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Pandemie-Nachwirkungen bei Weilheims Jugendlichen - „Das wird man noch eine Weile länger merken“

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Von: Magnus Reitinger

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Einer der Orte, an denen Streetworkerin Elisa Finsterer oftmals mit Jugendlichen ins Gespräch kommt: die Grünanlage am Oberen Graben. Mit 677 jungen Menschen hatte sie 2022 zu tun, zu fast 60 Prozent übrigens mit Mädchen.
Einer der Orte, an denen Streetworkerin Elisa Finsterer oftmals mit Jugendlichen ins Gespräch kommt: die Grünanlage am Oberen Graben. Mit 677 jungen Menschen hatte sie 2022 zu tun, zu fast 60 Prozent übrigens mit Mädchen. © Ruder

Wie geht es eigentlich den Jugendlichen in Weilheim, die kaum in Vereine und Organisationen eingebunden sind, sondern sich auf der Straße treffen? Spannende Antworten auf diese Frage gab Streetworkerin Elisa Finsterer jetzt im Rathaus.

Weilheim – 21 Stunden pro Woche hat die Sozialpädagogin Elisa Finsterer zur Verfügung, um in Weilheim für Jugendliche da zu sein. Und zwar für jene, die „nicht von institutionellen Angeboten erreicht werden“, wie sie erklärt, die also kaum in Vereine oder Organisationen eingebunden, sondern eher „im öffentlichen Raum unterwegs sind“. 16 dieser Wochenstunden finanziert das Jugendamt, fünf die Stadt Weilheim. Und über Arbeitsmangel kann sich Finsterer in dieser Zeit wahrlich nicht beklagen, wie nun ihr erster Bericht im Hauptausschuss des Stadtrates zeigte. Mit 677 jungen Menschen zwischen zwölf und 27 Jahren hatte die Streetworkerin vergangenes Jahr in Weilheim zu tun.

Sie trifft die Jugendlichen auf Parkbänken oder vor Supermärkten

Die Sozialpädagogin, die bei „Brücke Oberland“ angestellt und mit einigen Stunden auch in Peißenberg als Streetworkerin tätig ist, trifft diese jungen Leute in der Regel nicht etwa in einem Büro oder einem Jugendhaus, sondern auf Parkbänken, vor Supermärkten, auf den Sitzsteinen an der Ammer, sprich an deren informellen Treffpunkten. „Lebensweltorientiert“ nennt sich dieser Ansatz.

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Nicht nur örtlich, sondern auch zeitlich ist Finsterer entsprechend flexibel. Sie ist oft abends oder am Wochenende im Einsatz, im Sommer und an warmen Herbsttagen mehr als im Winter – eben dann, „wenn die Jugendlichen draußen sind und Zeit haben“. Das Angebot der Streetworkerin ist niederschwellig, vertraulich und akzeptierend. Letzteres, so erklärte die 29-Jährige im Rathaus, sei manchmal ein Balanceakt, etwa wenn es um selbstverletzendes Verhalten oder Drogenkonsum geht. Doch der akzeptierende Ansatz sei wichtig, zumal die Jugendlichen in dieser Hinsicht viele negative Erfahrungen gemacht hätten.

Es geht um Konflikte, Krisen, Sucht und mehr

In den Gesprächen gehe es oft um Komplikationen im Freundeskreis, in der Familie oder in der Partnerschaft. Auch individuelle Krisen, psychische und psychosomatische Erkrankungen („die haben durch Corona leider noch mal zugenommen“) sind laut Finsterer wichtige Themen. Und natürlich Suchtverhalten: neben den stofflichen Süchten – Nikotin, Alkohol, Medikamente, illegale Drogen – auch Medien-, Handy- oder Kaufsucht. Gesprächsbedarf haben manche Jugendliche darüber hinaus in Sachen Armut und Schulden, Arbeits- und Wohnungssuche, Schulschwierigkeiten oder Straffälligkeit.

Sprachrohr für Jugendinteressen in der Öffentlichkeit

Entsprechend vielfältig sind die Aufgaben von Elisa Finsterer, die seit zweieinhalb Jahren als Streetworkerin in Weilheim arbeitet. Sie wolle zu positiven Lebensbedingungen und durch Beziehungsarbeit zur Stabilität der Jugendlichen beitragen, Benachteiligungen abbauen, bei Konflikten vermitteln und die Jugendlichen für deren eigene Themen und auch Grenzen sensibilisieren. Zudem sei sie „Sprachrohr für Jugendinteressen in der Öffentlichkeit“. Die Institutionen, mit denen sie kooperiert, reicht von der Arbeitsagentur über verschiedene Beratungsstellen bis zur „Weilheimer Tafel“.

Stadträte beeindruckt vom Bericht der Streetworkerin

Die Stadträte im Hauptausschuss zeigten sich beeindruckt von Finsterers Bericht. Bürgermeister Markus Loth (BfW) dankte für ihren „wertvollen Dienst für die Jugendlichen in unserer Stadt“ und fügte an: „Ich ziehe meinen Hut vor Ihnen. Man merkt, dass Sie mit dem Herzen bei Ihrer Arbeit sind.“ Ob sie Veränderungsbedarf sehe, wollte Alfred Honisch (Grüne), der Jugendreferent des Stadtrates, von der Streetworkerin wissen. „Ich merke schon, dass meine Präsenz auf der Straße in Weilheim notwendig ist“, antwortete Finsterer, vor allem im Sommer stellten ihre 21 Wochenstunden eine „große Begrenzung“ dar: „Wenn es Ihnen möglich ist“, so appellierte sie an die Ausschussmitglieder, „dann kürzen Sie nicht meine Zeit – und haben Sie unsere Jugendlichen im Blick!“

Wohngemeinschaften wären wichtig

Ob auch erhöhter Bedarf bezüglich Wohnmöglichkeiten für Jugendliche bestehe, etwa in Form „behüteter Wohngemeinschaften“, wollte Petra Arneth-Mangano (SPD) von der Sozialpädagogin wissen. „Das wäre total wichtig“, sagte Finsterer, es gebe viele Jugendliche, die erhebliche Konflikte zuhause haben: „Ich könnte eine solche WG auf der Stelle voll machen mit meinen Leuten.“

Auch auf die „Corona-Zeit“ – in der sie ihre Arbeit als Streetworkerin in Weilheim aufnahm – blickte Finsterer kurz zurück. Diese sei bei den Jugendlichen, um die es gehe, „teils sehr chaotisch“ verlaufen, vielen hätten schlichtweg Strukturen gefehlt. „Und ich glaube, das wird man noch eine Weile länger merken.“

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