Bundestagsabgeordneter wird niedergeschrien: CSU-Infoabend zum Thema Impfpflicht eskaliert

Eigentlich hätte es eine CSU-Wahlkampfveranstaltung werden sollen. Doch dann traf ein Arzt und Bundestagsabgeordneter auf ein Publikum, das er nicht erwartet hatte. Der Abend eskalierte völlig.
- Impfen gegen Masern oder vielleicht demnächst das Coronavirus:
- Es gibt Menschen, für die kommt das nicht infrage.
- Sie protestierten in Egling lautstark.
Egling – Kaum ein Thema wird derart emotional diskutiert wie die Masern-Impfpflicht. Diese Erfahrung machte die Eglinger CSU, die im Jägerwirt in Aufhofen eine Informationsveranstaltung zu diesem Thema abhielt.
Referent Stephan Pilsinger konnte nur selten mehrere Sätze am Stück reden, ohne dass er von Zwischenrufern unterbrochen wurde. Der Ortsvorsitzende Florian Sperl formulierte es nach zwei hitzigen Gesprächsstunden diplomatisch:
„Wir haben bisher viele Wahlkampfveranstaltungen abgehalten. Aber das war mit Abstand die herausforderndste.“
Ruhig war es im Saal nur einmal – als Stephan Pilsinger seinen Lebenslauf vorstellte: 2015 schloss er sein Medizin-Studium ab. Dann arbeitete er in einem kommunalen Krankenhaus. 2017 zog er in den Bundestag ein. Im Jahr darauf nahm er eine Nebentätigkeit als Hausarzt auf und arbeitete im Gesundheitsausschuss an dem Gesetz zur Masern-Impfpflicht mit.
Egling - Infoabend über Impfpflicht eskaliert: Höhnisches Gelächter im Saal
Im Wesentlichen sagte Pilsinger das, was die vorherrschende Lehrmeinung ist. Der wichtigste Zweck des Gesetzes sei, Menschen zu schützen, die sich nicht selbst schützen können. Damit sind vor allem diejenigen gemeint, bei denen die Impfung nicht anschlägt, ebenso Neugeborene und Menschen, die eine Knochenmark-Transplantation hinter sich haben.
„Das geht nur, wenn wir eine Impfquote von 95 Prozent hinbekommen. Damit können wir die Masern in Deutschland ausrotten.“
Aktuell liege die Impfquote bei 92 Prozent. Generell seien die Masern eine „sehr gefährliche Krankheit“. Einer bis drei von 1000 Erkrankten sterben laut Pilsinger daran. Nach diesem Satz gab es das erste Mal höhnisches Gelächter. „Schlecht vorbereitet“, schallte es durch den Raum. In diesem Stil ging es weiter.
Fünf Prozent der Geimpften müssten mit einer Rötung am Arm rechnen, zwei Prozent mit einer sogenannten „systemischen Reaktion“, wie eine Erkältung, erklärte Pilsinger weiter. Größere Impfschäden seien wissenschaftlich nicht belegt. Er selbst habe in seiner Tätigkeit als Hausarzt noch nie erlebt, dass ein Patient durch eine Masern-Impfung geschädigt wurde, „und meine ehemalige Chefin auch nicht. Die war 50 Jahre lang Hausärztin.“
Egling - Infoabend über Impfpflicht eskaliert: Schimpfen auf die Pharmaindustrie
Immer wieder gab es Zwischenrufe. Gerade mal drei Minuten des Vortrags waren vorbei, als Heiko Arndt angesichts des permanenten Tumults der Kragen platze: „Ich finde es unverschämt, ständig dazwischen zu quatschen.“ Pilsinger ergänzte, es gehe um Sachthemen und nicht um eine Glaubensfrage. Auch ein kurzer thematischer Schwenk zum Coronavirus blieb nicht unkommentiert. Im Wesentlichen gehe es darum, die Verbreitung des Virus’ zu verzögern, da es sonst Probleme im Gesundheitssystem geben könnte. Pilsinger: „Wir hoffen alle, dass es bald eine Impfung gegen Corona geben wird.“ Die Reaktion des Publikums: Gelächter und der Zwischenruf: „Das hofft die Pharmaindustrie.“
Im weiteren Verlauf nahm die Diskussion immer mehr an Schärfe zu. Eine Mutter sagte, sie sei verantwortlich für vier kleine Kinder und in Sachen Impfung noch zu keinem eindeutigen Ergebnis gekommen.
„Das Einzige, was ich sicher weiß: Es darf in Deutschland keine Gesetze geben, dass Kindern Medikamente verabreicht werden, die sie unter Umständen krank machen können. Eltern wissen am besten, was gut für ihr Kind ist und was nicht.“
Infoabend über Impfpflicht in Egling eskaliert: Zuhörerin erklärt Impfungen für „Aberglaube“
Pilsinger entgegnete, dass Eltern sehr wohl abwägen dürfen, ob sie ihr Kind impfen lassen – oder nicht. „Ohne Impfung dürfen sie ihr Kind nur nicht in eine öffentliche Kita oder Schule schicken.“
Der Bundestag habe mit einer „enormen Mehrheit“ für die Impfpflicht gestimmt, sagte Pilsinger. „Solch eine Mehrheitsentscheidung muss man auch mal akzeptieren. Wir leben in einem Rechtsstaat, jeder kann dagegen klagen.“ Bislang gebe es allerdings noch ein Urteil, das die Verfassungsmäßigkeit infrage stelle. Wieder gab es Zwischenrufe: „Wir haben hier eine Diktatur“ und „Hauptsache, Sie sind gewählt“. Eine andere Zuhörerin fügte hinzu: „Viele Eltern lassen ihre Kinder nur impfen, weil sie Angst vor dem Staat haben.“
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Nach eineinhalb Stunden entgleiste die hitzige Debatte endgültig. Mit einer sich überschlagenden Stimme sagte eine Zuhörerin: „Wie zufrieden sind sie als Politiker, dass sie die Gesellschaft spalten? Es gibt jetzt Geimpfte und Ungeimpfte. Ich muss mich jetzt anders bewegen, denn ich bin ja ungeimpft und eine Gefahr für die Öffentlichkeit.“ Der Politik gehe es ihrer Meinung nach darum, die Ungeimpften „auszurotten, damit niemand mehr beweisen kann, dass Impfungen Aberglaube sind“.
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Eine Zuhörerin beklagte außerdem, dass man bei dieser Veranstaltung nicht zu Wort komme: „Das hier ist das Abartigste und Uninformierteste, was ich je in meinem Leben erlebt habe.“ Pilsinger nahm die Angriffe mit stoischer Gelassenheit hin und stand noch eineinhalb Stunden nach Ende des öffentlichen Teils Rede und Antwort. Zudem bot er an, alle noch offenen Fragen per E-Mail zu beantworten.
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