Vom „faulen Hund“ zum Schauspieler

Er studierte Brauwesen, fand seine Erfüllung dann aber auf der Bühne und im Film: Franz-Xaver Zeller (28) aus Huglfing. Ein Porträt über den Schauspieler, der unter anderem mit Jan-Josef Liefers und Monika Gruber in „Das Pubertier“ zu sehen ist.
München – Wenn Franz-Xaver Zeller sich verwandeln will, macht er in der Küche seiner Wohnung in München-Giesing merkwürdige Dinge: Er geht leicht in die Hocke, seine Arme streckt er nach vorne und zieht sie ruckartig wieder an seinen Körper. Als würde er etwas einfangen. „Vor – und zurück“, ruft er dabei. Er blickt entschlossen. Eine schnelle Drehung. „Nach rechts – und zurück.“ Nächste Drehung. „Nach links – und zurück.“ Shdanoff-Technik nennt sich das. Hat Zeller in der Schauspielschule gelernt. Die Übung soll helfen, sich in die Stimmungslage einer beliebigen Rolle zu bringen. In diesem Fall: gestresst und aggressiv. Mit seinem blau-grauen Adidas-Trainingsanzug, den blonden, zerzausten kinnlangen Haaren und dem leichten Bart auf Oberlippe und Kinn sieht er aus wie ein Aerobic-Trainer aus den 1970er-Jahren. Das Wohlstandsbäuchlein passt nicht so ganz ins Bild.
Los ging‘s im Huglfinger Dorftheater
Ostern 2013: Zeller studiert Brauwesen an der Technischen Universität in Freising. Eine Ausbildung zum Brauer im Weilheimer „Dachsbräu“ nach dem Abitur hat er hinter sich. Sein Weg scheint vorgezeichnet. Zufrieden ist er aber nicht. „Ich hab das alles einfach irgendwie gemacht. Abitur, Ausbildung, Studium – alles nur mit dem nötigsten Aufwand“, sagt er. „Ich war ein fauler Hund.“ Wie viel Leidenschaft und Ehrgeiz jedoch in ihm stecken, merkt er erst, sobald er auf der Bühne steht. Wie etwa bei seinen Auftritten im Huglfinger Dorftheater. Der Regisseur hatte ihn drei Jahre zuvor gefragt, ob er Teil des einmal jährlich spielenden Ensembles sein wolle. Er könne sich vorstellen, dass das gut passt, hatte er damals gesagt. Es passte. Zellers Talent ist offensichtlich, er erhält Lob von Zuschauern und Kollegen. „Da wusste ich, dass ich das unbedingt beruflich machen will.“
Doch wie wird man eigentlich Schauspieler? Zeller sucht am Tag nach seinem letzten Auftritt mit dem Huglfinger Dorftheater einfach mal im Internet nach dem Begriff „Schauspielschule“. An oberster Stelle spuckt die Suchmaschine die „Zerboni“ in München aus. Sie zählt zu den renommiertesten Schauspielschulen Deutschlands. Größen wie Christian Tramitz, Monika Gruber und Hans Clarin machten hier ihre ersten Schritte. Zeller weiß das nicht. „Es war einfach die erste Seite, die mir angezeigt wurde und die jährlichen Castings waren zufälligerweise schon in zwei Wochen – da dachte ich mir, das passt ja optimal“, erinnert er sich. Ein paar Klicks später hat er einen Termin zum Vorsprechen.
Kreativer Auftritt beim Vorsprechen
Er bekommt einen Auszug aus dem Stück „Der Klassenfeind“ von Nigel Williams, den er einstudieren soll. Doch den Text einfach auswendig lernen und vortragen – das ist Zeller zu wenig. Er schreibt das Stück um und interpretiert seine Rolle als ur-bairischer Grantler, der auf alles und jeden schimpft. Kreativität, die von der Jury belohnt wird. „Sie haben bei meinem Auftritt viel gelacht und waren wohl ziemlich überrascht von meiner Herangehensweise“, sagt er heute. Am Ende zählt Zeller zu den 29 Auserwählten unter den rund 450 Bewerbern, die einen Platz für die dreijährige Ausbildung an der „Zerboni“ ergattern. Jetzt wird Zeller klar, wie ernst es ist. „Bis dahin war es viel Träumerei. Aber als ich genommen wurde, war klar, dass mich keiner mehr abhält.“
Über seinen Plan, künftig auf die Schauspielschule zu gehen spricht Zeller als erstes mit seinen Eltern. Er benötigt finanzielle Unterstützung. Die Eltern merken schnell, dass ihr Sohn für seinen Traum brennt und stehen auch hinter ihm. „Sie haben gespürt, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben zu 100 Prozent hinter einer Sache stehe“, sagt er. Seine Eltern geben ihm Geld, um Wohnung und Schule in München bezahlen zu können. Dafür ist Zeller sehr dankbar. „Ohne ihre Hilfe wäre es niemals gegangen“, betont er. Gleich danach schmeißt Zeller sein Studium. Bühne statt Hörsaal heißt es nun.
