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Neues Haus für Oberland-Werkstätten: „Wir haben viel Platz und viel Ruhe“ - Ein Ortsbesuch

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Teamwork: Andreas Lerch (li.) und Thomas Bilert arbeiten gerne gemeinsam im „Impuls“ der Oberland-Werkstätten. 54 Personen mit seelischen Erkrankungen haben dort einen Arbeitsplatz gefunden. Das neue Haus ist sehr schön.       Wir haben viel Platz und viel Ruhe. Mitarbeiter Andreas Lerch Dreimal täglich eine kurze Pause Erhöhte Chancen auf Arbeitsmarkt
Teamwork: Andreas Lerch (li.) und Thomas Bilert arbeiten gerne gemeinsam im „Impuls“ der Oberland-Werkstätten. 54 Personen mit seelischen Erkrankungen haben dort einen Arbeitsplatz gefunden. © Sabine Hermsdorf-Hiss

Die Oberland-Werkstätten bieten Menschen mit seelischen Erkrankungen eine Beschäftigung. Im März weihte der Betrieb sein neues Gebäude ein. Unsere Zeitung bekam eine Führung durch die neuen Räume.

Geretsried – Im Landkreis gab es bisher eine Versorgungslücke mit Arbeitsplätzen für Menschen mit seelischen Erkrankungen. Im Oktober 2022 hat sich das geändert: Die Oberland-Werkstätten (OLW) haben im „Oberland Impuls“ an der Lausitzer Straße Beschäftigungsmöglichkeiten für 54 Personen mit Suchterkrankungen, Depressionen, Angststörungen und anderen psychischen Leiden geschaffen. Die Einweihung des Gebäudes fand wie berichtet im März statt. OLW-Bildungsbegleiterin Birgit Schreyer führte unsere Zeitung vor Kurzem durch die neuen Räume.

Neue Räume für Oberland-Werkstätten: Dreimal täglich dürfen sich Mitarbeiter kurz ausruhen

Im Speisesaal sitzt gerade Daniela Thiel bei einer Tasse Kaffee. Sie macht ihre Nachmittagspause. Dreimal täglich dürfen sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von ihrer Tätigkeit kurz ausruhen. Am Vormittag gibt es Butterbrezen oder eine andere Kleinigkeit. Mittags wird ein in den Gaißacher Oberland-Werkstätten frisch gekochtes, warmes Essen angeliefert, und nachmittags kann man noch einmal Tee oder Kaffee trinken. Auf der Terrasse vor der Kantine lädt ein Schachfeld zum gemeinsamen Schachspielen ein.

Für die Speisenausgabe ist Andreas Lerch zuständig. Hier gefalle es ihm besser als in der Montage, sagt der 50-jährige Geretsrieder. Er arbeitet bereits seit 2018 in der Gruppe für Menschen mit seelischen Einschränkungen. Vor dem Umzug in das neue „Impuls“ war diese in den Oberland-Werkstätten an der Gustav-Adolf-Straße gleich um die Ecke untergebracht. „Das neue Haus ist sehr schön. Wir haben viel Platz und viel Ruhe“, sagt Lerch.

Daniela Thiel ist inzwischen zurück an ihrem Arbeitsplatz. In einem der hellen Montageräume biegt die 39-jährige Frau aus Kochel am See kleine Flachstecker mithilfe einer Apparatur. Man muss die Metallteile nur in eine Mulde legen und einen Schalter betätigen, dann kommen sie an immer derselben Stelle geknickt heraus. „Die Qualität ist somit automatisch gewährleistet“, erklärt Schreyer. Für manche Mitarbeiter sei eine solch einfache Aufgabe als Einstieg geeignet.

Oberland-Werkstätten: Einer der jüngsten Mitarbeiter ist aus Eurasburg

Mal schafft Daniela Thiel 20 Stück am Tag, mal 200. „Alles ist okay“, sagt Schreyer. Thiel durchläuft den zweijährigen Berufsbildungsbereich (BFB). Er bereitet auf eine Anstellung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder in den Werkstätten vor. Die Teilnehmer werden in ihrer persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung unterstützt. Alle halbe Jahre findet ein „Entwicklungsgespräch“ statt, so Schreyer. Finanziert wird der BFB von der Arbeitsagentur.

