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Wildtiere im Dauerstress: Jäger stellt in seinem Revier Schilder auf – und appelliert an Spaziergänger

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Von: Doris Schmid

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Jäger Alexander von Gneisenau vor einem Hinweisschild.
Bitte auf dem Weg bleiben: Alexander von Gneisenau hat zum Schutz der Wildtiere in seinem Revier in Schwaigwall Schilder aufgestellt. © Sabine Hermsdorf-Hiss

Immer wieder schrecken Spaziergänger im Wald oder ihre nicht angeleinten Hunde Wild auf. Das ärgert Alexander von Gneisenau. Deshalb hat der Jäger in seinem Revier Schilder mit der Bitte um Rücksicht auf die Tiere aufgestellt.

Bad Tölz-Wolfratshausen – Die Freizeitmöglichkeiten sind in der Corona-Pandemie begrenzt. Da zieht es viele Ausflügler in die Natur. Weil sie auch abseits von Wegen unterwegs sind, schrecken sie oder ihre nicht angeleinten Hunde immer wieder Wild auf. Das ärgert Alexander von Gneisenau. Deshalb hat der Jäger in seinem Revier Schilder mit der Bitte um Rücksicht auf die Tiere aufgestellt.

Nicht querfeldein laufen

Der Ickinger ist seit 1. Mai des vergangenen Jahres zusammen mit einem Jagdkollegen für das Revier rund um Schwaigwall bei Geretsried zuständig. Dort gebe es hauptsächlich Rehwild, aber auch ein paar Hasen, in seltenen Fällen auch Enten, Tauben, Füchse und Dachse. „Wir waren an einem schönen Sonntagnachmittag unterwegs, als uns Spaziergänger begegneten, die über ein Rapsfeld liefen“, schildert der 61-Jährige. Auf die Frage, warum sie querfeldein laufen, hätten die Spaziergänger geantwortet, dass sie normalerweise schon die Wege benutzen würden. Aber auf dem Feld sei die Sonne so schön gewesen, deshalb seien sie über den Acker spaziert. „Das ist nicht im Sinne des Landwirts und auch für die Tiere nicht gut“, meint der Jäger.

Das Feld grenzte an einen Wald, und in der Nähe der Wald-Feld-Grenze halte sich häufig Rehwild auf. „Die Tiere liegen dort tagsüber“, sagt der Unternehmensberater. Zunächst habe er sich nichts weiter dabei gedacht, so der Ickinger. „Aber dann kam mir im Dickicht ein Spaziergänger entgegen, der einen Waldweg suchte.“ Da sei für ihn der Punkt erreicht gewesen, Spaziergänger auf die Schutzzonen der Tiere hinzuweisen – vor allem jetzt in der kalten Jahreszeit. „Im Winter fährt das Wild seinen Stoffwechselhaushalt runter“, erklärt der 61-Jährige. Damit komme das Wild relativ gut durch die kalten Monate. „Aber jedes Mal, wenn man es aufschreckt, verwendet das Tier überproportional viel Energie, um zu flüchten. Das zehre an den Reserven.

Verein Wildes Bayern

Der Verein Wildes Bayern wurde im Jahr 2015 im Nachbarlandkreis Miesbach gegründet. „Wir verstehen uns als die Anwälte der Wildtiere“, sagt Dr. Christine Miller im Gespräch mit unserer Zeitung. Sie zählt zu den Gründungsmitgliedern. Seit drei Jahren ist „Wildes Bayern“ laut Miller ein anerkannter Naturschutzverein. Das erklärte Ziel der mittlerweile 500 Mitglieder starken Vereinigung: mit Herzblut und Sachverstand für die Wildtiere in Bayern und die Erhaltung ihrer Lebensräume kämpfen.

„Mit dem Corona-Lockdown hat es viele Anrufe und Berichte gegeben, dass das Reißen von Rehen zugenommen hat“, sagt die Wildtierbiologin im Gespräch mit unserer Zeitung. Sehr oft seien das Problem Spaziergänger aus nah und fern mit frei laufenden Hunden, die „oft gar nicht wissen, was ein Hund alles anstellen kann, ohne, dass er es böse meint“, berichtet die Vorsitzende mit Blick auf sonst friedliche Hunde und verletzte oder zu Tode gehetzte Tiere. „Und dann gibt es noch Vierbeiner, die lernen das.“

Um Spaziergänger zu sensibilisieren, hätten sich Jäger und Revierinhaber an den Verein gewandt. Ihre Bitte: Die Bereitstellung von Informationen rund um das Thema gestresste Wildtiere, die auf der Webseite von „Wildes Bayern“ abgerufen werden können. Gleichzeitig stellte der Verein Schilder zur Verfügung, die bestellt werden können. Sie sind mit einem QR-Code versehen, über den sich die Informationen auf der Webseite ebenfalls abrufen lassen. Dort gibt es hilfreiche Tipps für den Spaziergang im Winter und im Frühjahr in der freien Natur. Außerdem werden eine Reihe von Fragen zu Wildtieren und ihrem Lebensraum beantwortet. Die Expertin empfiehlt: „Meiden Sie von Januar bis März alle Gebiete, in denen sich Wildtiere zurückziehen, zum Beispiel Dickungen am Waldrand und ruhige, warme Südhänge am Berg.“ Vor allem das Gebiet rund um Winterfütterungen sei Tabu für Ausflügler.

Hunde auch im Wald an die Leine nehmen

Weil von Gneisenau Mitglied im Verein Wildes Bayern ist, griff er dessen Appell an alle Spaziergänger und Naturschützer auf, und stellte vor ein paar Wochen Schilder mit einer Info des Vereins auf. „Im Wesentlichen habe ich versucht, sie da zu platzieren, wo die Wege ins Revier führen“, sagt der Energiewirt. „Wildruhezone“ ist auf den Schildern zu lesen, und weiter: „Liebe Spaziergänger und Naturfreunde, bitte bleiben Sie auf den Wegen und leinen Sie Ihre Hunde an.“ Es sei kein Durchgangsverbot, und jedem solle es erlaubt sein, die Natur zu genießen, betont der Ickinger. „Aber die Leute sollen auf den Wegen bleiben.“ Wer nachts im Wald unterwegs ist, sollte auf große Stirnlampen verzichten, damit das Wild sich in Ruhe bewegen könne.

Und: Er als Jäger nehme seinen vierbeinigen Begleiter im Wald ebenfalls an die Leine. „Ich arbeite recht intensiv mit meiner Hündin“, versichert von Gneisenau. „Aber auch mir kann es passieren, dass sie mir abhaut.“ Wenn dann zwei oder drei Hunde frei laufen, „kann es vorkommen, das Wild zu Tode gehetzt wird“. Auf freien Feldern sei das Anleinen hingehen kein Thema. „Da ist keine Deckung, wo sich das Wild tagsüber aufhält.“

Auch im Frühjahr auf den Wegen bleiben

Auch nach dem Winter sollten Spaziergänger nicht vom Weg abkommen. Den im Frühjahr und Sommer sind Wald und Feld die Kinderstube der Wildtiere.

nej

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