Plötzlich stand die Jugendliebe vor der Tür: Geretsriederin spricht über ihre alte Heimat Rumänien

Renate Sturzu aus Geretsried ist zufrieden und glücklich in ihrer zweiten Heimat. Mit neun Jahren verließen sie und ihre Eltern Rumänien.
Geretsried – Ihre erste Zeit in Deutschland fand sie schrecklich. Damals war Renate Sturzu neun Jahre alt. Heute mit 37 ist sie ihren Eltern dankbar, dass sie den Schritt gewagt haben, Rumänien zu verlassen und sich im Oberland niederzulassen. „Geretsried ist wirklich mein Zuhause“, sagt sie im Gespräch mit unserer Zeitung.
Plötzlich stand die Jugendliebe vor der Tür: Geretsriederin spricht über ihre alte Heimat Rumänien
Gute Jobs, eine Eigentumswohnung und ein Auto: In Rumänien ging es der Familie gut. „Aber meine Eltern wollten nach Deutschland, damit wir Kinder eine bessere Zukunft haben“, sagt die Tochter. In ihrer Heimatstadt Reschitza im Westen Rumäniens besuchte sie eine deutsche Schule. Die Großmutter hatte deutsche Wurzeln, und das Auswandern nach Deutschland sei von jeher geplant gewesen, erklärt Sturzu. Als der Umzug bevorstand, ging sie in die dritte Klasse. „Ich wurde da herausgerissen“, erinnert sich die Rumänin. „Ich war neun Jahre alt, das war nicht leicht für mich.“
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Reiseziel Geretsried: Verwandte zogen die Familie um Sturzu ins Oberland
Die vierköpfige Familie ließ sich in Geretsried nieder, weil ein Onkel ihres Vaters bereits in München lebte. Ein Jahr war das damalige Übergangswohnheim in Stein ihr Zuhause. Zu viert teilten sie sich ein Zimmer. „Das erste Jahr war schrecklich für mich“, blickt Sturzu zurück. Die Schulzeit bis zur siebten Klasse hat sie in keiner guten Erinnerung. „Ich wurde gemobbt.“ Dann habe sie sich komplett geändert, sei selbstbewusster und sogar Klassensprecherin geworden.
In den Ferien ging es immer nach Rumänien zur Oma. Mit 14 Jahren lernte sie dort einen drei Jahre älteren jungen Mann kennen. „Es war eine Sommerliebe“, erzählt die gelernte Kinderpflegerin. Ein paar Jahre flammte diese Liebe den Sommer über auf. „Es war immer ein Hin und Her“, erinnert sich Sturzu. „Dann waren wir an einem Punkt, an dem wir gesagt haben: Entweder wir probieren oder wir lassen es.“ Im Dezember 2003 entschied sich ihre Jugendliebe dazu, nach Deutschland zu kommen. „Im folgenden Februar stand er vor der Tür, und im November haben wir geheiratet“, erzählt die Rumänin. Aus der Ehe sind die drei Kinder Fabian, Niklas und Alisa hervorgegangen. Und mittlerweile ist das Paar seit fast 20 Jahren verheiratet.
Urlaub in der alten Heimat Rumänien – „Klopfst du dort an die Tür, ist gleich der Tisch gedeckt“
In den Sommerferien geht’s regelmäßig für drei Wochen nach Rumänien. Dort spiele Gastfreundschaft eine große Rolle. „Klopfst du dort an die Tür, ist gleich der Tisch gedeckt“, erzählt Sturzu. „Und in der Regel bleibt’s nicht nur beim Kaffee. Da muss auch gegessen werden.“ Ihr Leibgericht sind Sarmale, rumänische Kohlrouladen, die es in ihrer Heimat zu festlichen Anlässen in jedem Haus gibt. Traditionell werden die Rouladen in einem Tontopf zubereitet. „Das geht auch im Backofen. Aber wenn sie aus dem Tontopf kommen, haben sie einen ganz anderen Geschmack.“ Als Beilage gibt’s scharfe Paprika und Schmand dazu. Sarmale kommen natürlich nicht nur in Rumänien, sondern auch zu Hause in Geretsried auf den Tisch.
In ihrer zweiten Heimat ist Sturzu nach eigenen Worten zufrieden und glücklich. Nach Stationen im Lebensmittelhandel arbeitet sie wieder in dem Beruf, den sie gelernt hat. Als Kinderpflegerin ist sie in einer Kindertagesstätte im Ortsteil Stein tätig. „Das war die beste Entscheidung“, sagt die 37-Jährige voller Begeisterung. „Ich liebe meinen Beruf.“
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Bosnien: Anto Maric liebt seinen Job als Lkw-Fahrer und will ihn bis zur Rente ausüben. In unserer Nationen-Serie stellt er sich und sein Heimatland Bosnien vor.
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Slowakei: Ihren Traumberuf konnte Maria Looß-Samkova in ihrem Heimatland nicht erlernen. In Deutschland bot sich der gebürtigen Slowakin die Möglichkeit, ihrem Berufswunsch möglichst nah zu kommen.
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