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Trotz Umfahrung zu viel Verkehr in Peißenberg - Zellner: „Wir müssen uns daran gewöhnen, dass wir Verkehr im Ort haben, den wir selber produzieren“

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Von: Bernhard Jepsen

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Unter anderem wurden Autofahrer am östlichen Ortsausgang von Peißenberg befragt. Ortsdurchfahrt weiter Thema
Unter anderem wurden Autofahrer am östlichen Ortsausgang von Peißenberg befragt. © jepsen

Was lässt sich gegen den Verkehr in Peißenberg tun? Erstaunliche Ergebnisse der Verkehrsanalyse wurden nun im Gemeinderat präsentiert – von einem alten Bekannten.

Peißenberg – „Ich freue mich, endlich wieder in Peißenberg sein zu dürfen“, erklärte Professor Harald Kurzak zu Beginn seines Vortrags im Marktrat: „Immerhin sind schon 30 Jahre vergangen. Ich habe die Probleme von Peißenberg mitbeobachtet und mitgestaltet. Mit meinen Unterlagen wurde ja schließlich die Umgehung gebaut.“ Der Ingenieur für Verkehrsplanung gehört zu den Granden, wenn es um Verkehrszählungen geht. Und so wurde Kurzak im Herbst vergangenen Jahres auch beauftragt, eine aktuelle Verkehrsanalyse für Peißenberg zu erstellen. Hauptfinanziert wurde das knapp 50 000 Euro teure Projekt über das EU-Förderprogramm „Innenstadt beleben“ (wir berichteten).

„Mit meinen Unterlagen wurde ja schließlich die Umgehung gebaut“

Nachdem Kurzak in der Sitzung Bürgermeister Frank Zellner (CSU) den Ergebnisbericht überreicht hatte, präsentierte der Professor – leider nicht immer strukturiert und damit nicht immer sofort verständlich – seine Zahlen. An 16 Verkehrsknotenpunkten im Ort waren im Herbst 2022 per Videotechnik über 24 Stunden Verkehrszählungen angesetzt und an fünf Befragungsstellen an den Ortsausgängen weitere Daten erhoben worden. Eine der daraus gewonnenen Erkenntnisse: Gegenwärtig verkehren auf der Ortsdurchfahrt im Bereich zwischen Rigi-Center und Rathaus etwa 13 000 Fahrzeuge pro Tag.

Zum Vergleich: 1995, also weit vor der Eröffnung der Umgehung Ende 2008, waren es noch knapp über 19 000. Auf der Umfahrung sind es gegenwärtig je nach Streckenabschnitt über 11 000 Fahrzeuge pro Tag: „Es ist schon ganz schön kräftig, was da außen um Peißenberg herumgeht“, analysierte Kurzak. Interessant: Bei einer Verkehrszählung 2012 fuhren noch deutlich weniger Fahrzeuge auf der Umgehung – im Bereich zwischen den Anschlussstellen „Süd“ und „West“ sogar über 2000 weniger. Die Akzeptanz der neuen B 472 ist also besser geworden. Das Saldo im Vergleich zu 2012 fällt auf der Ortsdurchfahrt folgerichtig überwiegend negativ aus (zugeordnet nach Abschnitten bis zu 2000 Fahrzeuge weniger). Stark zugenommen hat indes der Verkehr auf der Bergwerkstraße. Dort verkehren im Vergleich zu 2012 bis zu 1600 Fahrzeuge mehr pro Tag. Der Grund liegt auf der Hand: Die Straße dient als Hauptzufahrt für den Einkaufspark auf dem ehemaligen PKG-Gelände.

Die Akzeptanz der Umfahrung ist gewachsen

Die Verkehrsströme innerhalb des Ortes lassen sich in drei Kategorien einordnen – und zwar in den Binnenverkehr, den Ziel- und Quellverkehr sowie in den Durchgangsverkehr. Ein Ergebnis der Analyse: Es fahren pro Tag genauso viele Peißenberger aus dem Ort raus wie Auswärtige. Letztere pendeln in der Früh zum Arbeiten ein oder aber – und das ist der Löwenanteil – sie fahren zum Einkaufen ins Rigi-Center oder zu den Supermärkten. Kurzak errechnete, dass im Vergleich zu 1995 satte 60 Prozent mehr Auswärtige auf Peißenbergs Straßen unterwegs sind, nämlich rund 5500 Fahrzeuge pro Tag. Beim Binnenverkehr ergaben sich indes keine großen Verschiebungen.

Die wesentliche Erkenntnis der Studie: Der reine Durchgangsverkehr ist in Peißenberg auf einen marginalen Wert geschrumpft. Fuhren 1995 noch knapp 10 000 Fahrzeuge auf den Hauptverkehrsachsen ohne Halt durch den Ort, sind es aktuell nur noch 1000, wobei grob die Hälfte Richtung Forst unterwegs ist, also nicht die gesamte Ortsdurchfahrt nutzt. „Auf den Hauptverkehrsachsen ist der Durchgangsverkehr also deutlich weniger geworden“, betonte Kurzak. Unter dem Strich ergibt sich eine Quote am Gesamtverkehr von gerade einmal drei Prozent. Kurzak zog daraus eine Schlussfolgerung: „Sie können den innerörtlichen Verkehr kaum verringern. Da ist nichts zu machen. Durch neue Baugebiete schaffen sie eher mehr Verkehr.“ Car-Sharing, das habe die Haushaltsbefragung ergeben, würde in Peißenberg keine Rolle spielen. Auch sei es aus Platzgründen auf der Ortsdurchfahrt schwer, weitere Radwege anzulegen: „Kleine Maßnahmen, die die Sicherheit betreffen, sind notwendig. Große Maßnahmen bringen nichts – und sie sind auch nicht gut für den Ort. Der Durchgangsverkehr ist draußen – und das ist das Wichtige“, so der Professor: „Wenn man zu viel in den Verkehr eingreift, dann kommen die Auswärtigen nicht mehr zu Ihnen zum Einkaufen.“

Richtet sich Peißenberg nach der Expertise aus?

Stellt sich die Frage, ob Peißenberg seine Verkehrspolitik tatsächlich an Kurzaks Expertise ausrichtet. Im Marktrat gab es dazu unterschiedliche Meinungen (siehe Kasten). Frank Zellner sprach vor allem in Hinblick auf das Radfahren von einem „emotionalen Thema“. Auf Nachfrage der Heimatzeitung erklärte der Bürgermeister, dass aus seiner Sicht Kurzaks Analyse nicht bedeuten würde, dass die Gemeinde an der Ortsdurchfahrt nichts mehr umgestalten müsse: „Damit will ich nicht aufhören.“ Aufgabe sei es vielmehr, die Hauptverkehrsachsen „optimal für alle Nutzer“ zu konzipieren. Zellner ist aber auch realistisch: „Kurz- bis mittelfristig müssen wir uns daran gewöhnen, dass wir Verkehr im Ort haben, den wir selber produzieren.“

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