Andere Mitarbeiter befassen sich mit komplexeren Aufbauten. Daniel Hartinger (54) aus Icking zum Beispiel setzt im nächsten der vier Arbeitsräume in elf Schritten Akku-Kontaktblöcke für die Geltinger Firma Brumaba zusammen, die Operationstische und -stühle herstellt. Dafür muss Hartinger unter anderem löten. Viele der 54 Beschäftigten hätten bereits Berufserfahrung, sagt Schreyer. Eine psychische Erkrankung könne sich schließlich in jedem Alter entwickeln.

Einer der jüngsten Mitarbeiter ist der 21-jährige Michael Killer aus Eurasburg, der hoch konzentriert winzige Schräubchen in Löcher dreht, der älteste Mitarbeiter ist 65. Betreut werden sie von drei Gruppenleitern, eine vierte Stelle ist ausgeschrieben. Künftig sollen auch noch IT-Arbeitsplätze geschaffen werden. Es gibt auch firmenintegrierte Jobs, wo die Mitarbeiter der OLW direkt in den Firmen sitzen, etwa bei Byk Gardner.

„Oberland Impuls“: Patienten finden sinnvolle Beschäftigung und therapeutische Begleitung

Jeder Mitarbeiter kann, wenn er möchte, täglich den Arbeitsplatz wechseln. Die Tätigkeiten reichen vom Verpacken über das Anmalen von Spielzeug und anderen handwerklichen Dingen bis hin zur Industriemontage. „Ich mag die Abwechslung. Mal bin ich lieber im Team, wo ich mich unterhalten kann, mal werkle ich lieber alleine vor mich hin“, sagt Thomas Bilert (41) aus Geretsried.

Kunden von „Oberland Impuls“ sind neben Brumaba und Byk Gardner die Firmen Bauer Kompressoren, Hawe Hydraulik, Spielzeug Kraul sowie die Unternehmen Fritz Kübler und Uniccomp. Außer den Arbeitshallen gibt es ein Arztzimmer, einen Ruheraum, einen Gruppenraum, wo man sich regelmäßig zu Besprechungen trifft, und Büros. „Unsere Mitarbeiter werden uns durch die Arbeitsagentur vermittelt, wir haben Kontakt zu Wohngruppen, oder Angehörige kennen unser Angebot und kommen auf uns zu“, zählt Schreyer an Möglichkeiten auf, im „Impuls“ anzufangen. Aktuell gebe es sehr viele Anfragen.

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Bei der Einweihungsfeier hatten alle Politiker betont, wie wichtig die Einrichtung sei, zumal seelische Erkrankungen zunähmen. Die Corona-Pandemie habe dazu beigetragen. Im „Impuls“ finden die Patienten eine sinnvolle Beschäftigung und therapeutische Begleitung. Ihr Tag erhält Struktur, und nach dem BFB bekommen sie im Schnitt 350 Euro pro Monat an Gehalt. Ihre Chancen auf eine Anstellung auf dem freien Arbeitsmarkt erhöhen sich. Für den Bau des 5,5 Millionen Euro teuren Gebäudes gab es Zuschüsse vom Bayerischen Inklusionsamt, von der Agentur für Arbeit und vom Bezirk Oberbayern, der auch Kostenträger ist.

Die Oberland-Werkstätten unterhalten seit 50 Jahren Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen in den Landkreisen Bad Tölz-Wolfratshausen, Miesbach und Weilheim-Schongau. Die Einsatzbereiche umfassen Holz- und Metallbearbeitung, Montage, Wäscherei, Küche, Hauswirtschaft und Logistik. Spezielle Einrichtungen für Menschen mit psychischen Erkrankungen haben die OLW bereits in Polling und Miesbach. Diese firmieren ebenfalls unter „Oberland Impuls“. VON TANJA LÜHR

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