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Zwei Jahre Corona-Pandemie: Wie hat sie die Menschen verändert? Sechs Einblicke

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Von: Elena Siegl, Franziska Seliger

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(Symbolbild) Lockerung der Corona-Maßnahmen
Seit zwei Jahren bestimmt die Corona-Pandemie das Leben hierzulande. © dpa/Bernd Thissen

Vor zwei Jahren wurde wegen der Corona-Pandemie der erste Lockdown verhängt. Seitdem kamen und gingen die Corona-Wellen. Wir wollten wissen, wie die Pandemie die Menschen verändert hat. Sechs Einblicke.

„Es hat gezeigt, wie wichtig die Familie ist“

Schongau - „Natürlich war es für uns keine einfache Zeit – aber das war es wohl für niemanden“, sagt Dejan Bondokic aus Schongau, der mit seiner Frau Olivera das Kaffeehaus „Zum Huterer“ sowie den „Lechwirt“ betreibt. „Wir haben immer versucht, das beste daraus zu machen, sowohl beruflich als auch in der Familie. Wir können ja an der Situation nichts ändern. Ob die Auflagen immer richtig waren, darüber kann man sich im Nachhinein natürlich Gedanken machen. Die ,Salami-Technik‘ der Politik mit immer neuen Regeln war auf jeden Fall zermürbend. Man muss viel aushalten. Die Sorgen, wie lange es dauert, wie es weitergeht, die Ungewissheit, beschäftigen einen immer und überall.“ Aber: „Mit der Gastronomie haben wir unser Hobby zum Beruf gemacht. Weil wir es so gerne machen, werden

In ihrem Café „Zum Huterer“: Olivera und Dejan Bondokic aus Schongau.
In ihrem Café „Zum Huterer“: Olivera und Dejan Bondokic aus Schongau. © Hans-Helmut Herold

wir davon auch inspiriert und motiviert. Wenn man etwas gerne macht, fällt es ein bisschen leichter, schwierige Situationen durchzustehen.“ Ob er auch etwas Positives für sich ziehen konnte? Da muss Bondokic schlucken. „Klar ist es immer so: Eine Tür geht zu, eine andere auf. Wir hatten viel Zeit zum nachdenken. Auch über Prioritäten im Leben. Die Situation hat mir gezeigt, wie wichtig die Familie ist und auch Freunde. Im Alltag macht man sich darüber nicht so viele Gedanken. In guten Zeiten nimmt man es manchmal als selbstverständlich.“ Auch der hohe Stellenwert von Solidarität und Zusammenhalt – sei es im Privaten oder in der Gesellschaft – sei ihnen vor Augen geführt worden.

„Mein Grundvertrauen ist angegriffen“

Weilheim – Mit gemischten Gefühlen blickt das Weilheimer Ehepaar Annette Schulze (56, Diplompsychologin) und Michael Schröder-Schulze (54, Diplomingenieur) auf die zwei Jahre zurück. Schröder-Schulze kam Ende 2020 von einer zehnmonatigen Auszeit zurück. „Der Weg in den Arbeitsrhythmus war damals heftig.“ Da sei es, nach anstrengenden Wochen mit täglich elf Stunden Arbeits- und Pendelzeit, für ihn persönlich ein Glücksfall gewesen, ins Homeoffice wechseln zu dürfen, in dem er bis heute tätig sein darf. Davor hatte ihn allerdings noch das Coronavirus erwischt. Schröder-Schulze fand die neue Krankheit „beunruhigender als die Grippe“ und „fand es gut, dass die Politik hier auf die Wissenschaft gehört hat“.

Annette Schulze und ihr Mann Michael.
Annette Schulze und ihr Mann Michael. © Emanuel Gronau

Seit dem Tod eines etwa gleichaltrigen Kletterkameraden hat für ihn die Krankheit ein Gesicht bekommen. Umso schmerzlicher erlebte er, dass sowohl seine Schwestern als auch seine Eltern sich nicht impfen lassen wollten – „sie haben so getan, als ob es die Pandemie nicht gäbe“.

