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So klappt es mit der eigene PV-Anlage: Experte beantwortet wichtigste Fragen

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Von: Sebastian Tauchnitz

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Eine Photovoltaikanlage wird installiert
Bauboom auf den Dächern: Derzeit können sich die Fachfirmen kaum vor lauter Aufträgen für die Montage von Photovoltaikanlagen retten. Im Vorfeld, beim Bau und im Anschluss gibt es aber einiges zu beachten. © Hans-Helmut Herold

Hersteller und Fachfirmen werden zurzeit überrollt mit Anfragen nach Photovoltaik-Anlagen. Doch die Materie ist nicht unkompliziert. Experten beantworten die wichtigsten Fragen.

Landkreis – Nicht nur die Gas- und Ölpreise, auch die Kosten für Strom gehen seit Monaten durch die Decke. Eine Besserung ist nicht abzusehen. Was liegt da näher, als seinen Strom einfach weitestgehend selbst zu erzeugen und nicht teuer zu kaufen?

Kein Wunder, dass das Geschäft mit PV-Anlagen boomt. Der Nachholbedarf sei immens, sagt Andreas Scharli, Energiemanager bei der Energiewende Oberland. Das liege daran, dass der Ausbau erneuerbarer Energien vor gut zehn Jahren von der unionsgeführten Bundesregierung „politisch sabotiert“ worden sei. Die Einspeisevergütung wurde damals radikal zusammengestrichen, in der Folge brach die zu diesem Zeitpunkt wettbewerbsfähige deutsche Solarbranche weitestgehend in sich zusammen.

Energiekrise: Geschäft mit Solaranlagen boomt - Beratungsbedarf riesig

Jetzt allerdings rücke nach dem Ausbruch des Ukrainekrieges die Versorgungssicherheit mit Strom in den Fokus. Und das, was jahrelang verschlafen wurde, wird nun nachgeholt, so Scharli.

Insgesamt acht Stationen mit unabhängigen Energieberatern betreibt die Energiewende Oberland in Zusammenarbeit mit der Verbraucherzentrale in ihrem Zuständigkeitsbereich, der neben dem Landkreis Weilheim-Schongau auch die Landkreise Bad Tölz-Wolfratshausen, Miesbach und Garmisch-Partenkirchen umfasst. „Bereits im Mai mussten wir beschließen, dass wir keine Vor-Ort-Termine mehr anbieten“, berichtet Scharli. Der Beratungsbedarf sei einfach zu groß, weswegen man telefonisch oder per Mail erreichbar sei. Viele Fragen ließen sich aber ohnehin schon im Vorfeld klären.

Für wen lohnt sich PV-Anlage auf dem Dach? - „Nahezu für alle geeignet“

„Die klassische Anlage auf dem Dach des eigenen Hauses ist für nahezu alle geeignet“, sagt der Experte Scharli. Früher sei oft geraten worden, nur Dächer in Südausrichtung mit Solarmodulen zu bestücken. Das sei in Zeiten, in denen ausschließlich ins Netz eingespeist wurde, auch richtig gewesen, weil die Module so zur Mittagszeit die maximale Leistung bringen können.

Mittlerweile gehe es aber vor allem darum, sich selbst zu versorgen. Und da sei auch eine Ost-West-Ausrichtung des Daches gar nicht so verkehrt. Weil man dann zwei Stunden länger pro Tag Sonnenstrom produzieren könne, obgleich auch nicht ganz so viel.

Solaranlage mit oder ohne Batteriespeicher bauen?

Scharli hat da eine ganz klare Meinung: „Ein Batteriespeicher ist für die meisten nicht sinnvoll.“ Die Speicher seien derzeit immens teuer, kaum lieferbar und unwirtschaftlich. „Viele wollen anfangs die eierlegende Wollmilchsau und sich möglichst vollständig selbst versorgen“, meint er. Das sei aber unnötig teuer. Zwar würden viele Firmen zum Einbau der Speicher raten, „die wollen aber auch gern Umsatz machen“.

Sinnvoller sei es, den selbst erzeugten Strom weitestgehend auch selbst zu nutzen. „Fast jede Waschmaschine, jeder Trockner und jeder Geschirrspüler lässt sich heute so programmieren, dass er sich zur Mittagszeit einschaltet, wenn die PV-Anlage am meisten Strom produziert“, so der Energiemanager. Im Winter, wenn die PV-Anlage kaum Strom produziert, könne auch der Batteriespeicher nicht aufgeladen werden. „Dann muss man so oder so Strom zukaufen.“

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Scharli setzt mehr auf die Zukunft. Noch seien es wenige Elektroautos, die sogenanntes bidirektionales Laden beherrschen. In Zukunft soll diese Technik aber in fast allen E-Fahrzeugen eingebaut sein. Dann nutzt man den (im Vergleich zum Batteriespeicher) riesigen Akku des Autos als Pufferspeicher fürs Haus. Wird viel Strom erzeugt, lädt man das Auto auf, ist es abends dunkel, zapft man von dort wieder Strom ab.

Photovoltaik-Anlage: Wie bereite ich mich ideal vor?

