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Ihren 70. Gründungstag feiert die Freiwillige Feuerwehr Geretsried. Ihre eigentliche Geburtsstunde schlug schon vorher – nach einem Brand im Lager Buchberg. Mehr als 100 Menschen verloren am 3. Juli 1949 ihr Obdach.
Geretsried – Der 3. Juli 1949 ist ein heißer Sommertag. Der zehnjährige Werner Sebb sitzt mit seinem Freund Peter Fischer auf einer Anhöhe über dem Lager Buchberg. Sie überlegen, ob sie zum Baden gehen. Plötzlich sehen die beiden Rauch. Sie springen auf, laufen ins Lager und rufen „Feuer“. Zur gleichen Zeit hat Herta Kugler Klavierunterricht. Ihr Lehrer steht an der Tür und sagt auf einmal: „Da brennt’s.“ Die 19-Jährige schaut nach draußen, schreit „Da ist ja bei uns“ und läuft nach Hause. Dort sieht sie ihre Eltern und Geschwister in einer Menschenkette stehen. Mit Wassereimern versuchen sie, ein Übergreifen der Flammen zu verhindern.
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Schätzungsweise 600 Menschen leben zu dieser Zeit im Lager Buchberg. Es sind vor allem Heimatvertriebene aus Graslitz im Egerland. Eingepfercht in Viehwaggons sind sie am 7. April 1946 in Geretsried angekommen.
Der Weiler gehört damals noch zur Gemeinde Gelting und besteht aus ein paar Bauernhöfen und den Ruinen zweier Rüstungsbetriebe. Das ehemalige Fremdarbeiterlager auf der Böhmwiese wird das neue Zuhause der Vertriebenen. Die Baracken sind in einem erbärmlichen Zustand. Die Familien beginnen, sich notdürftig einzurichten.
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Das Feuer am 3. Juli 1949 bricht im östlichen Teil der Baracke 9 aus. Die Kriminalpolizei vermutet später, dass sich zwischen der Holzdecke und der Blechverkleidung eines Ofenrohrs Funken angesammelt hatten. Durch die Hitze der vergangenen Tage sind die Holzbalken völlig ausgetrocknet. Im Nu steht die ganze Baracke in Flammen. „Das hat gebrannt wie Zunder“, erinnert sich Werner Sebb. Als die Feuerwehren aus Königsdorf, Wolfratshausen und Gelting eintreffen, ist die Baracke 9 völlig zerstört, zwei weitere zu einem großen Teil. Erneut haben 100 Heimatvertriebene all ihr Hab und Gut verloren.
Doch der Großbrand hat auch sein Gutes: Schon vier Monate später, am 16. November wird im Gasthaus Böhm eine Lagerfeuerwehr gegründet. Die erste Ausrüstung sind eine Tragkraftspritze und einige Schläuche. Als Kommandant fungiert der Lehrer Josef Kriegelsteiner, sein Stellvertreter ist Ernst Schwägerl. 1950 wird Geretsried eigenständige Gemeinde. Deren Ratsmitglieder beschließen gleich in ihrer ersten Sitzung unter Bürgermeister Karl Lederer, die Lagerfeuerwehr mit ihren 40 aktiven Mitgliedern als Freiwillige Feuerwehr in das Gemeindewesen zu integrieren.
Im Jahr darauf gibt es einen Wechsel an der Führungsspitze. Diese wird die Geschicke der Feuerwehr die nächsten 20 Jahre maßgeblich bestimmen. Ernst Schwägerl löst Josef Kriegelsteiner als Kommandant ab, sein Vize wird Hans Herbrik. Weil das Gemeindegebiet schon damals sehr weitläufig ist, beschließt die neue Führung, im Ortsteil Stein eine eigene Löschgruppe aufzubauen.
Ein großes Problem in den 1950er Jahren ist das Geld. Jeder Aktive zahlt einen monatlichen Beitrag von 50 Pfennig – bei 40 Aktiven kommen aber nur 240 Mark im Jahr zusammen, schreibt Gründungsmitglied Hans Herbrik im Heimatbuch der Stadt. Doch man zeigt Zusammenhalt: Arbeitslose Kameraden helfen für einen Stundenlohn von einer Mark bei der Errichtung des Friedhofs mit. Herbrik: „Die Hälfte ihrer Einkünfte spendeten sie in die Vereinskasse – was wiederum möglich machte, ein amerikanisches Militärfahrzeug für 250 Mark zu kaufen, das nun den Steinern als Mannschaftswagen diente.“
1954 wird das erste Löschgruppenfahrzeug angeschafft (LF8). Der Verwaltungsrat beschließt, in Stein eine Feuerwehrgarage zu bauen – aus Ziegeln, die von einem abgerissenen Kesselhaus, das einst auf der Böhmwiese stand, stammen. Später siedelt die Wehr an die Sudetenstraße um. Vielen Geretsriedern ist noch die Sprengung des dortigen Schlauchturms in Erinnerung. Ende der 1980er Jahre stand ein weiterer Umzug an: Die Wehr zog für drei Jahre an den Seniweg. 1991 wurde die Feuer- und Rettungswache Süd an der Jeschkenstraße eingeweiht.
Im Geretsrieder Norden bildet sich 1955 eine Löschgruppe. Ein alter Lkw mit zwei Sitzbänken auf der Ladefläche dient als Einsatzwagen, Das Gerätehaus ist ab 1957 eine ehemalige Fahrzeughalle des Rüstungsbetriebs Dynamit AG (DAG), der eine eigene Feuerwehr hatte. Hier, am Schalmeienweg, bleibt die Feuerwehr Geretsried bis zum Neubau der Wache Nord an der Elbestraße 2007.
Die Geretsrieder Wehr entwickelt sich stetig weiter. Zwischen 1970 und 1977 erhält jeder Feuerwehrdienstleistende einen Funkmeldeempfänger. Weil die Kameraden immer häufiger technische Hilfe leisten müssen, werden weitere Fahrzeuge – ausgerüstet mit Spreizer und Rettungsschere – angeschafft. 1988, unter Kommandant Christian Sydoriak, erreicht die Wehr mit 221 Einsätzen eine Rekordmarke. „Fast jeder dritte Einsatz wurde von den Geretsriedern angefahren“, heißt es im Heimatbuch. Heute gilt Geretsried als Stützpunktfeuerwehr. Den rund 90 Aktiven stehen 15 Fahrzeuge zur Verfügung, pro Jahr werden durchschnittlich rund 240 Einsätze abgewickelt. Seit 2017 stehen Erik Machowski als Erster und Daniel Heynig als Zweiter Kommandant an der Spitze der Wehr.
Info
Ihren 70. Gründungstag feiert die Geretsrieder Feuerwehr am Samstag, 23. November, mit einem Festakt in den Ratsstuben.
(sas, sh)
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