Tom, Nick und Luk Jäger: Brüder, aber keine Rivalen

Die Brüder Tom, Nick und Luk Jäger sind enthusiastische und erfolgreiche Läufer, auch bundesweit. Das Laufen zum Beruf machen wollen die drei Penzberger aber nicht.
Penzberg – Die einfachste Frage ist in diesem Fall auch die, die am schwierigsten zu beantworten ist: Wer ist denn nun der Schnellste bei den Jägers, der Läufer-Familie aus Penzberg, die sich gerade um Neujahr herum wieder gesehen hat? Das kommt auch nicht allzu häufig vor, weil die älteren beiden Söhne Tom (23) und Nick (21) in Neu-Ulm sowie Erlangen studieren.Aber da wird es später erst wichtig. Also auf zum Mysterium um den flinksten Flitzer der Familie.
Man könnte es sich jetzt einfach machen, die drei Brüder in einer Reihe aufstellen irgendwo in Breunetsried im Penzberger Westen, wo sie derzeit gern laufen. Aber da fangen die Probleme schon an. Wie lange sollen sie laufen? Mittel- oder Langstrecke? Das alles führt aber zu nichts. Da wird man noch ein paar Jahre warten müssen, bis dann auch Luk, mit 18 Lenzen der jüngste der Jäger-Brüder, einmal bei den Senioren antritt und sie womöglich wirklich einmal in einem Rennen gegeneinander antreten. Das ist zwar schon passiert bei dem einen oder anderen Volkslauf, etwa in Aschau beim Vorsilvesterlauf. Aber so ein realer Dreikampf war das auch nicht, als die drei Jägers in einer Menschenmenge aus 200, 300 Athleten verschwanden.
Leichtathletik: Auch Stefan Jäger, der Vater, war ein erfolgreicher Läufer
Der interne Wettkampf verschiebt sich. Fürs Erste einigen sich alle auf eine salomonische Antwort. An die Bestzeiten vom Vater, Stephan Jäger, über 5000 oder 10000 Meter kommen sie wahrscheinlich nie heran. „Die sind schwer zu knacken, wird ganz ganz schwierig“, sagt Tom Jäger. Damit dürfte auch relativ schnell abgehakt sein, wo denn diese Läufergene herkommen. „Von unserem Vater“, erklärt Luk Jäger. Stephan Jäger gehörte in seiner Jugend zu den aussichtsreichsten Langstreckenläufern Deutschlands. Er hat Biologie studiert und in Penzberg bei Roche einen Job gefunden. So kamen er und seine Frau Melanie 1997 in die Gegend.
Keiner von uns ist gut genug, dass er auf Lebzeiten Geld verdienen kann.
Wenn man ehrlich ist, hat sich in der Leichtathletik in diesem Punkt kaum etwas bewegt. Tom Jäger betont: „Keiner von uns ist gut genug, dass er auf Lebzeiten Geld verdienen kann. Das ist kein Plan A.“ Sein Wort hat allein schon Kraft, weil da einer der besten Zehn seiner Altersklasse im gesamten Bundesgebiet über 1000 Meter spricht. Im Fußball, das darf man sich gar nicht vorstellen, wäre er auf derselben Stufe Millionär. Aber die Menschen schauen eben lieber Sportlern zu, die mit statt ohne Ball unterwegs sind. Das muss man nicht verstehen, sondern hinnehmen.
Wir würden das nicht machen, wenn wir den Spaß verlieren.
Bruder Nick, ein ausgezeichneter Hindernis- und Crossläufer, geht noch einen Deut weiter: „Jeder deutsche Läufer muss eine duale Karriere machen.“ Gewiss federn die Förderprogramme von Zoll, Polizei oder Bundeswehr manches Talent ab. Aber reich mit Laufen werden auf diesem Planeten sehr, sehr wenige und eigentlich kein Deutscher. Für die Jäger-Brüder bleibt der Laufsport ein Hobby mit großem Spaßpotenzial. „Wir würden das nicht machen, wenn wir den Spaß verlieren“, sagt Nick Jäger. Deshalb ging die Schule immer vor. Kein schlechter Plan. Nach Tom und Nick steht jetzt Luk vor dem Abitur, 13. Klasse an der FOS in Bad Tölz mit Abschluss im kommenden Sommer, laut Ministerium am 9. Juli. Kann natürlich niemand mit Gewissheit sagen. Corona und so.
