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Umfahrung Weilheim: Absage für Zentrumstunnel

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Von: Magnus Reitinger

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Mit knapp 600 Besuchern war die Weilheimer Stadthalle bei der Sondersitzung des Stadtrates wieder gut besetzt. © Ruder

Ein Zentrumstunnel scheidet als Möglichkeit einer „Entlastungsstraße“ für Weilheim aus: Das ist das Ergebnis einer Nutzen-Kosten-Analyse, die das Staatliche Bauamt am Dienstag im Stadtrat vorgestellt hat, und der Abstimmung mit dem Bundesverkehrsministerium.

Weilheim – Vor der Stadthalle haben am Dienstagabend rund 250 Weilheimer für „eine realisierbare Tunnellösung unter der Stadt“ und gegen jegliche oberirdische Umfahrung demonstriert. Bei der Stadtratssitzung in der Halle waren es dann insgesamt an die 600 Besucher, die gespannt auf die angekündigten Neuigkeiten warteten.

Doch erst einmal bremste eine „dringliche Anfrage“, von FDP-Rätin Saika Gebauer-Merx am Nachmittag ins Rathaus gemailt, die Vorstellung der Nutzen-Kosten-Analyse aus, die das Aachener Ingenieurbüro IVV im Auftrag des Staatlichen Bauamts erstellt hat. Gebauer-Merx monierte, dass die nun vorliegende Wirtschaftlichkeitsbetrachtung nur eines von vier geforderten Analyse-Modulen sei, eine Diskussion darüber deshalb „irreführend“ und verfrüht wäre. Doch Uwe Fritsch, Chef des Staatlichen Bauamts Weilheim, erklärte, die anderen für den Bundesverkehrswegeplan geforderten Module – Umweltbewertung, raumordnerische sowie städtebauliche Beurteilung – seien für das Weilheimer Projekt bereits durch genauere Untersuchungen erfüllt.

Tunnel gilt als „unwirtschaftlich“

Man habe kurzfristig entschieden, zusätzlich noch das Nutzen-Kosten-Verhältnis (NKV) für alle fünf verbliebenen Trassenvarianten untersuchen zu lassen. „Das ist nicht Standard“, so Fritsch, doch es sei nötig, um bei der geplanten Bürgerbefragung – bei der eine „klare Mehrheit“ wünschenswert sei – „keine Luftschlösser“ abgefragt würden. Und ein solches Luftschloss wäre laut Wirtschaftlichkeitsbetrachtung der untersuchte Zentrumstunnel, dessen Baukosten auf 317 Millionen Euro geschätzt werden. Mit einem NKV von 0,92 gelte diese Lösung als unwirtschaftlich, sie entspreche nicht den Haushaltsvorgaben und sei deshalb „unrealistisch“, so Fritsch: Es habe keinen Sinn, diese Diskussion offen zu halten und die Tunnelvariante bei einer Bürgerbefragung vorzulegen. „Wir sollten uns mit realisierbaren Varianten beschäftigen.“

Analyse ist reine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung

Die Nutzen-Kosten-Analyse – zu der es am 4. November noch einen eigenen Themenabend mit geladenen Gästen aus Politik, Verbänden und Bürgerinitiativen geben soll – ist eine reine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung. „Das hat mit Umwelt- oder sonstigen Gesichtspunkten nichts zu tun“, erläuterte Andreas Lenker, der beim Staatlichen Bauamt die Abteilung „Straßenbau Landkreis Weilheim-Schongau“ leitet. Für diese gebe es eine eigene Umweltverträglichkeitsstudie, während für das NKV nur erfasst werde, was „monetarisierbar“ ist: zum Beispiel, inwieweit eine Umfahrung die Betriebskosten, die Fahrtdauer, die Lärm- und Abgasbelastung oder die Verkehrssicherheit verändert oder auch zusätzliche Mobilität bringt.

Nach dieser Berechnung gilt ein Zentrumstunnel für Weilheim als „nicht bauwürdig“: Sein Nutzen-Kosten-Verhältnis wird mit 0,92 beziffert – was laut Fritsch bedeutet, dass das Gemeinwesen von einem investierten Euro einen Nutzen von 92 Cent hätte. Projekte mit einem NKV unter 1,0 hätten grundsätzlich keine Chance, zumal dieser Wert im Laufe der Bauzeit durch Kostensteigerungen meist noch sinke.

Die Nutzen-Kosten-Verhältnisse aller untersuchten Trassenvarianten im Überblick:

West lang: NKV 1,77 (geschätzte Investitionskosten: 83,5 Millionen Euro).

West kurz: NKV 1,24 (Kosten: 130,2 Millionen Euro).

Zentrumstunnel: NKV 0,92 (Kosten: 317 Millionen Euro).

Ost ortsnah – ohne Tunnel: NKV 6,15 (Kosten: 37,7 Millionen Euro);
– mit Tunnel: NKV 3,14 (Kosten: 76,9 Millionen Euro).

Ost ortsfern – mit kurzem Gögerltunnel: NKV 3,79 (Kosten 54,7 Millionen Euro);
– mit Tunnel & Einhausung: NKV 3,03 (Kosten: 70,3 Millionen Euro);
– mit langem Tunnel: NKV 2,31 (Kosten: 95,9 Mio. Euro).

„Da gehen die Kinder für Klimaschutz auf die Straße, und wir fangen als erstes mit dem Geld an“, kritisierte Susann Enders, Stadträtin und Landtagsabgeordnete der Freien Wähler, die vorgelegte Wirtschaftlichkeitsbetrachtung: „Für uns stimmt da die Reihenfolge nicht mehr.“ Man betrachte nicht nur die Kosten, entgegnete Bauamts-Leiter Fritsch, „in die Gesamtabwägung gehen auch andere Faktoren ein“. Doch es gebe eine Grenze, deshalb habe der Zentrumstunnel keine Chance.

Bund fragt nicht „was wollt ihr?“

Ein wesentlicher Belang fehlt laut Fritsch noch in der Sammlung der Untersuchungen: „die Anforderungen der Stadt Weilheim an diese Entlastungsstraße“. Es brauche nun „handfeste Argumente“, warum der Bund als Bauherr dafür mehr Geld ausgeben solle, als es für die günstigste Lösung braucht. Dabei frage der Bund nicht „was wollt ihr?“, sondern nur „was wollt ihr überhaupt nicht?“.

Praktisch ausgeschlossen wurde im Stadtrat an diesem Abend eine ortsnahe Osttrasse. Die BfW setzen auf eine ortsferne Ost-Umfahrung mit Tunnel durchs Gögerl, die CSU will eine West-Variante mit Anschluss der Gewerbegebiete, andere sprachen sich gegen jede oberirdische Lösung aus. Wann es zur Bürgerbefragung kommt, ist laut Bürgermeister Markus Loth (BfW) noch offen. Dabei werde in jedem Fall auch gefragt, ob die Weilheimer überhaupt eine „Entlastungsstraße“ wollen. Und nach Meinung zahlreicher Stadträte müsse trotz allem ein Zentrumstunnel abgefragt werden. 

mr

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