Seit dem Tod eines etwa gleichaltrigen Kletterkameraden hat für ihn die Krankheit ein Gesicht bekommen. Umso schmerzlicher erlebte er, dass sowohl seine Schwestern als auch seine Eltern sich nicht impfen lassen wollten – „sie haben so getan, als ob es die Pandemie nicht gäbe“.
Annette Schulze, die ebenfalls erkrankte und nach einer „schlimmen Zeit mit starken Rückenschmerzen“ wochenlang nicht fit wurde, bekam in ihrer Arbeit in einer heilpädagogischen Tagesstätte plötzlich Probleme. „Mein Chef hat mich mit Literatur, die die Schutzmaßnahmen ablehnt, konfrontiert und es wurden bei uns fast keine Masken getragen.“ Erst im Juni 2021 hatte sie die Kraft, die Reißleine zu ziehen und zu kündigen. Sie sei „durch Corona traumatisiert“, sagt die sonst kraftvoll agierende Frau. Sie sehe ihre Mitmenschen kritischer, „mein Grundvertrauen ist angegriffen“.
In Teilen positiv kann sie diese Phase dennoch sehen. Sie hat viel Zeit im Freien verbracht und Kraft gesammelt für ihren Weg in die Selbstständigkeit. Nach zwei Impfungen und einer weiteren Corona-Erkrankung konnte sie vor einigen Monaten ihre Praxis für systemische- und Familientherapie eröffnen. gro
Weilheim – „All das nicht zu tun, was ich gerne täte – das zieht runter“, sagt die Weilheimerin Petra Reiter. Am 23. März wird es zwei Jahre her sein, dass sie mit einem positiven PCR-Test konfrontiert wurde. Seither sei sie praktisch nie mehr gesundet. Die Diplompädagogin, die früher „von ihrem Mundwerk gelebt“ hat, tut sich heute oft schwer „auf der Suche nach dem richtigen Wort“.
Dabei verlief die Krankheit nur mittelschwer. Quälend sind aber seither Verlust und Pervertierung der Geschmackssinne, Sensibilitätsstörungen am ganzen Körper und eine andauernde Müdigkeit. Vor kurzem wurde der 51-Jährigen, die so gerne wieder richtig arbeiten würde, eine Erwerbsminderungsrente zugestanden. So hat sie wenigstens ausreichend Freiraum, um ihre wieder entdeckte Kreativität auszuleben, „in den vielen Nächten, in denen ich nicht schlafen konnte, hatte ich meine Hände in feuchtem Ton“.
Beeindruckend und verstörend zugleich ist ihr Kopf mit zwei voneinander abgewandten Gesichtern – die müde, traurige und verschlossene Seite nennt sie „mein Seither-Ich“. Gerne erinnert sie sich zurück an die ersten Wochen der Pandemie mit viel Solidarität, Nachbarschaftshilfe, bemalten Steinen und Balkonkonzerten. Aber: „Kaum war der Impfstoff da, ist man zurückgefallen ins Egoistische.“ gro
Penzberg – In den zwei Jahren Corona-Pandemie „bin ich auf jeden Fall selbstständiger geworden“, findet Hanna Krinner. Vor allem beim Lernen. Die 15-Jährige aus Kochel besucht die 9. Klasse des Penzberger Gymnasiums.
Die Phasen des Homeschoolings habe sie als ziemlich anstrengend empfunden. „Die Tage und Wochen waren so lang.“ Sich am heimischen Computer jeden Tag aufs Neue für die Schule zu motivieren, sei nicht leicht gewesen. Auch die Kontakte zu ihren Mitschülern haben ihr gefehlt. Die Klassengemeinschaft habe durch Distanz- und Wechselunterricht aber nicht gelitten.