Annette Schulze, die ebenfalls erkrankte und nach einer „schlimmen Zeit mit starken Rückenschmerzen“ wochenlang nicht fit wurde, bekam in ihrer Arbeit in einer heilpädagogischen Tagesstätte plötzlich Probleme. „Mein Chef hat mich mit Literatur, die die Schutzmaßnahmen ablehnt, konfrontiert und es wurden bei uns fast keine Masken getragen.“ Erst im Juni 2021 hatte sie die Kraft, die Reißleine zu ziehen und zu kündigen. Sie sei „durch Corona traumatisiert“, sagt die sonst kraftvoll agierende Frau. Sie sehe ihre Mitmenschen kritischer, „mein Grundvertrauen ist angegriffen“.

In Teilen positiv kann sie diese Phase dennoch sehen. Sie hat viel Zeit im Freien verbracht und Kraft gesammelt für ihren Weg in die Selbstständigkeit. Nach zwei Impfungen und einer weiteren Corona-Erkrankung konnte sie vor einigen Monaten ihre Praxis für systemische- und Familientherapie eröffnen. gro

„Ich suche oft nach dem richtigen Wort“

Weilheim – „All das nicht zu tun, was ich gerne täte – das zieht runter“, sagt die Weilheimerin Petra Reiter. Am 23. März wird es zwei Jahre her sein, dass sie mit einem positiven PCR-Test konfrontiert wurde. Seither sei sie praktisch nie mehr gesundet. Die Diplompädagogin, die früher „von ihrem Mundwerk gelebt“ hat, tut sich heute oft schwer „auf der Suche nach dem richtigen Wort“.

Petra Reiter mit der Figur ihres „Seither-Ich“.
Petra Reiter mit der Figur ihres „Seither-Ich“. © Emanuel Gronau

Dabei verlief die Krankheit nur mittelschwer. Quälend sind aber seither Verlust und Pervertierung der Geschmackssinne, Sensibilitätsstörungen am ganzen Körper und eine andauernde Müdigkeit. Vor kurzem wurde der 51-Jährigen, die so gerne wieder richtig arbeiten würde, eine Erwerbsminderungsrente zugestanden. So hat sie wenigstens ausreichend Freiraum, um ihre wieder entdeckte Kreativität auszuleben, „in den vielen Nächten, in denen ich nicht schlafen konnte, hatte ich meine Hände in feuchtem Ton“.

Beeindruckend und verstörend zugleich ist ihr Kopf mit zwei voneinander abgewandten Gesichtern – die müde, traurige und verschlossene Seite nennt sie „mein Seither-Ich“. Gerne erinnert sie sich zurück an die ersten Wochen der Pandemie mit viel Solidarität, Nachbarschaftshilfe, bemalten Steinen und Balkonkonzerten. Aber: „Kaum war der Impfstoff da, ist man zurückgefallen ins Egoistische.“ gro

„Ich bin selbstständiger geworden“

Penzberg – In den zwei Jahren Corona-Pandemie „bin ich auf jeden Fall selbstständiger geworden“, findet Hanna Krinner. Vor allem beim Lernen. Die 15-Jährige aus Kochel besucht die 9. Klasse des Penzberger Gymnasiums.

Die Phasen des Homeschoolings habe sie als ziemlich anstrengend empfunden. „Die Tage und Wochen waren so lang.“ Sich am heimischen Computer jeden Tag aufs Neue für die Schule zu motivieren, sei nicht leicht gewesen. Auch die Kontakte zu ihren Mitschülern haben ihr gefehlt. Die Klassengemeinschaft habe durch Distanz- und Wechselunterricht aber nicht gelitten.

Hanna Krinner besucht das Gymnasium Penzberg.
Hanna Krinner besucht das Gymnasium Penzberg. © fn

Grundsätzlich seien sie und ihre Familie aber gut durch diese zwei Jahre gekommen. Dass die Skilifte im Winter 20/21 nicht geöffnet wurden, fand die leidenschaftliche Skifahrerin zwar blöd. Ihre Familie habe stattdessen aber oft Skitouren unternommen und sei auch viel Wandern gegangen. So hätten sie viel mehr zusammen unternommen als vor der Pandemie.

