Drama um die Hüpferlinge

Die Kritik der Naturschützer an den Amphibien-Schutzmaßnahmen entlang der Weßlinger Umfahrung reißt nicht ab. Jetzt geht es um die Hüpferlinge.
Weßling – Es ist ein Horrorszenario, das Daniela Brombach am Dienstagabend in der Weßlinger Gemeinderatssitzung entwarf: In fünf bis zehn Tagen machen sich die Jungfrösche, Hüpferlinge genannt, auf den Weg vom Golfclub Wörthsee in die Gebiete jenseits der Weßlinger Umfahrung. An dieser jedoch „landen sie an einem Zaun, über den sie nicht kommen“. Der Großteil der Tiere würde dort sterben. Einziges Mittel dagegen: Den für die Amphibienzählung im Frühjahr installierten Plastikzaun öffnen oder anheben, was von Behördenseite jedoch untersagt werde. Die Räte brachte Brombachs engagierter Vortrag in Rage.
Vollgelaufene Tunnel mit alkalischem Wasser, am Beton klebende Frösche, ausgetrocknete Laichbecken: an die 800 000 Euro wurden für Amphibien-Schutzmaßnahmen entlang der Weßlinger Umfahrung ausgegeben, immer wieder wurde nachgebessert, und dennoch schlagen Naturschützer regelmäßig Alarm. Um ein klares Bild zu erhalten, führt das Münchner Umweltplanungsbüro GFN im Auftrag des Staatlichen Bauamts Weilheim derzeit eine Akzeptanzkontrolle durch. Dafür sammelten die Mitarbeiter über Wochen hinweg die Amphibien in Eimern und markierten sie. Auf der anderen Straßenseite wurden die Tiere erneut gesammelt und gezählt. Nun sind die Hüpferlinge dran. Sie wandern in Wellen, zu Tausenden, und wenn es feucht ist.
Brombach berichtete, dass die Jungtiere im Rahmen der Akzeptanzkontrolle ebenfalls gezählt werden sollten. „Aber das ist unmöglich und völliger Quatsch.“ Höchstens fünf Prozent der Tiere würden sich in Eimern fangen lasen, „der Rest hüpft wieder raus“. Die kleinen Frösche seien so groß wie ein Fingernagel,. „Wie will man die zählen?“ Auf dem Golfplatz seien „noch nie so wenige Hüpferlinge gesehen worden, wie heuer“, sagte Brombach.
Dem beauftragten Umweltbüro gehe es offensichtlich vor allem um den Auftrag, aber dieser sei so nicht erfüllbar. Ganz abgesehen davon funktionierten auch die für Eidechsen angelegten Tagesverstecke nicht. „Ich habe gestern eine gefunden, die ist dort den Hitzetod gestorben.“ Die Zustände entlang der Umfahrung seien unmöglich. „Man hat es nicht begriffen, man wird mit der Lage nicht fertig und kann damit nicht umgehen“, sagte sie und kündigte an: „Ich werde das alles dokumentieren. Das ist reine Tierquälerei.“
Das Gremium war betroffen. „Ich bin immer ganz erschrocken, wenn ich ihre Meldungen höre“, sagte Bürgermeister Michael Muther. Für ihn sei das alles unverständlich. „Ich muss mich doch als Nichtfachmann darauf verlassen können, dass die wissen, was sie tun.“ Der Gemeinderat könne jedoch nicht beschließen, den Zaun zu öffnen. Petra Slawisch (Grüne) sah das anders: „Das sind geschützte Tiere und unsere Tiere. Wir sollten versuchen zu retten, was zu retten ist.“
Roland von Rebay (FDP) berichtete, dass sich die Behörden auf die Spezialisten vor Ort verlassen würden und die beauftragte Firma bestreite, dass die Lage so sei wie geschildert. „Aber es ist eine Unverschämtheit, was dort draußen passiert.“ Zu überlegen sei, „ob wir nicht doch klagen“. Zumindest wird es bald neue Zahlen geben: Geschäftsstellenleiter Konrad Eisenhauer kündigte an, dass das Staatliche Bauamt in der Julisitzung aktuelle Daten vorlegen wolle.
Auf dem Golfplatz Wörthsee werden die Entwicklungen ebenfalls mit Sorge verfolgt. Greenkeeper Hans Ruhdorfer beobachtet die Hüpferlinge seit vielen Jahren. „Wir sehen sie eigentlich immer einmal in den Morgenstunden, und zwar in Massen“, erzählte er dem Starnberger Merkur. Dieses Jahr allerdings habe er bisher weniger als 100 Erdkröten-Hüpferlinge gesehen und überhaupt keinen Nachwuchs der Springfrösche. Das sei besorgniserregend. Der Golfclub lasse selbst regelmäßig Bestandsaufnahmen machen. „Dort sehen wir Rückgänge.“ Er räumt jedoch ein, dass eine Kausalität „nicht zu 100 Prozent geklärt werden kann“. Es sei sehr schade, dass es trotz des Einsatzes zahlreicher Fachleute entlang der Umfahrung noch Probleme gebe.
Bahram Gharadjedaghi, Inhaber des Umweltbüros GFN, das für die Akzeptanzkontrolle verantwortlich ist, wollte sich zu dem Thema gestern nicht äußern und verwies an das Staatliche Bauamt Weilheim. Dieses betonte, dass man in der derzeitigen Situation an den Zäunen nichts verändern dürfe. „Würden die Zäune angehoben, hieße das, die Daten der laufenden Untersuchung sehenden Auges zu verfälschen“, so Sprecher Michael Meister. Man sei auch verwundert, was die Aussage zu den Zäunen angehe. „Diesen Sachverhalt hören wir so zum ersten Mal. Wir können in der derzeitigen Wandersituation der Hüpferlinge keinerlei Problembezug sehen bzw. herstellen.“ Weßlings Gemeinderäte wollen dennoch in dieser Sache beim Bauamt nachhaken.