16-Jähriger macht Ausbildung zum Metzger - Tierwohl hat bei ihm oberste Priorität

Kaum junge Menschen wollen den Metzger-Beruf erlernen. Doch es geht auch anders. Nepomuk Bauer aus Ergertshausen steckt mitten in der Ausbildung – und das mit großer Begeisterung.
Königsdorf – Es gibt einen Kinofilm aus dem Jahr 2006, „Emmas Glück“ heißt er. Die Hauptdarstellerin, die Bäuerin Emma, tötet ihre Schweine, indem sie sie auf die Wiese führt und ihnen dann, während sie mit ihnen spielt und sie streichelt, völlig unerwartet mit dem Messer die Halsschlagader durchtrennt. Die Tiere sterben ohne böse Vorahnung, die Qual des Schlachthauses bleibt den Schweinen erspart.
16-Jähriger wird Metzger: Töten und Essen von Tieren gehört für Bauernsohn zum natürlichen Kreislauf
So ähnlich wünscht sich auch Nepomuk Bauer, dass Nutztiere geschlachtet werden. Der 16-Jährige stammt aus einer Familie von Landwirten. Seine beiden Onkel besitzen Bauernhöfe, seine Eltern haben ein großes Grundstück, auf dem Nepomuk hobbymäßig ein paar Ochsen und Schafe aufzieht. Vor einigen Jahren habe er einmal ein Rind an einen Händler verkauft, der es schlachten wollte, erzählt er. Dass er nicht wusste, wie der Händler mit dem Tier umgegangen ist, das stimmt ihn heute noch traurig. „Jedes Tier wächst dir mit der Zeit ans Herz. Du willst, dass es bis in den Tod anständig behandelt wird“, sagt der junge Mann.
Jedes Tier wächst dir mit der Zeit ans Herz. Du willst, dass es bis in den Tod anständig behandelt wird.
Weil das Töten und das Essen von Tieren für den Bauernsohn zum natürlichen Kreislauf gehören, wollte er Metzger werden. Aber einer, für den das Tierwohl oberste Priorität hat. Nach einigem Suchen stieß er auf den Thomahof der Familie Seidl in Schönrain in der Gemeinde Königsdorf. Deren Konzept überzeugte ihn von Anfang an.
Ortstermin: Florian Seidl, Landwirt und Metzgermeister, und sein Lehrling Nepomuk, erklären wie die Tiere auf dem Thomahof geschlachtet werden. Die Schweine betäuben die beiden mit einer Elektrozange, die hinter den Ohren angesetzt wird und einen raschen Stromschlag verursacht, sodass die Artgenossen nichts davon mitbekommen. Das Schwein wird danach zum Schlachtmobil gebracht, in dem es mit einem Stich in die Halsschlagader getötet und somit entblutet wird. Am nächsten Tag wird es zerlegt.
16-Jähriger macht Ausbildung zum Metzger: Jedes Teil vom Schwein wird verarbeitet
Die Seidls verarbeiten jedes Teil. Nicht nur die Filetstücke, auch die Innereien werden verwertet und die Reste enden als Hundefutter. Die Rinder haben mehr Vertrauen zu ihren Besitzern, sind nicht so intelligent wie Schweine, und können deshalb mit ruhiger Stimme und freundlichem Locken zum Schlachtmobil geführt werden.
Dort werden sie ebenfalls durch Blutentzug mittels eines Stichs in die Brust getötet. Die Seidls kommen mit ihrem mobilen Anhänger bis zur Stalltür. Den Tieren werden dadurch Transportwege und die Atmosphäre eines Schlachthofs mit seinen Gerüchen und Geräuschen erspart. „Ein Schwein zum Beispiel nimmt bis zu 70 Prozent über die Nase wahr. Riecht die Umgebung anders, wird es sofort nervös“, weiß Nepomuk Bauer.
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Sein Arbeitgeber und Ausbilder führt sämtliche Arbeiten von Hand aus. Normalerweise wird eine Sau nach der Tötung in einer sogenannten Brühmaschine enthaart. Man müsse sich das vorstellen wie den Schleudergang einer Waschmaschine, sagt Florian Seidl. Nepomuk Bauer hat von Anfang an gelernt, dem toten Schwein die Borsten mit einer Glocke, so der Fachbegriff, abzuschaben. „Wir haben das Tier großgezogen, gepflegt und human getötet. Da übergeben wir es am Ende nicht einer Maschine“, betont er.
