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S7-Verlängerung: Kritiker hoffen auf Kostenexplosion

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Der Wolfratshauser Heinz Wensauer (re.) hatte am Sonntag zu einem erneuten Treffen der Kritiker der S7-Verlängerung nach Geretsried eingeladen.
Der Wolfratshauser Heinz Wensauer (re.) hatte am Sonntag zu einem erneuten Treffen der Kritiker der S7-Verlängerung nach Geretsried eingeladen. © Hans Lippert

Auf Einladung von Kritiker Heinz Wensauer diskutierten betroffene Grundstücksbesitzer und Lokalpolitiker erneut die geplante S7-Verlängerung nach Geretsried.

Geretsried – „Wir werden prozessieren bis zum Sankt Nimmerleinstag“, kündigte eine Anliegerin der geplanten S7-Trasse aus dem Geretsrieder Süden an, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. „Die Bahn scheucht die Leute links und rechts der Gleise wie die Hühner weg“, empörte sich Franz Fuchs, Gutsbesitzer von Schwaigwall. Sehr emotional wurde beim Treffen der Kritiker der geplanten S7-Verlängerung am Sonntagmittag im Gasthaus Geiger diskutiert.

Bürger aus Geretsried und Wolfratshausen diskutieren

Der Wolfratshauser Heinz Wensauer hatte erneut dazu eingeladen. Etwa 20 Bürger und Stadträte aus Geretsried und Wolfratshausen waren gekommen. Neue Erkenntnisse zum Mammutprojekt gibt es nicht. Wie berichtet fand zwischen Mitte Februar und Mitte März im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens coronabedingt eine Online-Anhörung der Betroffenen durch die Regierung von Oberbayern statt. Die Stellungnahmen der Bahn zu ihren Einwendungen haben die Teilnehmer mittlerweile erhalten, wie der Wolfratshauser Dieter Klug am Sonntag berichtete. Das weitere Verfahren liegt nun in den Händen des Eisenbahn-Bundesamts, das am Ende den Planfeststellungsbeschluss erlassen wird. Wann das sein wird, ist nicht bekannt. Vor einem Jahr hatte Bahn-Projektleiter Michael Hatzel 2022 als Datum genannt. Erst wenn das Baurecht vorliegt, wolle man in die Verhandlungen mit den Grundstückseigentümern eintreten.

Bis jetzt sei die Bahn nicht auf sie zugekommen, berichteten die Anwohner übereinstimmend und kritisierten die „schlechte Kommunikation“ des Unternehmens. Auch Wolfratshausens Ex-Bürgermeister Helmut Forster beklagte, dass die Bahn sogar der Stadtverwaltung gegenüber bis dato immer äußerst sparsam mit Informationen gewesen sei. Patrik Kohlert von der Geretsrieder Liste bestätigte dies aus seiner Erfahrung als Bauamtsleiter in Baierbrunn.

Kritiker hoffen, dass das Projekt aus Kostengründen scheitert

Die Hoffnungen der Kritiker ruhen darauf, dass das Projekt aus Kostengründen noch kippt. 2012 war von 167 Millionen Euro die Rede. Der Nutzen-Kosten-Faktor (NKF) lag bei knapp über 1, was bedeutet, dass der Ausbau rentabel wäre. Der Wolfratshauser Stadtrat Dr. Patrick Lechner (FDP) geht inzwischen von weit mehr als 300 Millionen Euro aus, das Nutzen-Kosten-Verhältnis werde dadurch wohl unter 1 sinken, so schätzt er. Angaben zum NKF ließen sich „erst nach Abschluss des Planfeststellungsverfahrens machen, da dann auch mögliche Auflagen des Verfahrens berücksichtigt würden“, zitierte Wensauer aus einem Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr, das er mitgebracht hatte. „Der Faktor spielt überhaupt keine Rolle“, will Klug in einem Gespräch mit einem Bahn-Mitarbeiter erfahren haben.

Forster (Wolfratshauser Liste) befürchtet, die Gegner würden so schnell keine Aussage erhalten, dass die S7-Verlängerung nicht komme: „Sonst müsste die Bahn offen legen, wie viel Geld schon in die Planung gesteckt wurde.“ Er sei nicht grundsätzlich gegen den Ausbau der Gleisstrecke nach Geretsried, betonte der ehemalige Rathauschef in der Nachbarstadt. Aber die jetzige Planung weise erhebliche Mängel auf, die erst korrigiert werden müssten.

Die Bahn scheucht die Leute links und rechts der Gleise wie die Hühner weg.

Gutsbesitzer Franz Fuchs

Zu den Mängeln zählen für die betroffenen Trassenanwohner der Flächenfraß, die Zerschneidung der Landschaft, drohende Enteignungen und die Anzahl von drei Bahnhöfen für „die klitzekleine Stadt Geretsried“, wie Walburgis von Westphalen meinte. Auch Kohlert sieht keinen Vorteil in einem dritten Bahnhof an der Richard-Wagner-Straße. Sein Stadtratskollege Edmund Häner (FDP) fürchtet, dass Geretsried mit dem Bau von Straßen, Schulen und Kindergärten nicht hinterherkommt, wenn durch die S-Bahn-Anbindung die Bevölkerung wächst. Gutsbesitzer Fuchs konstatierte, er halte das Projekt – für das ein Teil seiner landwirtschaftlichen Flächen auf der Böhmwiese benötigt wird – für „widersinnig“, weil die Stadt Geretsried parallel den vierspurigen Ausbau der Bundesstraße 11 anstrebe. „Wir sind alle für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Aber hier geht es um andere Interessen: um das Wachstum Geretsrieds und eine Entlastung Münchens vom Siedlungsdruck“, bilanzierte Fuchs.

Mehr Busse, eine Seilbahn oder eine Trambahn als Alternative

Die Gegner der Gleisverlängerung in die größte Stadt im Landkreis sehen andere Möglichkeiten, um einen Umstieg vom Auto auf öffentliche Verkehrsmittel zu fördern. Dazu zählen für sie mehr Busse, eine Seilbahn oder eine Trambahn zwischen den beiden Kommunen. Für die Wolfratshauserin Gabriele Mayer müsste erst einmal die S7 nach zwischen Wolfratshausen und München reibungsloser fahren, um breite Akzeptanz zu finden – was nur durch ein zweites Gleis zu erreichen wäre. Laut Mayers Wissen plant die Bahn das jedoch „in den nächsten 30 bis 40 Jahren nicht“.

Tanja Lühr

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