Am Anfang habe ihr das Virus schon etwas Angst gemacht. „Aber jetzt nicht mehr, weil man es besser einschätzen kann.“ Hannah würde sich wünschen, dass die Pandemie endlich ein Ende findet. „Sie dauert schon ewig lang. Und immer wird es im Sommer besser und im Winter wieder schlechter.“ Sie hofft, dass der traditionelle Städtetrip mit ihrer Mutter nach zwei Jahren endlich wieder stattfinden kann.

„Wir sind total gut durchgekommen“

Weilheim – „Wir sind total gut durchgekommen durch die Pandemie“, sagt der Weilheimer Florian Lechner. Der 48-jährige sieht sich und seine vierköpfige Familie im Rückblick auf zwei Jahre Corona als „extrem privilegiert“ an. So habe man nur den ein oder anderen Urlaub verschoben. Die mangels Kontaktmöglichkeit verordnete „Konzentration auf die Kernfamilie“ sei ganz schön gewesen. „Jobmäßig lief es bei uns in der Baubranche durch“, so der Architekt, und auch Sohn und Tochter hätten sich recht gut arrangiert mit all den Verboten und Auflagen. Anstatt Tanzkurs und Konfirmation gab’s halt „Kuh-Reiten“ und „Lagerplatz im Wald bauen“.

Florian Lechner aus Weilheim.
Florian Lechner aus Weilheim. © Emanuel Gronau

Für Lechner war das von ihm so empfundene gesellschaftliche Defizit in Sachen Infektions- und Impfschutz „eine große Enttäuschung“. So habe ein langjähriges Mitglied den gemeinsamen Verein wegen abweichender Haltung zum Thema Infektionsschutz verlassen. Lechner befürchtet, „dass diese Leute sich nach der Pandemie schwer tun werden, wieder Teil einer demokratischen Solidargemeinschaft zu werden“. Auch der Rückweg aus der sozialen Verarmung werde für die Gesellschaft sicher schwierig. gro

„Weniger soziale Kontakte“

Penzberg – Zwei Jahre Corona-Pandemie: „Bei mir hat das eigentlich in meinem Leben nicht viel verändert“, sagt Siegfried Hoefler. Sein Alltag als Witwer und Rentner sei zuvor bereits recht ruhig verlaufen. Nur seine sozialen Kontakte, „die sind schon wesentlich weniger geworden“.

Vor allem in den Lockdown-Phasen, als auch die Gastronomie geschlossen hatte, habe er unter der Situation aber schon gelitten, denn: „Als Österreicher bin ich ein alter Caféhaus-Gänger“, erzählt er. Dass er zeitweise nicht mehr gemütlich in einem Café Kaffee und Kuchen genießen und dabei einen Ratsch mit einem Bekannten führen konnte, „das ist mir persönlich abgegangen“. Auch seine beiden Enkelkinder habe er manchmal deutlich weniger gesehen als vor der Pandemie. „Das hat mich schon traurig gemacht.“

Siegfried Hoefler, Rentner aus Penzberg.
Siegfried Hoefler, Rentner aus Penzberg. © FN

Hobbys, denen er durch die verhängten Einschränkungen nicht mehr habe nachgehen können, habe er keine. „Mein Hobby ist der Seniorenbeirat“, sagt der erste Vorsitzender. Und dieses Gremium habe trotz Pandemie fast regelmäßig tagen können.

In der Anfangsphase habe ihm das Virus natürlich schon Angst gemacht, erinnert sich der 74-Jährige. „Aber ich habe mich dann relativ schnell impfen lassen.“ Dadurch fühle er sich nun gut geschützt. Auch die Maskenpflicht störe ihn nicht.

Was er nicht verstehen kann, sind Menschen, die sich einfach nicht impfen lassen möchten, obwohl bei ihnen gesundheitlich nichts dagegen sprechen würde. „Darüber bin ich schon ein bisschen verärgert.“ Denn durch eine Impfung würden sie sich und andere schützen.

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