Wir haben das Tier großgezogen, gepflegt und human getötet. Da übergeben wir es am Ende nicht einer Maschine.
Der angehende Metzger findet außerdem: „Wenn ein Tier sterben soll, dann soll der Metzger das auch merken. Nach fünf Tieren sind wir körperlich platt. Das ist eine gewisse Art der Regulierung.“ Er wisse von anderen Auszubildenden aus der Berufsschule, dass sie oftmals nur zerlegte Schweine- oder Rinderhälften geliefert bekämem und mit der Schlachtung selbst nichts zu tun hätten. Ihm tue es um jedes Tier leid, dem er den tödlichen Stich versetze, betont Bauer. Wenn das einmal nicht mehr der Fall sein sollte, werde er den Beruf wechseln.
Metzger stellt klar: „Wenn wir hier Grünland haben, sollten wir auch Viehzucht und Metzger haben“
Aber warum muss man überhaupt Tiere umbringen und essen, wenn doch erwiesen ist, dass der Mensch sich genauso gut vegetarisch oder vegan ernähren kann? Auf die Frage ist Florian Seidl, der in seinem Hofladen Fleisch, Wurst und Holzofenbrot aus eigener Produktion sowie weitere Lebensmittel aus dem Umkreis verkauft, vorbereitet.
Die Region bestehe zu einem Großteil aus Grünland, erklärt er. „Wir sind keine Ackerregion.“ Das Rind, oder andernorts das Schaf oder die Ziege wandle das Gras in Milch und Fleisch um. Die vielen Wiesen würden letztlich auch Kohlendioxid binden. „Wenn wir hier bei uns Grünland haben, sollten wir auch Viehzucht und Metzger haben“, findet Seidl. Dadurch werde der natürliche Kreislauf vor Ort geschlossen. Und man brauche keinen Kunstdünger.
Vegane Rohstoffe wie Soja legten oft weite Strecken bis nach Deutschland zurück. Die Produkte auf Sojabasis würden mit hohem Energieaufwand hergestellt. Seine Schweine würden auch kein Getreide fressen, das für den menschlichen Verzehr geeignet sei, sondern Futtergerste und Molke, die beim Käsen anfalle, ergänzt Seidl. Für das größtmögliche Tierwohl bis zum Schluss plädiert der Thomahof-Betreiber dafür: „Wo Landwirtschaft ist, gehört auch ein Metzger hin.“
16-Jähriger Metzger-Azubi aus Oberbayern: „Thomahof ist auf jeden Fall ein super Arbeitgeber“
Nepomuk Bauer träumt davon, nach der dreijährigen Ausbildung und einer Zeit als Angestellter selbst einmal Ochsen zu vermarkten. Seine Tante hat eine Gastwirtschaft, die wäre schon einmal ein sicherer Abnehmer. „In einem großen Betrieb möchte ich nicht arbeiten“, sagt er. Der 16-Jährige hat bereits mehrfach auf einer Alm geholfen, in Bad Hindelang, im Stubaital und in Fall im Landkreis. Er könne gut mit Kühen umgehen, habe auch gemolken und sei bei Kälbergeburten dabei gewesen.
Dass der Mensch Fleisch esse, sei für ihn „natürlich“. Ein Steak, ein Schnitzel oder Ochsenbraten seien für ihn aber etwas Besonderes, stellt Bauer fest. Etwas, das er sich schon allein aufgrund der hohen Preise für hochwertiges Fleisch sicher nicht jeden Tag gönne.
Seine Freunde fänden es alle gut, dass er den Metzgerberuf lerne, sagt er. Gleichzeitig versteht er, dass das Schlachten nicht jedermanns Sache sei. Die Berufsschule sei okay („Schule halt, da gibt’s interessantere und weniger interessante Fächer“), die Ausbildung sehr abwechslungsreich und der Verdienst gar nicht schlecht. Und als Frühaufsteher macht es ihm nichts aus, um 6 Uhr anzufangen. Mit dem Unimog fährt er bei Wind und Wetter von Ergertshausen nach Schönrain. Um 13 oder 14 Uhr hat er Feierabend. „Der Thomahof ist auf jeden Fall ein super Arbeitgeber“, findet der Lehrling. (tal)
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