Stammtisch ein Auslaufmodell? Das sagen die Geretsrieder Parteien

Die Parteien in Geretsried halten noch an ihren politischen Stammtischen fest, suchen aber nach Alternativen. Es kommen immer weniger Interessierte.
Geretsried – Nach der Pandemie, so hat man den Eindruck, sind die politischen Stammtische nicht wieder richtig angelaufen. Die CSU hält zwar an ihrem monatlichen Treffen am letzten Sonntag ab 10 Uhr im Gasthof Geiger fest – und die Grünen treffen sich jeden zweiten Montag im Monat ab 18 Uhr im Gasthaus Isarwinkel, aber die Menge der Besucher ist jeweils überschaubar. Von der SPD hört man kaum noch etwas. Die Freien Wähler laden gelegentlich zu Themenabenden ein. Ist das Format Stammtisch nicht mehr zeitgemäß? Und was planen die Ortsverbände in Geretsried im Landtags-Wahljahr sonst an Aktionen?
Parteien in Geretsried suchen nach Alternativen zum Stammtisch
„Corona hat viel kaputt gemacht“, sagt Martin Bruckner, Ortsvorsitzender der SPD. Danach habe der Ortsverband Zeit gebraucht, um „wieder anzulaufen“. Aber jetzt seien einige Treffen und Aktionen geplant. „Unser Stadtgespräch jeden ersten Sonntag im Monat hat sich, glaube ich, totgelaufen“, sagt Bruckner. Der Vorstand habe sich dazu entschieden, in unregelmäßigen Abständen lieber themenbezogene Stadtgespräche zu veranstalten. Vergangenen Sonntag beispielsweise haben die Genossen ins Gasthaus Isarwinkel eingeladen, um mit Interessierten über den Verkehr in Geretsried zu diskutieren. „Das bewegt die Leute immer“, meint der Ortschef. Am 7. Mai wird es um Energie gehen, ebenfalls ein Dauerbrenner. Ansonsten will die SPD künftig stärker in den sozialen Medien aktiv sein, um auch Jüngere zu gewinnen. Bruckner: „Die lockt man mit politischen Stammtischen nicht hinterm Ofen hervor“.

Auch die Freien Wähler (FW) mit derzeit 50 Mitgliedern setzten auf Stammtische mit aktuellem, lokalen Bezug. Am 27. April werden sie sich nach Auskunft der Ortsvorsitzenden Ann-Kathrin Güner über die Neue Mitte unterhalten. Aldi und Rossmann werden dann ins BGZ2 eingezogen sein, und man kann auf die ersten Wochen der neu gestalteten Egerlandstraße zurückblicken. Spannend dürfte es auch am 1. Juli vormittags werden, wenn die FW den Bohrplatz der Geothermie-Firma Eavor in Gelting besichtigen. Güner erinnert daran, dass die Geothermie von Anfang an ein Schwerpunktthema der Freien Wähler gewesen sei. Zu diesen beiden bereits feststehenden Veranstaltungen sollen eventuell noch Spaziergänge und Firmenbesuche kommen.

CSU in Geretsried setzt auf regelmäßgen Austausch beim Stammtisch
Die längste Stammtisch-Tradition besitzt die CSU. Anfang der 1970er-Jahre hat Vize-Bürgermeister Helmut Gänßbauer die offenen Treffen im Gasthof Geiger ins Leben gerufen. Fast immer war die lange Tafel mit dem schmiedeeisernen „Stammtisch“-Schriftzug voll besetzt, und oft saßen auch Zuhörer an den Nebentischen. Obwohl das in der Vergangenheit immer seltener der Fall war, bat der langjährige, ehemalige CSU-Ortsvorsitzende Ewald Kailberth seinen Nachfolger Martin Huber vor einigen Jahren darum, die Tradition fortzuführen. „Der Austausch mit der Basis und interessierten Bürgern einmal im Monat ist wichtig“, sagt Kailberth. Leider erreiche man die Leute heute nur noch punktuell, nämlich dann, wenn vor ihrer Haustür etwas passiere. „Das ist schade. Die Gesellschaft hat sich geändert“, so der langjährige Stadtrat.

Im Jahr der Landtagswahl wollen alle Ortsverbände wieder stärker an die Öffentlichkeit gehen. „Wir sind zurzeit sehr aktiv am Planen und Abstimmen“, erklärt Florian Hießl, Ortsvorsitzender der Grünen. Wie berichtet schickt der Landkreis Jakob Koch und Nikolaus Hanus als Listenkandidaten für den Landtag sowie Marius Schlosser als Bezirkstagskandidat ins Rennen. Hießl nennt zahlreiche Veranstaltungen, an denen sich die Geretsrieder Grünen beteiligen wollen, so etwa eine Diskussion zur Zukunft des Wintersports in Zeiten des Klimawandels. In Geretsried selber jedoch steht noch nicht viel im Terminkalender.
„Die Online-Treffen waren nicht dasselbe“
Die Freien Wähler wollen ihren Landtagskandidaten Florian Streibl unterstützen, und bei der CSU besteht beim nächsten Stammtisch am 26. März Gelegenheit, den Landtagskandidaten Thomas Holz kennenzulernen.
Virtuelle Meetings, auf die man teilweise während der Pandemie ausgewichen war, möchte keine Partei beibehalten. „Wir sind alle froh, dass wir uns wieder live sehen können, auch wenn wir nicht viele sind“, sagt Martin Bruckner. „Die Online-Treffen waren nicht dasselbe“, findet auch Ann-Kathrin Güner.
Tanja Lühr
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