Nicht alle waren begeistert
Eine Entscheidung, bei der nicht jeder in seinem Umfeld applaudierte. Viele Freunde waren der Meinung, dass er es eh nicht durchzieht und ein Leben als Schauspieler keine Zukunft habe. Sie hatten die Zweifel, die er nie hatte. Böse ist Zeller deswegen jedoch niemandem. „Ich glaube, viele waren einfach traurig, dass ich aus Huglfing weggezogen bin und nicht mehr im Fußballtraining oder bei der Trommelprobe war.“ Aus der anfänglichen Skepsis seiner Freunde hat er sogar etwas Positives herausgezogen: Er schloss Wetten ab, dass er seinen Abschluss an der Schauspielschule schaffen und irgendwann im Fernsehen zu sehen sein wird. Über 100 Liter Bier hat er dafür mittlerweile bekommen. Manche Schulden stehen noch aus. Zeller grinst verschmitzt.
Die größte Herausforderung während seiner Ausbildung zum Schauspieler ist die Sprache. Zeller dachte: „Ich kann Hochdeutsch.“ Heute weiß er es besser. „Mein Hochdeutsch war katastrophal.“ Nach dem ersten Jahr an der „Zerboni“ sagen ihm seine Lehrer, dass er ohne sauberes Hochdeutsch keine Zukunft hat. „Das hat gesessen“, sagt er.
Zeller arbeitet hart. Einmal pro Woche geht er zu einer Logopädin und übt täglich eine halbe Stunde an seiner Aussprache. Seinen Lehrern schickt er täglich ein Video von seinen Übungen. Sie sollten sehen, dass er dahinter ist. Der Fleiß hat sich ausgezahlt. Zeller spielte Anfang 2017 eine Hauptrolle in der TV-Serie „Um Himmels Willen“ – auf Hochdeutsch. „Da meckert keiner mehr über den bairischen Buam“, sagt er und lächelt. „Eine schöne Bestätigung für die viele Arbeit.“
Vor der Kamera mit Jan-Josef Liefers und Co.
Im Großteil seiner Rollen, die er seit dem Abschluss der Schauspielschule im Sommer 2016 gespielt hat, soll Zeller dennoch einen Bayer geben. „Das bietet sich wohl einfach häufig an“, sagt er. Zur Zeit ist er mit Hansi Kraus und dessen bairischem Kultstück „Lausbuamgschichten“ auf Bühnen in ganz Deutschland unterwegs. Als urigen Wilderer sah man ihn vergangenes Jahr im „Räuber Kneißl“ im Garmisch-Partenkirchener Kultursommer und auch im Komödienstadl spielte er mit. Die Engagements reichen, um von der Schauspielerei zu leben. Von der Unterstützung seiner Eltern ist er nicht mehr abhängig.
Zeller legt seinen Laptop auf den Küchentisch in München-Giesing. Auf einer Internet-Seite, auf der Regisseure nach Schauspielern suchen können, öffnet er sein persönliches Profil. Als Bewerbungsvideo hat er Szenen aus verschiedenen Auftritten zusammengeschnitten. Während das Video läuft, zeigt er wenig Reaktion. Bis man ihn als Polizist in der deutschen Kino-Komödie „Das Pubertier“ in Aktion sieht. Zeller verschränkt die Arme, lehnt sich zurück und lächelt zufrieden. „Das war schon der Hammer“, sagt er. „Auf einmal stehst du mit Jan-Josef Liefers, Monika Gruber und Luise Kinseher vor der Kamera. Geil.“
Zeller öffnet ein Bier. „Zur Beruhigung“, sagt er scherzhaft, nachdem er gerade noch sehr impulsiv seine Shdanoff-Technik demonstriert hatte. Der Flaschenöffner ist ein Fanartikel des TSV 1860 München, seinem Herzensverein. Benutzt man ihn, ertönt die 60er-Hymne „Stark wie noch nie“. Bei seinem Verein ist sie derzeit nur schwer ernst zu nehmen. Bei Franz-Xaver Zeller passt sie.