Leichtathletik: Laufen ist zwar möglich, aber es fehlt das Gruppenfeeling
Das Virus hat das Läuferleben nicht grundlegend verändert, nur ein klein wenig komplizierter gemacht, weil die Hallen für Wettkämpfe geschlossen sind. Gut, sie laufen nun draußen. Aus virologischer Sicht gibt’s da nichts auszusetzen. Sie können gut variieren: Gelände, Anstiege, Wege. „Ich krieg’ sonst einen Kollaps, wenn ich immer dieselbe Strecke laufe“, sagt Tom Jäger. Als Turner, merkt Nick – größter Lauf-Erfolg: Team-Bronze bei der Cross-EM – an, würde man sich schwerer tun. Aber als Läufer mache man im Winter auch sonst nicht viel anderes als Grundlagen aufbauen. Was fehlt, ist „das Gruppenfeeling“, sagt Melanie Jäger. Zur Zeit heißt es: Zirkeltraining im Zimmer. Allein. „Ist schwerer, sich zu motivieren“, findet Nick Jäger. Aber da müssen sie durch.
Man muss nicht gleich der Dystopie verfallen, um die Hallensaison schon abzuschreiben. Der Basketballverband hat soeben seinen Re-Start noch mal um Monate weiter nach hinten auf Ende März gelegt. Und die Basketballer haben Körperkontakt. Die Laufszene diskutiert, ob man eine Cross-Meisterschaft – also eine Veranstaltung unter freiem Himmel – austragen könne. „Keiner weiß, ob das stattfinden kann“, sagt Melanie Jäger. Das wird auch so schnell keiner sagen können. So lange laufen ihre Söhne einfach alleine weiter.
Die drei Jäger-Brüder haben einst auch Fußball gespielt
Sie tun das quasi schon ihr ganzes Leben. Ihre Mutter gab Training beim TSV Penzberg, und sie waren oft dabei. Man könnte jetzt sagen: Klar, dass sie da hängen bleiben. Aber so klar war das nicht. Sie haben alle drei auch Fußball gespielt. Aber was jeder von ihnen mit dem Ball anstellte, sei eher ein Graus zum Anschauen gewesen, scherzt Tom Jäger. Ähnlich erging es ihnen beim Weitsprung oder beim Ballwurf, was man in der leichtathletischen Erziehung, die auf Vielseitigkeit fußt, ebenso durchläuft. „Wir alle waren schlecht. Wir sind fast immer Letzter geworden“, witzelt Luk Jäger. Sein Bruder Nick kontert trocken: „Ich bin nie Letzter geworden.“ Sie lachen. Aber es stimmt natürlich, dass ihre Körper und ihr Talent fürs Laufen und die längeren Strecken speziell geschaffen sind.
Leichtathletik: Die Brüder sehen sich nicht als Rivalen, vielmehr helfen sie sich gegenseitig
Obwohl sie alle sehr ehrgeizig sind, Stichwort Kartenspiele, sehen sie sich nicht als Rivalen. Vielmehr haben sie ein familiäres Subventionssystem geschaffen, selbst wenn das etwas hochtrabend klingt. Mutter Melanie schreibt Trainingspläne. Die Söhne helfen sich gegenseitig. Sie diskutieren auch mal stundenlang über die richtige Position am Wassergraben oder schauen sich ihre Läufe zig Mal an auf der Suche nach Taktikfehlern. Von seinem Finallauf in der U20 über 1500-Meter (2016) hat Tom Jäger noch „Meter für Meter im Kopf“. Luk als Jüngster nutzt die Bestzeiten seiner Brüder als Meilensteine, die es zu übertreffen gilt. Vor seiner ersten bayerischen Meisterschaft über 3000 Meter haben sie sogar gewettet, der Luk und der Tom, um eine Tafel Schokolade. Der Kleine sollte die alte Bestzeit des großen Bruders schlagen, irgendetwas unter zehn Minuten. Eine Sekunde hat ihm am Ende gefehlt. „Der Luk hat unsere Zeiten im Blick“, sagt Tom. „Ich musste dagegen immer vorlegen.“
Wenn man den Spaß behält, kann man den Wettkampfsport sehr lange betreiben.
Luks Strategie geht gut auf. Im vergangenen September gewann er Gold bei der deutschen U20-Meisterschaft über 2000 Meter Hindernis, die Silbermedaille im Jahr davor sei aber noch emotionaler gewesen. Es werden mutmaßlich noch viele dazukommen. Irgendwann dürfen sie dann einmal Medaillen zählen, die Zahl wird garantiert dreistellige Höhe erreichen, wenn man Tom Jäger beim Wort nimmt. „Wenn man den Spaß behält, kann man den Wettkampfsport sehr lange betreiben.“ Nur was er vom Seniorensport halten soll, weiß er noch nicht. Aber bis da ist es noch sehr, sehr lange hin für das Brüder-Trio.