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Sprachwissenschaftler: Zu gutem Bairisch braucht es mehr als nur viele „oa“

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Der Literatur-Professor Klaus Grubmüller hat ein Buch über „Gutes Bairisch“ veröffentlicht. Im Interview spricht er über Heimat, Tradition und Lieblingswörter.

Königsdorf – Dialekt zu sprechen ist so populär wie lange nicht – und zwar insbesondere in der Oberschicht. Der Königsdorfer Sprachwissenschaftler Klaus Grubmüller veröffentlichte dazu erst kürzlich das Buch „Gutes Bairisch – Eine Anleitung zur gepflegten Konversation“ (Volk Verlag, 18 Euro) und plauderte mit uns über Heimat, Tradition und Lieblingswörter.

Herr Grubmüller, Sie sind in München und Oberammergau aufgewachsen und sprechen Mundart quasi „von Geburt an. Erste Lektion: Sprechen Sie bairisch oder bayrisch?

Natürlich spreche ich bairisch. Mit der Schreibweise bayrisch bezieht man sich ja auf das ganze Staatsgebiet, in dem nicht nur bairisch (in Ober- und Niederbayern und in der Oberpfalz), sondern auch fränkisch und schwäbisch gesprochen wird.

Sparchwissenschaftler Klaus Grubmüller aus Königsdorf veröffentlicht Buch über „Gutes Bairisch“ 

Nach Ihrem Studium der deutschen und lateinischen Philologie verschlug es Sie als Professor für Literatur des Mittelalters und deutsche Sprache an die Universitäten Münster und Göttingen. Wie haben Sie sich dort als Bayer gefühlt?

Die großen Universitäten in Deutschland sind gewissermaßen exterritorial. Da mischen sich Menschen aus allen möglichen Gegenden, nicht nur bei den Studierenden, sondern auch im Lehrkörper. Das sorgt für eine gewisse Toleranz, und die überträgt sich auch auf die Bevölkerung. Im Übrigen besitzen wir ja zur Überbrückung der Unterschiede das Instrument der Hochsprache.

Nach Ihrer Emeritierung zog es Sie zurück nach Oberbayern. Sie leben nun seit 2014 in Königsdorf. Was bedeutet Ihnen Heimat? Und was war die Motivation, jetzt ein Buch über „Gutes Bairisch“ zu schreiben?

Was Heimat für mich bedeutet, habe ich erst nach meiner Rückkehr nach Oberbayern wirklich wahrgenommen: Eine grundlegende Vertrautheit mit allem, den Menschen, den Verhaltensweisen, der Mentalität, der Landschaft – und natürlich auch der Sprache. Und die Sprache braucht Pflege und Schutz, gar nicht so sehr, weil die Mundart zu verschwinden drohte. Das sehe ich nicht, sondern wegen der fortwährenden Verhunzung durch hochmütige Dilettanten.

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Bairisch ist eine Sprache mit Regeln: Sprachwissenschaftler positioniert sich gegen „Verhunzung“

Für wen ist dieser Ratgeber gedacht?

Eben als Schutz gegen diese Verhunzung: Man sollte schon wahrnehmen, dass man nicht schon Bairisch spricht, wenn man möglichst viele oa in seine Äußerungen einstreut. Etwas mehr Mühe ist schon erforderlich. Das Bairische ist eine ausdifferenzierte Sprache mit Regeln, die es zu beherrschen gilt. Das möchte ich auch gerne den Mundartsprechern vermitteln: Sie sollen und wollen wissen, warum sie so reden, wie sie reden. Und dass sie sich nicht mangelhaft oder primitiv ausdrücken, sondern eine historisch legitimierte vollwertige Variante des Deutschen benützen.

Es gab schon einige Leserbriefe, nachdem das Buch vor Kurzem im Feuilletonteil des Münchner Merkur besprochen worden ist. Wie gehen Sie mit Kritik um?

Kritik ist ein unentbehrliches Element der wissenschaftlichen Urteilsbildung. Ohne sie gibt es keinen Erkenntnisfortschritt. Auch Polemik ist erlaubt. Aber Kritik kann diese Funktion nur erfüllen, wenn sie auf Sachkenntnis beruht. Mit substanzlosem Geplauder oder gar flegelhafter Pöbelei ist niemandem geholfen.

Welche Dialekte beherrschen und mögen Sie noch? In Münster oder Göttingen konnten Sie sich diesbezüglich sprachlich vermutlich eher nicht weiterentwickeln?

Andere Dialekte beherrsche ich nicht. Da sähe ich auch immer die Gefahr der Anmaßung. Aber ich mag sie alle, am besten gefallen mir das Kölnische und der Hamburger Zungenschlag. In Münster und Göttingen spielt die Mundart kaum eine Rolle. Ich habe mich schon als Student darüber gewundert, dass in Göttingen auch die Marktfrauen hochdeutsch sprechen. Die geringe Rolle der Mundart in Norddeutschland hat sicher auch damit zu tun, dass die Differenz zwischen der Mundart, hier also dem Plattdeutschen, und der Hochsprache sehr viel größer ist als in den oberdeutschen Gegenden.

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„Bixnmacherei“: Tradition in Bayern überholt?

Mundart und Tradition ist oft eng miteinander verknüpft. Gibt es Traditionen, die Sie eher kritisch sehen? Wie stehen Sie zur „Bixnmacherei“? Ein Affront gegen die Mädchen und Frauen?

Das rührt an eine der Grundfragen der Genderdiskussion. Was vermag Sprache? Sie kann Fakten nicht ungeschehen machen. Putins Überfall auf die Ukraine bleibt ein blutiger Krieg mit Tausenden von Opfern, wenn er ihn auch noch so oft Spezialoperation nennt. Aber natürlich kann Sprache die Wahrnehmung von Sachverhalten beeinflussen. Ob das gelingt, hängt aber ganz von den Umständen ab. Sobald die Spezialoperation als Propagandatrick durchschaut ist, verliert dieses Manöver seine Wirksamkeit. Das gilt im Kern auch für die Bixnmacherei: Es kommt auf die Verwendungssituation an. Natürlich geht das Wort auf eine sehr derbe Vorstellung zurück, und wer sich dessen bewusst ist, sollte es meiden. Aber wird dieser Ursprung immer mitgedacht? Was, wenn das Wort augenzwinkernd oder überhaupt spielerisch verwendet wird? Dann entscheiden, wie immer bei ironischer Rede, die Rezipienten: Machen sie das Spiel mit, ist es gut. Geht das Spiel schief, wird es zum Affront.

Was ist Ihr bairisches Lieblingswort?

Da gibt es viele. Das würde eine endlose Liste. Aber um eines herauszugreifen: brettlgschnoizt für einen von allen guten intellektuellen und emotionalen Geistern verlassenen Menschen, einen Volldeppen, ist schon sehr ausdrucksstark. Aber auch hier darf man den brutalen Ursprung nicht mitdenken. Das Wort geht ja auf den seinerzeit recht beliebten Bubenstreich des Brooznschnoizns zurück, bei dem eine Kröte, ein Brooz, mithilfe eines Bretts in die Luft geschleudert wird und dann bei der Landung auf dem Boden grausam zerschellt.  

red

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