Knappschaft in Peißenberg macht dicht: Schluss mit persönlicher Beratung

Dass die Peißenberger Geschäftsstelle der Knappschaft nun geschlossen worden ist, stellt gerade frühere Bergleute vor Probleme.
Peißenberg – Seit Anfang der Woche sind die Türen der Geschäftsstelle der Knappschaft im Peißenberger Rigi-Center verschlossen. „Unsere Geschäftsstelle schließt zum 28. Mai 2018, da sich der Beratungsbedarf unserer Kunden immer stärker in Richtung Telefonie und Internet entwickelt hat“, informierte die Kranken- und Pflegeversicherung, der zu großen Teilen ehemalige Bergleute angehören, Ende April.
Manfred Unger, Kreisvorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Weilheim-Garmisch, ärgert sich vor allem über diese Begründung. „Viele Mitglieder aus der Region haben sich an uns gewandt – das sind frühere Bergleute, die seit Jahrzehnten über die Knappschaft versichert sind“, erklärt er. Ein Großteil davon habe gar kein Internet. Aufgrund ihres mitunter schlechten Hörvermögens sei es zudem schwierig, sämtliche Anliegen am Telefon zu klären.
Beratung vor Ort seit über hundert Jahren
Viele Jahre lang war die Mitgliedschaft in der Knappschaft, die nach eigenen Angaben die „älteste Sozialversicherung der Welt“ ist, vornehmlich für Bergleute und deren Angehörigen möglich. Seit etwa zehn Jahren ist die gesetzliche Krankenkasse für alle offen. Vor Ort in Peißenberg hat die Kasse über 100 Jahre lang beraten – zunächst an der Bergwerkstraße, nach einem Umzug im Rigi-Center. Doch nun ist Schluss. Pressesprecher Wolfgang Buschfort aus der Zentrale in Bochum kann den Ärger nachvollziehen – gleichzeitig bittet er aber um Verständnis: „Die Geschäftsstelle in Peißenberg bestand nur aus zwei Personen. Das ließ sich einfach nicht mehr machen.“
Seines Wissens nach sei der Publikumsverkehr dort äußert gering gewesen: „Es gab fast keine Besucher. Wenn die Stelle täglich nur von ein oder zwei Personen als Briefkasten genutzt wird, um beispielsweise Hilfsmittelanträge abzugeben, ist das nicht rentabel.“ Buschfort sagt außerdem: „Der Trend geht zur Online-Beratung.“ Wer damit nicht zurechtkomme, könne bei Fragen auch einen Brief schicken.
Mit Online-Auskünften kann Matthias Führler, Peißenberger Altbürgermeister und langjähriges Mitglied in der Knappschaft, wenig anfangen. „Ich habe zwar Internet – aber mit meinen 87 Jahren tu’ ich mich verdammt schwer damit“, erklärt er. Als Bergmann, der über zehn Jahre lang unter Tage gearbeitet hat, fühle er sich im Stich gelassen. „Als Mitglied in der IG BCE hatte ich immer viel mit der Knappschaft zu tun – das war eine gute Zusammenarbeit“, so Führler. Dass nun jegliche Möglichkeit wegfällt, sich in Peißenberg persönlich zu erkundigen, sei „äußert schlimm“.
Nicht nur in Peißenberg ist Ende Mai Schluss
Doch nicht nur in Peißenberg ist Ende Mai Schluss. Auch die Stellen in Penzberg und Hausham im Landkreis Miesbach, die ebenfalls eine Bergbau-Vergangenheit haben, wurden kürzlich geschlossen. Der Großteil der 53 Geschäftsstellen befindet sich im Ruhrgebiet, in Bayern ist lediglich die Regionaldirektion in München geblieben.
Buschforts Vorschlag, dass Senioren Briefe schicken könnten, hilft Führler nicht weiter. „Um einen Brief zu schreiben, der leserlich ist, brauche ich sehr lange. Jede dieser Tätigkeiten überfordert mich“, sagt der 87-Jährige. Als Rentner mit körperlichen Beschwerden habe er die Knappschaft im Ort nicht nur genutzt, um verschiedene Anträge zu stellen, sondern auch, um sich über verschreibungspflichtige Rezepte und Therapien zu erkundigen.
Er hofft gemeinsam mit vielen anderen Mitgliedern darauf, „wenigstens einen Kompromiss zu finden“. Eine Idee, die auch Manfred Unger unterstützt, wäre die Einführung regelmäßiger „Sprechstunden“ in Peißenberg. „Wenn einmal die Woche jemand aus München kommen würde, um sich den älteren Leuten anzunehmen, wäre uns damit schon viel geholfen“, sagt Führler. Doch von einem solchen Modell ist bei der Knappschaft momentan keine Rede.