Grundsätzlich seien sie und ihre Familie aber gut durch diese zwei Jahre gekommen. Dass die Skilifte im Winter 20/21 nicht geöffnet wurden, fand die leidenschaftliche Skifahrerin zwar blöd. Ihre Familie habe stattdessen aber oft Skitouren unternommen und sei auch viel Wandern gegangen. So hätten sie viel mehr zusammen unternommen als vor der Pandemie.
Am Anfang habe ihr das Virus schon etwas Angst gemacht. „Aber jetzt nicht mehr, weil man es besser einschätzen kann.“ Hannah würde sich wünschen, dass die Pandemie endlich ein Ende findet. „Sie dauert schon ewig lang. Und immer wird es im Sommer besser und im Winter wieder schlechter.“ Sie hofft, dass der traditionelle Städtetrip mit ihrer Mutter nach zwei Jahren endlich wieder stattfinden kann.
Weilheim – „Wir sind total gut durchgekommen durch die Pandemie“, sagt der Weilheimer Florian Lechner. Der 48-jährige sieht sich und seine vierköpfige Familie im Rückblick auf zwei Jahre Corona als „extrem privilegiert“ an. So habe man nur den ein oder anderen Urlaub verschoben. Die mangels Kontaktmöglichkeit verordnete „Konzentration auf die Kernfamilie“ sei ganz schön gewesen. „Jobmäßig lief es bei uns in der Baubranche durch“, so der Architekt, und auch Sohn und Tochter hätten sich recht gut arrangiert mit all den Verboten und Auflagen. Anstatt Tanzkurs und Konfirmation gab’s halt „Kuh-Reiten“ und „Lagerplatz im Wald bauen“.
Für Lechner war das von ihm so empfundene gesellschaftliche Defizit in Sachen Infektions- und Impfschutz „eine große Enttäuschung“. So habe ein langjähriges Mitglied den gemeinsamen Verein wegen abweichender Haltung zum Thema Infektionsschutz verlassen. Lechner befürchtet, „dass diese Leute sich nach der Pandemie schwer tun werden, wieder Teil einer demokratischen Solidargemeinschaft zu werden“. Auch der Rückweg aus der sozialen Verarmung werde für die Gesellschaft sicher schwierig. gro
Penzberg – Zwei Jahre Corona-Pandemie: „Bei mir hat das eigentlich in meinem Leben nicht viel verändert“, sagt Siegfried Hoefler. Sein Alltag als Witwer und Rentner sei zuvor bereits recht ruhig verlaufen. Nur seine sozialen Kontakte, „die sind schon wesentlich weniger geworden“.
Vor allem in den Lockdown-Phasen, als auch die Gastronomie geschlossen hatte, habe er unter der Situation aber schon gelitten, denn: „Als Österreicher bin ich ein alter Caféhaus-Gänger“, erzählt er. Dass er zeitweise nicht mehr gemütlich in einem Café Kaffee und Kuchen genießen und dabei einen Ratsch mit einem Bekannten führen konnte, „das ist mir persönlich abgegangen“. Auch seine beiden Enkelkinder habe er manchmal deutlich weniger gesehen als vor der Pandemie. „Das hat mich schon traurig gemacht.“
Hobbys, denen er durch die verhängten Einschränkungen nicht mehr habe nachgehen können, habe er keine. „Mein Hobby ist der Seniorenbeirat“, sagt der erste Vorsitzender. Und dieses Gremium habe trotz Pandemie fast regelmäßig tagen können.
In der Anfangsphase habe ihm das Virus natürlich schon Angst gemacht, erinnert sich der 74-Jährige. „Aber ich habe mich dann relativ schnell impfen lassen.“ Dadurch fühle er sich nun gut geschützt. Auch die Maskenpflicht störe ihn nicht.
Was er nicht verstehen kann, sind Menschen, die sich einfach nicht impfen lassen möchten, obwohl bei ihnen gesundheitlich nichts dagegen sprechen würde. „Darüber bin ich schon ein bisschen verärgert.“ Denn durch eine Impfung würden sie sich und andere schützen.