorte geschaffen, die nicht chemisch behandelt werden“, was Pflanzen und Tieren zugutekomme. Es solle auch „Blühflächen statt Einheitsrasen“ sowie Gebiete für Eidechsen, Fledermäuse und weitere Tiere geben.

Das erzeugte – erwartbare – Kritik von Dr. Ursula Lauer (Grüne). Es gebe bereits jetzt eine hohe Vielfalt, sagte sie mit Verweis unter anderem auf „13 bis 14 Fledermausarten und 57 Vogelarten“.

Die Diskussion soll – dann mit der Abwägung der Stellungnahmen – am 25. Februar fortgesetzt werden.

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