„Dieses Ausmaß war nicht vorstellbar“

„Zwergerlkoch“ Martin Albrecht erzählt im Interview, wie sich alles verändert hat und was das für seinen Betrieb bedeutet.
Oderding – Bis vor drei Wochen hatten Martin und Lena Albrecht in Oderding einen rundum florierenden Betrieb mit 55 Angestellten. Als „Zwergerlkoch“ haben sie rund 150 Schulen und Kindergärten im ganzen Landkreis und in den angrenzenden Landkreisen mit Mittagessen beliefert. Nun ist alles anders, wie Martin Albrecht im Interview mit der Heimatzeitung berichtet.
Mussten Sie Ihre bestellten Lebensmittel alle wegwerfen, als die Schulen und Kindergärten geschlossen wurden?
Nein, das zum Glück nicht. Wir hatten zwar alles schon bestellt und zum Teil auch geliefert bekommen. Die Lieferanten reagierten aber alle sehr kulant und wir konnten die nicht haltbaren Lebensmittel wieder zurückgeben und bereits getätigte Bestellungen stornieren. Dennoch ist die Situation schwierig für uns.
Weil Sie Ihre Geschäftsgrundlage verloren haben?
Genau. Wir sind ein Betrieb mit 55 Angestellten, der rund 150 Kindergärten und Schulen mit frischem Essen versorgt. Das war von einem Tag auf den anderen nicht mehr möglich, da hundert Prozent des Kundenstamms nicht mehr da war. Dieses Ausmaß war bis dato nicht vorstellbar…
Kredite werden für die laufenden Kosten benötigt
Die Politik hat finanzielle Unterstützung zugesichert, nützt das?
Ohne jetzt undankbar zu klingen: Bei unserer Mitarbeiterzahl bekommen wir 15 000 Euro Soforthilfe vom bayerischen Hilfsprogramm. Die fallen in Anbetracht eines Umsatzverlustes von etwa 300 000 Euro pro Monat und den laufenden Kosten kaum ins Gewicht. Im April wollten wir mit unserem Anbau beginnen. Das müssen wir – und die Bank – nun komplett neu bewerten. Wir werden nun zunächst Kredite in Anspruch nehmen müssen, um laufende Kosten aufzufangen. Diese stehen hoffentlich schnell zur Verfügung. Wir haben schon Kredite beantragt. Wir werden dann natürlich einen großen Schuldenberg vor uns haben, wenn der Betrieb wieder anläuft.
Sind die Anträge kompliziert gewesen?
Einfach war es nicht. Zum Glück haben wir eine hilfsbereite Bank. Aufgrund des geplanten Anbaus hatten wir glücklicherweise bereits einen Businessplan, den wir mit den Zahlen neu füllen mussten. Wir sind schon ein paar Tage daran gesessen. Wenn die Anträge an die Bank gestellt und alle Nachweise erbracht sind, wird geprüft, ob wir kreditwürdig sind. Erst dann kommt es zur Auszahlung. Bisher haben wir weder die Soforthilfe noch die Kreditzahlungen erhalten.
Was ist mit Ihren Mitarbeitern derzeit?
Unsere Mitarbeiter sind alle in Kurzarbeit. Wenn wir jetzt auch noch Löhne zahlen müssten, wären wir schnell erledigt. Sie stehen zum Glück voll hinter uns und verstehen die Entscheidung. Wir wissen, dass das nicht selbstverständlich ist und ich hoffe, dass wir uns da irgendwann bei ihnen erkenntlich zeigen können. Ich hoffe für unsere Leute, dass sie mit dem Kurzarbeitergeld zurecht zu kommen.
Meinen Sie, dass Sie nach den Osterferien wieder Schulen und Kindergärten bekochen?
Vermutlich nicht, auch wenn wir es sehr hoffen. Es vermuten viele Leiter und Rektoren der Einrichtungen und Schulen, dass die Schließungszeit über das hinausgeht, was bislang angekündigt war.
„Gesunder Betrieb“ vor der Coronavirus-Krise
Mit welcher Zeitspanne rechnen Sie?
Ich rechne damit, dass wir vermutlich die nächsten zwölf Monate nicht durchgehend aufmachen werden. Solange es keinen Impfstoff gegen das Coronavirus gibt, befürchten wir, dass wohl immer wieder alles auf null heruntergefahren wird.
Halten Sie das durch?
Grundsätzlich sind wir optimistisch. Entscheidend ist die Dauer der Schließung für uns. Wir waren zum Glück ein gesunder Betrieb, bevor die Corona-Krise kam, sonst sähe es schlecht aus für uns. Für uns sähe es zudem schlecht aus, wenn wir schon mit dem Neubau begonnen hätten, den wir gerade planen. Dann hätte es uns sehr viel schlimmer getroffen. Mit diesem Projekt müssen wir nun wohl warten, bis alles wieder stabil läuft.
Haben Sie schon Lehren aus dieser Situation gezogen?
Wir werden versuchen, uns breiter aufzustellen, sodass wir künftig nicht nur darauf angewiesen sind, dass die Kinder in Schulen und Kindergärten gehen. Gedankenspiele gibt es viele. Wir wurden schon oft nach Einzelportionen-Lieferungen gefragt. Wenn die Kinder nicht in die Kindergärten und Schulen kommen, kommen wir zu ihnen nach Hause… Besonders in den letzten Tagen haben wir Anrufe erhalten von Eltern, die im Home-Office arbeiten, die Kinder zu Hause haben und sich über ein derartiges Angebot freuen würden. Wir müssen überlegen, wie und ob das machbar ist. Und Senioren und Firmen gibt es auch noch. Ein gutes Essen braucht jeder – vor allem in so schwierigen Zeiten wie diese es sind. Andererseits ist es bislang auch ein Vorteil gewesen, nur für Kinder zu kochen und sich ganz auf diese spezielle Zielgruppe zu fokussieren.
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Wegen der Corona-Krise werden alle Reisen bis einschließlich Ende April storniert. Dadurch entstehen den Reisebüros erhebliche Verluste und dennoch haben sie so viel Arbeit, dass sie teilweise auch nachts für ihre Kunden im Einsatz sind.
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