Erstes queeres Paar heiratet auf Heuhaufen: Verein bricht mit alter Faschingstradition

Nach 10 Jahren findet heuer in Deining wieder eine Bettelhochzeit statt. Premiere dabei: Zum ersten Mal steht ein gleichgeschlechtliches Paar auf dem Heuhaufen.
Deining – Faschingsfans streichen sich den 18. Februar vermutlich rot im Kalender an: An diesem Tag findet in Deining – zum ersten Mal seit zehn Jahren – wieder eine Bettelhochzeit statt. In Bayern hat dieser Faschingsbrauch große Tradition. Doch der Burschenverein Deining, Organisator der Veranstaltung, ist auch offen für Neues. Deshalb geben sich heuer zum ersten Mal in Deining zwei Bräutigame auf dem Misthaufen das Ja-Wort (siehe auch Kasten). Dazu später mehr.
Bettelhochzeit in Deining: Zum ersten Mal geben sich zwei Bräutigame das Ja-Wort
Zunächst einmal erklärt Alexander Borowski (23), Vorstandsmitglied des Vereins, was hinter dem alten Ritual steckt: „Früher konnten sich die Bediensteten keine Faschingsbälle leisten, deshalb organisierten sie sich ihre eigenen Feste.“ In die Tat umgesetzt sieht das folgendermaßen aus: Auf einem Misthaufen mitten im Ort schließt ein Brautpaar den Bund fürs Leben. Damit das Ganze möglichst närrisch aussieht, wird das Duo gewöhnlich von einem großen Mann – verkleidet als Braut – und einer kleinen Frau – in der Rolle als Bräutigam – verkörpert.
Erstes gleichgeschlechtliches Paar bei der Deininger Bettelhochzeit
Zum ersten Mal tritt bei einer Bettelhochzeit in Deining ein gleichgeschlechtliches Paar vor den Traualtar. Organisator ist der Burschenverein. Im Gespräch mit unserer Zeitung erklärt Vorstandsmitglied Alexander Borowski, was hinter dem Traditionsbruch steckt:
Herr Borowski, wer kam auf die Idee, heuer ein gleichgeschlechtliches Paar auf den Misthaufen zu stellen?
Wer genau das aus dem Vorstand war, weiß ich nicht mehr. Ganz am Anfang haben wir Ideen zur Bettelhochzeit gesammelt, da kam auch dieser Gedanke auf. Und wir fanden die Idee eigentlich alle ziemlich cool.
Warum?
Na, wir wollen mit der Zeit gehen und ein Zeichen setzen. Schließlich leben wir in keiner Zeit mehr, in der eine gleichgeschlechtliche Ehe eine Schande in der Gesellschaft ist. Aber die Kirche sträubt sich ja bis heute ein bisschen dagegen, das wird in unserem Stück auch thematisiert. Ich kann schon mal verraten: Unser Priester ist von dem Brautpaar nicht gerade begeistert.
Wer genau heiratet denn jetzt? Zwei Männer oder zwei Frauen?
Zwei als Männer verkleidete Frauen.
Sind die beiden auch im echten Leben ein Paar?
Nee, die sind nur Freundinnen (lacht).
Schlussfrage: Hatten Sie keine Bedenken, dass der Burschenverein mit dieser Änderung anecken könnte?
Natürlich haben wir daran mal gedacht. Gerade, als das Stück geschrieben wurde. Aber ich hoffe einfach, dass die Leute das akzeptieren und auch ein Stück weit mit Humor nehmen – es ist ja schließlich Fasching.
Auf die Eheschließung drängen jedoch nicht der strenge Schwiegervater oder gar ein „Braten in der Röhre“: „Das ist nur als Gaudi für die Faschingszeit gedacht, quasi eine Scheinehe“, berichtet der Deininger. Passend zur Fünften Jahreszeit wird die Zeremonie „ins Lächerliche gezogen“. Trotz aller Narrheiten und Tollitäten hat es die Organisation eines solchen Events in sich. Bereits seit November macht sich der Verein Gedanken darüber, was es für die Feier alles zu erledigen gibt und welche Punkte besonders zu beachten sind.
Wir wollen ein Zeichen setzen. Schließlich leben wir in keiner Zeit mehr, in der eine gleichgeschlechtliche Ehe eine Schande in der Gesellschaft ist.
Glück für die jungen Deiniger: Der Schriftführer der letzten Bettelhochzeit hat alles sorgfältig dokumentiert. „Das war echt hilfreich“, räumt Borowski ein. „Wir wussten ja nicht, wie das Ganze abläuft.“ Der etwa zehnköpfige Vorstand bildet das Orga-Team. Ob Kartenverkauf, Flyer, Verpflegung oder Aufbau der Faschingswagen: Im Team sind die Aufgaben klar verteilt. Die größte Herausforderung dabei? „Na, dass man nix vergisst“, verrät der 23-Jährige mit einem Augenzwinkern.
Bettelhochzeit 2023 in Deining: Burschenverein will „mit der Zeit gehen“
Ob das gelungen ist, dürfte sich spätestens am Tag der Veranstaltung zeigen. Der zeitliche Ablauf ist genau gleich getaktet wie bei der letzten Bettelhochzeit: Um 11.45 Uhr startet die Aufstellung zum Kirchenzug am Schützenhaus Deining. Auf dem Misthaufen geben sich die Brautleute um 12.12 Uhr das Ja-Wort. Im Anschluss fährt der Faschingszug zurück zum Schützenhaus. Dort wird bis 24 Uhr Hochzeit gefeiert. Allerdings nur für Gäste mit Eintrittskarte.

Tradition hin oder her: Bei dem ein oder anderen Punkt haben sich die jungen Leute komplett neu orientiert. „Wir wollen schließlich mit der Zeit gehen“, kündigt Borowksi an. Deshalb thront heuer das erste gleichgeschlechtliche Paar auf dem Misthaufen. Verkörpert wird es von zwei Vereinsmitgliedern, genauso wie alle anderen Rollen im Stück.
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„Wir sind 40 bis 50 Leute im Verein, die haben wir alle durchgefragt“, berichtet der Deininger. Sogar einen Chor hat der Burschenverein auf die Beine gestellt. Aufnahmekriterium? Mitmachen darf nur, wer nicht singen kann. „Ich hoffe, das können wir dem Publikum zumuten“, sagt Borowski und muss grinsen. Laut dem 23-Jährigen beschäftigt sich das Stück mit der „Situation in unserer Gemeinde und unserer Ortschaft“.
Bettelhochzeit in Deining: Zuschauer sollen wissen, „dass wir nur Spaß machen“
Was den Burschen und Madeln hier besonders am Herzen liegt: Die Zuschauer sollen wissen, „dass wir nur Spaß machen“. Niemand soll sich „verletzt oder angegriffen fühlen“. Zweite Neuheit: Der Name der Brautleute bleibt bis zuletzt eine Überraschung, wird nicht auf Flyer und Karten gedruckt. Wichtige Info für alle, die nach der Zeremonie weiterfeiern möchten: Dafür braucht es eine Eintrittskarte.
Mitte Januar startete der Vorverkauf. „Am ersten Wochenende hat circa alle 20 Minuten das Telefon geklingelt“, erinnert sich Borowski zurück. Inzwischen sind alle Tickets verkauft. Je näher das Event rückt, umso stressiger wird es für den Deininger und seine Mitstreiter. Doch der 23-Jährige hat einen großen Ansporn: „Am meisten bin ich darauf gespannt, wie unser Stück bei den Zuschauern ankommt.“ Ist das Publikum zufrieden, „hat sich der ganze Aufwand gelohnt“. (kof)
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