Jeder Landkreis hat ein Solarkataster, in dem jedes einzelne Haus erfasst ist. Das für den Landkreis Weilheim-Schongau ist unter www.solarkataster.weilheim-schongau.de zu finden. Hier könne man sich genau anzeigen lassen, wie gut das eigene Dach für eine PV-Anlage geeignet ist. Klickt man auf das eigene Haus, ploppt ein Rechner auf. Da kann man seinen bisherigen Strom-Jahresverbrauch (steht auf der Rechnung) eintragen, angeben, ob man ein E-Auto laden möchte oder nicht. Dann rechnet das Programm aus, wie viele Module man aufs Dach packen muss, gibt den wahrscheinlichen Grad der Autarkie und zahlreiche weitere Informationen an. Damit kann man sich dann Angebote einholen.

Energiekrise: Was ist ein gutes Solaranlagen-Angebot?

Es tummeln sich zahlreiche Anbieter auf dem Markt. Scharli rät dazu, zuerst bei etablierten Handwerksunternehmen in der Region anzufragen. „Die haben einen guten Ruf zu verlieren und sind in der Regel seriös und zuverlässig“, sagt er. Das könne man den großen, überregional arbeitenden Unternehmen nicht immer sagen: „Die schwatzen den Leuten dann gern Technik auf, die sie gar nicht brauchen und rufen Preise auf, die weit über dem Marktniveau liegen“, so Scharli.

Hat man die Angebote vorliegen, „ist es der perfekte Zeitpunkt, bei uns anzurufen“, so der Energiemanager von der Energiewende Oberland. „Wir haben zwar keine Anlagen oder Monteure im Keller, bieten aber eine marktneutrale Beratung“, verspricht er. Will meinen: Die Experten schauen sich das Angebot an und beraten die Interessenten, ob das sinnvoll und finanziell okay ist. Dann kann, sobald alles lieferbar ist und der Monteur Zeit hat, losgelegt werden.

Was passiert, wenn die PV-Anlage fertig ist?

Ist alles montiert, kann man in der Regel nicht gleich loslegen. Zunächst muss die Anlagen mit allen Details beim Netzbetreiber und zusätzlich bei der Bundesnetzagentur angemeldet werden – spätestens einen Monat nach Inbetriebnahme. Erst wenn das erfolgt ist, gibt es die Einspeisevergütung für den Strom, den man nicht selbst verbraucht, sondern ins Netz pumpt. Für alle Anlagen, die in Zukunft neu dazukommen, gibt es 8,2 Cent pro Kilowattstunde.

In der Regel würden die beauftragten Unternehmen die Anmeldung der Anlage übernehmen, so Scharli. Ab und an wird das aber auch den Kunden aufs Auge gedrückt. Selbst wenn das erledigt ist, müsse man sich derzeit in Geduld üben. Denn die PV-Anlage dürfe erst in Betrieb genommen werden, wenn ein neuer, digitaler Zähler vom Netzbetreiber installiert worden ist, erklärt der Experte. Der digitale Zähler weist getrennt aus, wie viel man eingespeist und wie viel man aus dem Stromnetz gezogen hat.

Andreas Scharli, Energiemanager bei der Energiewende Oberland, beantwortet täglich unzählige Anfragen.
Andreas Scharli, Energiemanager bei der Energiewende Oberland, beantwortet täglich unzählige Anfragen. © Sebastian Tauchnitz

Aufgrund des PV-Booms könne es beim Einbau des neuen Zählers derzeit zu wochen-, teils monatelangen Wartezeiten kommen. „Die Versorger kommen nicht hinterher“, so Scharli. Wer jetzt schlau sein und den Zählertausch bereits vorab vereinbaren möchte, hat Pech habt: „Das kann erst beantragt werden, wenn die Anlage fertig ist.“ Der Energiemanager räumt ein, dass das alles ganz schön kompliziert ist – und die bürokratischen Hürden sind sogar noch höher. Denn am Ende steht auch noch die Frage an, ob man für seine Anlage ein Gewerbe anmelden möchte oder nicht.

Was muss ich bei der Steuer angeben?

Denn auch beim selbst produzierten Strom hält Vater Staat die Hand auf. „Früher führte kein Weg daran vorbei, für die PV-Anlage ein Gewerbe anzumelden“, so Scharli. Schließlich erzielt man über die Einspeisevergütung Einnahmen.

Das sei heute gottlob nicht mehr so. Alle Anlagen bis zu einer Leistung von 10 Kilowatt/peak – darunter fallen fast alle auf Dächern von Einfamilienhäusern – könnte man beim Finanzamt pauschal als „Liebhaberobjekt“ deklarieren. Dann müsse man lediglich die Einnahmen aus der Einspeisevergütung als Zusatzeinkommen bei der Steuererklärung angeben. Ob trotzdem die Anmeldung als Gewerbe sinnvoll ist, müsste je nach Einkommenssituation geprüft werden.

Egal wie man sich entscheidet, mit dem Betrieb einer PV-Anlage kann ein wertvoller Beitrag zum Klimaschutz geleistet werden, „zudem hat es für die meisten Betreiber auch einen sportlichen Charakter, möglichst viel selbst erzeugten Strom vom Dach zu nutzen“. Was angesichts der stetig steigenden Strompreise nicht nur gut für die Umwelt, sondern auch für die eigene Geldbörse ist.

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