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„Einfach zu viel“: Dorfladen schließt nach nur einem halben Jahr wieder

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Froh gestimmt waren Antonello und Viktoria Pedatella mit ihren Mitarbeiterinnen Inna Gerdt-Kubeckis (li.) und Lisa Dietrich (re.) bei der Eröffnung. Es war einfach zu viel Aufwand für uns als  Familie bei zu wenig Umsatz. Viktoria Pedatella
Froh gestimmt waren Antonello und Viktoria Pedatella mit ihren Mitarbeiterinnen Inna Gerdt-Kubeckis (li.) und Lisa Dietrich (re.) bei der Eröffnung. Es war einfach zu viel Aufwand für uns als  Familie bei zu wenig Umsatz. Viktoria Pedatella © SH/Archiv

Das Ehepaar Pedatella schließt nach nur einem halben Jahr. Sie wollten in Geretsried-Stein wieder einen Nahversorger bieten. Die Rechnung ging nicht auf.

Geretsried – Schlechte Nachrichten für alle Steiner Bürgerinnen und Bürger: Nach nur einem halben Jahr schließt der Dorfladen in ihrem Viertel wieder. „Es war einfach zu viel Aufwand für uns als Familie bei zu wenig Umsatz“, bilanziert Viktoria Pedatella (36). Sie klingt resigniert. Ihr Mann Antonello (31) fügt enttäuscht hinzu, der Geretsrieder Stadtteil Stein brauche offenbar keinen Nahversorger. „Wir finden es schade, vor allem für die, die das Angebot genutzt haben“, sagt der Geschäftsmitbegründer.

Geretsried: Dorfladen im Stadtteil Stein schließt

Ein Laden „von Steinern für Steiner“ sollte der kleine Lebensmittelmarkt am Tegernseeweg in den Räumen der ehemaligen Apotheke werden, eine gerade für Ältere zu Fuß erreichbare Alternative zu den Discountern an der Jeschkenstraße. Die Rechnung ging leider nicht auf. Ende Januar, spätestens Mitte Februar soll Schluss sein. Diese Woche hat der Abverkauf der Waren begonnen. Alles ist um 20 bis 50 Prozent reduziert.

Nachschub wird nicht mehr bestellt. Beim Vermieter, der Baugenossenschaft Geretsried, wollen die Dorfladen-Betreiber demnächst kündigen. Antonello Pedatella arbeitet weiter hauptberuflich als Angestellter bei einer Firma, seine Frau wird nach der Elternzeit – die beiden haben ein kleines Kind – in ihren Job als Angestellte zurückkehren. Der 16 Jahre alte Sohn arbeitete nebenbei mit, die drei angestellten Geringverdiener auf 520-Euro Basis haben laut Viktoria Pedatella alle feste Jobs.

Zu wenig Kunden kamen

Bereits Ende vergangenen Jahres hatte die Geschäftsführerin bei einem Besuch unserer Zeitung darüber geklagt, dass 60 Prozent der Steiner noch nicht einmal wenigstens vorbeigeschaut hätten. Sie habe das Sortiment laufend dem Bedarf angepasst und dabei auf höchste Qualität geachtet. Im November kam Frischfleisch von der Murnauer Metzgerei Haller hinzu, wofür man mit einer Briefkastenaktion warb.

Die Geretsrieder Handwerksbäckerei Burger lieferte Brot und Gebäck. Osteuropäische Spezialitäten waren auf die Bewohner Steins zugeschnitten, die italienische Feinkost suchte Antonello Pedatella aus. „Für die Kekse der Firma Mulino Bianco fahren Kunden sogar von auswärts hierher“, erzählte seine Frau damals. Den Stammkunden dankt sie für deren Treue. „Aber von ihnen allein können wir nicht leben.“

Antonello und Viktoria Pedatella geben Laden nach nur einem halben Jahr auf

Zum schwachen Umsatz hinzukommen die gestiegenen Energiekosten. Die Stromabrechnung haben die Geschäftsleute noch nicht vorliegen, aber sie rechnen mit einer deutlichen Erhöhung. Weil montags und mittwochs so wenige Leute einkauften, dass es sich kaum lohnte, Licht und Personal zu bezahlen, hatten die Pedatellas an diesen Tagen zuletzt gar nicht mehr aufgemacht. Es sei ein „Ende mit Ansage“ gewesen, schreibt ein Nutzer der Facebook-Seite „Du bist aus Geretsried, wenn...“. Ein anderer zeigt sich „irritiert, da doch dieses Projekt von allen so hochgelobt wurde“, wieder eine andere kommentiert, dass das Geld fehle, „in solchen Läden einkaufen gehen zu können, beziehungsweise zu wollen, in diesen Zeiten“.

An Viktoria Pedatella prallen die teils recht besserwisserischen Beiträge nicht einfach ab. „Niemand, der nicht selbst einmal ein Gewerbe betrieben hat, weiß, was das wirklich bedeutet“, findet die 36-Jährige. Es sei von Anfang an nicht das Ziel ihrer Familie gewesen, sich mit dem Geschäft eine goldene Nase zu verdienen. Selbst seit Langem in Stein lebend, habe das Ehepaar nach der Schließung des Penny-Markts vor drei Jahren wieder einen Nahversorger anbieten wollen.

Viktoria Pedatella hat Erfahrung mit der Selbstständigkeit. Zuvor betrieb sie in Stein ein Kosmetikstudio mit zwei Kolleginnen. Die Freude in dem 2400-Einwohner-Stadtteil war auch zunächst groß über die Neueröffnung des Dorfladens. „Irgendwie hätten wir uns vielleicht halten können. Aber das hätte uns sehr, sehr viel Energie und auch Geld gekostet. Die Energie stecke ich jetzt lieber in meine Familie und meine Freunde“, sagt die dreifache Mutter.

Tanja Lühr

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