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Weitere Gemälde fürs Buchheim-Museum: „Die Zeit für die Expressiven Realisten ist überreif“

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Von: Johannes Thoma

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 „Frühling“ von Emil Maetzel aus der Sammlung Joseph Hierling.
Derzeit im Museum zu sehen: Der Holzschnitt „Frühling“ von Emil Maetzel aus der Sammlung Joseph Hierling. © Buchheim-Museum

Interview mit Joseph Hierling über seine Sammlung und die Faszination dieser Kunstrichtung

Bernried – Das Buchheim-Museum in Bernried wird für über 13 Millionen Euro ausgebaut. Grund dafür ist die umfangreiche Zustiftung von Bildern der Expressiven Realisten durch den Tutzinger Joseph Hierling (81). Wir sprachen mit ihm über seine Sammlung und ihre Geschichte sowie sein Interesse gerade für diese Künstler.

Wie kamen Sie erstmals in Kontakt mit den Expressiven Realisten?

Das weiß ich nicht mehr so genau. Als junger Mann kam ich in eine Galerie, die es längst nicht mehr gibt und die einem Marxisten gehörte. Dort wurde gegenständliche Kunst gezeigt, Ende der 60er Jahre war das die absolute Ausnahme. Dann habe ich den Kunsthistoriker Rainer Zimmermann kennengelernt, der mit seinem Buch über die deutsche Malerei des Expressiven Realismus mein Interesse noch verstärkt hat. 1981 habe ich selbst eine Galerie eröffnet, die war kommerziell wenig erfolgreich, beim Publikum war sie ein Riesenerfolg.

Hat ihr geschultes Auge als Kameramann beim BR mit der Vorliebe für diese Künstler etwas zu tun?

Vielleicht schon. Als Fotografenlehrling – ich war 17 und hatte keine Ahnung von Kunst – musste ich die Bilder eines Künstlers abfotografieren und auch gleich kategorisieren in gute, sehr gute und weniger gute. Ein Kunst-Professor hat mir danach bestätigt, dass ich mit meiner Einschätzung fast immer richtig gelegen habe.

Was macht die Faszination der Künstler des Expressiven Realismus’ aus?

Diese Künstler haben sehr qualitätsvoll gearbeitet. Mir persönlich hat das Entdecken dieser Künstler am meisten Spaß bereitet. Man sieht, dass Zufälligkeiten entscheiden, ob ein Künstler erfolgreich ist oder nicht.

Wie viele Bilder bzw. Kunstwerke besitzen Sie überhaupt?

Genau weiß ich das nicht. Dem Buchheim-Museum habe ich rund 1400 Werke geschenkt. Ich habe bestimmt noch rund 1500 Bilder anderer Künstler, unter anderem von denen, die um 1950 geboren sind und figürlich gemalt haben.

Wie ist es Ihnen gelungen, so viele Bilder zu kaufen? Da müssen Sie doch ein Vermögen investiert haben?

Hmm, ich habe in diesem Bereich sicher immer über meine Verhältnisse gelebt. Ich war nie reich. Durch meine Arbeit beim BR habe ich meine Leidenschaft finanziert. Außerdem waren diese Bilder damals viel günstiger. Ich wundere mich manchmal selbst, was im Laufe der Jahre alles zusammengekommen ist. Ich habe aber auch viele Werke aus Nachlässen bekommen, weil ich einen guten Namen als Sammler habe.

Bilder aus Ihrer Sammlung wurden auch schon in Museen in Kißlegg und in Schweinfurt gezeigt. Warum wurde daraus nichts Dauerhaftes?

Kißlegg hat sich nach zwölf Jahren auf den Bildhauer Rudolf Wachter konzentriert. In Schweinfurt gab es nach zehn Jahren einen Direktorenwechsel, der neue Leiter hat andere Prioritäten gesetzt. Dort war sogar schon eine Stiftung geplant, in die ich meine Bilder einbringen sollte. Dass es nicht geklappt hat, war wirklich sehr, sehr schade.

Warum, glauben Sie, passen Ihre Bilder so gut ins Buchheim-Museum?

Weil der Anschluss sowohl zeitlich auch als thematisch perfekt ist. Die um die Jahrhundertwende geborenen Künstler haben etwas Neues gemacht, die haben quasi den Impressionismus mit dem Expressionismus verheiratet. Mit den Werken beider Künstlergenerationen hat das Buchheim-Museum ein Alleinstellungsmerkmal.

Derzeit läuft eine Sonderausstellung mit Holzschnitten aus Ihrer Sammlung. Werden Ihre Bilder auch einen festen Platz bekommen in den neuen Ausstellungsräumen?

Ja, ich habe einen Vertrag geschlossen. Es wird auf jeden Fall einen festen Ausstellungsraum für die Expressiven Realisten geben. Außerdem wird bis zur Fertigstellung 2025 voraussichtlich jedes Jahr mindestens eine Sonderausstellung mit Werken aus meiner Sammlung zu sehen sein.

Sie wohnen in Tutzing, Ihre Sammlung passt offensichtlich bestens nach Bernried. Warum ist man erst nach rund 20 Jahren auf diese Idee gekommen?

Vor 20 Jahren waren die Expressiven Realisten einfach nicht populär. Heute ist die Zeit dafür überreif. Ein Meilenstein war sicher, dass meine Bilder im Museum Schweinfurt gezeigt wurden.

War der Trennungsschmerz groß, nachdem Sie die Bilder dem Museum überlassen hatten?

Einerseits schon ein bisschen, andererseits freue ich mich, dass diesen Künstlern Wiedergutmachung widerfährt. Die beiden Weltkriege waren ein Unglück für sie. Nach dem 2. Weltkrieg war im Westen die Abstraktion das Maß der Dinge, im Osten wurde der sozialistische Realismus propagiert.

Das Gespräch führte Johannes Thoma

Zur Person: Joseph Hierling

Joseph Hierling wurde am 18. März 1942 in München geboren, wuchs in Gräfelfing auf, bevor er nach München zurückkehrte. Dort absolvierte er eine Lehre als Fotograf, es schloss sich eine Ausbildung zum Film- und Fernsehkameramann an. Er arbeitete beim BR und wurde dort Leiter der Film- und Fernsehproduktion. Nebenbei hatte er eine Galerie in München. Hierling war auch Vorsitzender der Gewerkschaft „Kunst“ in Bayern. Seit 25 Jahren lebt er in Tutzing, nur wenige Kilometer vom Buchheim-Museum entfernt.   jt

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