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Kunst für alle in Tutzing: Ausstellung quer durch die ganze Gemeinde

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Gestalt mit Schiffsnase: Auch das ist Kunst. Sinem Arslan und das Künstlerkollektiv „Pegasus Product“ zeigen Objekte aus Materialien von ausrangierten Stücken am Tutzinger Seeufer.
Gestalt mit Schiffsnase: Auch das ist Kunst. Sinem Arslan und das Künstlerkollektiv „Pegasus Product“ zeigen Objekte aus Materialien von ausrangierten Stücken am Tutzinger Seeufer. © Andrea Jaksch

Ganz neue Blickfänge gibt es seit ein paar Tagen in Tutzing: Ausgefallene Kunstwerke stehen an mehreren Stellen der Gemeinde. Sie haben einen besonderen Hintergrund.

Tutzing – Es klingt paradox: Von einer Zivilisation bleibt zumeist das übrig, wofür es in ihrer Zeit kein Interesse gab – was nicht gebraucht werden konnte, was wertlos war. Diese Überzeugung vertreten Mitglieder eines Künstlerkollektivs aus Berlin namens „Pegasus Product“, die zurzeit in Tutzing gleich an mehreren Standorten für Aufmerksamkeit sorgen.

Am Seeufer, mitten im Ort und ganz oben in der Gemeinde, im Forsthaus Ilkahöhe, haben die Künstler Objekte aufgebaut, die sie aus ursprünglich ganz anders verwendetem Material angefertigt haben. Organisatorin und Kuratorin der Ausstellung ist Sinem Arslan.

Kunst in Tutzing: Kuratorin Sinem Arslan will „festgefahrene Muster lockern“

Die 30 Jahre alte gebürtige Kölnerin hat 2011 in Tutzing Abitur gemacht und seitdem von Istanbul über Hamburg bis München Erfahrungen sowohl künstlerischer als auch wirtschaftlicher Art gesammelt. Sie will „Kunst zugänglich für alle gestalten, grenzübergreifend, festgefahrene Muster lockern“.

Die eigenwillige Ausstellung ist aus der Zusammenarbeit mit Anton Peitersen, Dargelos Kersten und Gernot Seeliger entstanden, den Mitgliedern des Künstlerkollektivs. „Heute gibt es mehr Müll denn je, aus Stoffen, die länger denn je überdauern können“ – so beschreiben sie ihre Arbeitsweise. So könne eine Sperrmüllsammlung an jeder Straßenecke eine Spur und eine Momentaufnahme darstellen.

Besondere Kunstwerke finden sich in ganz Tutzing

Das ist der besondere Hintergrund der Tutzinger Kunststücke. Bestandteile früherer Möbel oder anderer Gegenstände erleben damit eine Renaissance ganz eigener Art. Als Blickfang neben dem Uferweg in der Nähe des Nordbads erweist sich zum Beispiel, wie das Interesse von Spaziergängern immer wieder belegt, eine merkwürdige Figur, die ein wenig verträumt auf den See hinaus zu schauen scheint und der ihre Gestalter eine lange „Schiffsnase“ verpasst haben, wie sie selbst sagen.

Begeistert unterstützen die Betreiber von „Marie’s Happy Food Café“ an der Greinwaldstraße diese ausgefallenen Aktivitäten. Das kleine, lauschige Lokal gehört zu den Ausstellungsplätzen. Bei Nico, Gitti und Klaus Greif vom Nordbad hatte Gernot Seeliger vor einigen Jahren schon einmal Kunstwerke gezeigt.

Anfangsschwierigkeiten: Spiegel nahe der Kirche muss entfernt werden

Die Idee einer Verteilung solcher Kunst über eine ganze Gemeinde ist allerdings offenbar noch mit Anfangsschwierigkeiten verbunden. So hatten die Organisatoren zunächst eines der Kunstwerke, die Darstellung eines Tores mit dem Titel „Dimension Door“, auf der Ilkahöhe in der Nähe der kleinen Kirche St. Nikolaus aufgestellt.

Spiel mit Spiegel: Dieses Objekt stand auf der Ilkahöhe. Dann musste es weg – es war zu nah an der Kirche.
Spiel mit Spiegel: Dieses Objekt stand auf der Ilkahöhe. Dann musste es weg – es war zu nah an der Kirche. © Andrea Jaksch

Doch sie mussten das gute Stück wieder entfernen. Es sei zu nah an der Kirche gewesen, sagt Sinem Arslan. Das Objekt habe nun „eine Reise“ angetreten.

Kuratorin Arslan ist auch Vorstand in einer Starnberger Baugenossenschaft

Sinem Arslan kann auf vielfältigen Erfahrungen aufbauen. Sie hat schon Ausstellungen in Istanbul organisiert, in einer Galerie auf St. Pauli ein Praktikum absolviert, eine Ausbildung zur Veranstaltungskauffrau gemacht und als Projektleiterin für Konzerte, Theater und Festivals am Münchner Gasteig gearbeitet.

Seit einem Monat ist sie außerdem Vorstand in der Starnberger Baugenossenschaft „Bauimpuls“ in Starnberg mit dem Thema „Wohnen für alle“. Und auch dort kümmert sie sich um Kunst – konkret um soziale Kunst.

Kunst für alle in Tutzing quasi als Pilotprojekt

Ihr Traum aber ist in all dieser Zeit das Kuratieren von Ausstellungen geblieben. Alle haben nach ihrer Überzeugung Kunstverständnis: „Vielleicht schaffe ich es auch, eine gewisse Berührungsangst aufzulockern“, sagt sie. Weil sie noch nicht über eigene Räumlichkeiten verfügt, kam es zur Idee mit mehreren Ausstellungsflächen in Tutzing, doch eines Tages hofft sie einen festen Standort finden zu können – vielleicht in einer Stadt.

Dennoch will sie am Konzept mit einer Reihe von Flächen festhalten, für das die aktuelle Tutzinger Aktion quasi ein Pilotprojekt ist: „Mich nicht zwischen dem dynamischen, städtischen Kulturleben und meiner ländlichen Heimat entscheiden zu müssen, das bedeutet mir viel.“

Den nächsten Schritt plant die junge Frau schon: Für die Starnberger Baugenossenschaft hofft sie nach Möglichkeit in zwei Jahren eine Galerie mitten im Münchner Museumsviertel gegenüber dem Brandthorst-Museum eröffnen zu können.

Lorenz Goslich

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