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Geretsried ist zur Heimat geworden

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Zeitzeugengespräch: Gespannt hörten die Schüler der Klasse 9d Agnes Gatzka (re.) zu. Die 83-Jährige wanderte 1966 nach Deutschland ein. Foto: sabine hermsdorf
Zeitzeugengespräch: Gespannt hörten die Schüler der Klasse 9d Agnes Gatzka (re.) zu. Die 83-Jährige wanderte 1966 nach Deutschland ein. © Sabine Hermsdorf

Geretsried – Ungewohnt still war es am Donnerstag in den Räumen der neunten Jahrgangsstufe am Geretsrieder Gymnasium, so gespannt hörten die Schüler ihren Gästen zu. An ihrem Projekttag, der unter dem Titel „Flucht und Vertreibung“ stand, hatten die Schüler Zeitzeugen eingeladen, die über ihren Weg nach Geretsried berichteten.

Initiiert hatte die Zeitzeugengespräche Anita Bittner im Rahmen eines Projektseminars der elften Klasse. Ihre Schüler hatten als Vorbereitung des Projekttages bereits mit den Zeitzeugen gesprochen und deren Biographien im Museum der Stadt vorgestellt. Acht Frauen und Männer kamen gestern ans Gymnasium und beantworteten den Neuntklässlern viele Fragen. Die Jugendlichen hörten aufmerksam zu, als ihre Gäste die Flucht oder Reise, die Lebensbedingungen in der alten und der neuen Heimat und ihre Gefühle schilderten.

Agnes Gatzka besuchte die Klasse 9d. Sie wurde 1932 in Oppeln im heutigen Polen geboren. Sie berichtete über ihre freiwillige Einwanderung nach Deutschland 1966. „Die Eltern meines Mannes lebten schon in Deutschland. Deshalb durften wir auch einreisen“, erinnerte sie sich. Ihre Mutter ließ Gatzka in Schlesien zurück. „Sie habe ich oft vermisst“, sagte die Seniorin. „Wir konnten damals ja nur über Briefe Kontakt halten.“ Angekommen in Geretsried, begann sie bei der Firma Goldig zu arbeiten. „Wir wurden von vielen nicht sonderlich gut aufgenommen. Manche schimpften auf uns, nannten uns Rucksackdeutsche.“ Heute, so berichtete die 83-Jährige, fühle sie sich heimisch in Geretsried. Heimweh nach Schlesien verspürt sie nicht: „Das ist nicht mehr mein Zuhause.“ Gatzkas Tante floh einige Jahre zuvor aus Schlesien. „Für sie war es schlimm“, berichtete sich die Geretsriederin. „Bei den Bombenangriffen hat sie zwei Kinder verloren. Nur das jüngste konnte sie retten.“

Im Anschluss an die Gespräche informierten einige Seminarteilnehmer die Neuntklässler über die Flüchtlingssituation in Deutschland heute. Die Schüler stellten viele Parallelen, aber auch Unterschiede zu den Ausführungen der Zeitzeugen fest. Auch heute müssten sich viele der Asylbewerber gegen Ressentiments wehren, stellten die Jugendlichen fest. Dennoch überwog der Eindruck, dass die Integration der Flüchtlinge im Landkreis verhältnismäßig gut verläuft: „Man muss sich nur mal Freital anschauen“, gab einer zu Bedenken. In der knapp 40 000 Einwohner großen Stadt in Sachsen hatte es in den vergangenen Wochen immer wieder rassistische Proteste gegen Asylbewerber gegeben.  

Dominik Stallein

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