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Grundsatzdebatte um Surfwelle

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Von: Carl-Christian Eick

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Stecken hinter dem Projekt: Marcus und Stefanie Kastner, führende Köpfe beim Verein „Surfing Wolfratshausen“. Das Ehepaar und ihre Mitstreiter engagieren sich seit 2013 für eine künstliche Surfwelle in der Loisach. © Foto: Archiv

Wolfratshausen - Die seit Jahren diskutierte künstliche Surfwelle stand in der Stadtratssitzung am Dienstagabend auf Messers Schneide. CSU- und SPD-Fraktion beklagten ein Informationsdefizit, Bürgermeister Klaus Heilinglechner reagierte überrascht.

Wolfratshausen – 320 000 Euro wird die künstliche Surfwelle auf einem Nebenarm der Loisach in Weidach voraussichtlich kosten. Angeregt haben das Projekt im Mai 2013 wie berichtet Stefanie und Marcus Kastner. Das Duo hat inzwischen den Verein „Surfing Wolfratshausen“ gegründet. Der, so die Vorgabe des Stadtrates, muss aus eigener Kraft 60 000 Euro aufbringen. Weitere 160 000 Euro erhofft man sich vom Leader-Programm der Europäischen Union. Stehen diese beiden Säulen, macht die Stadt 100 000 Euro für das Projekt locker.

Den Antrag, Leader-Mittel zu bekommen, muss die Kommune stellen. Darauf hatte Bürgermeister Klaus Heilinglechner in den vergangenen Monaten wiederholt hingewiesen. In rund drei Wochen, das sagte der Rathauschef in der Stadtratssitzung am Dienstag, müsse die lokale Lenkungsgruppe die Weichen stellen. „Um die Nachhaltigkeit des Projekts zu dokumentieren, ist ein Beschluss über die Unterhaltszahlungen von Seiten der Stadt für die Anlagen der Surfwelle notwendig“, erklärte Heilinglechner. Konkret: Um EU-Fördermittel zu bekommen, muss die Stadt Wolfratshausen zusagen, die Wartung und den Unterhalt der Unterwasserkonstruktion zu bezahlen – 15 Jahre lang voraussichtlich 5000 Euro jährlich.

Die CSU könne dem Antrag nicht zustimmen, sagte Fraktionschef Günther Eibl. Viele Details des Projektes seien ungeklärt. Dazu zählt für Eibl primär die Haftungsfrage – er erinnerte daran, dass es am Eisbach in München im vergangenen Jahr einen tödlichen Unfall gab. Für die CSU seien die haftungsrechtlichen Belange des Vorhabens von entscheidender Bedeutung, „auch wenn das hier leider Gottes keiner hören will“. Darüber hinaus vermisste Eibl Infos zu den Themen Parkplätze und öffentliche Toiletten.

Rathauschef warnt vor dem Aus für die Welle

„Wir sehen das ähnlich wie die CSU“, erklärte SPD-Fraktionssprecher Fritz Meixner. Er vermisse einen „Zwischensachstandsbericht“, ein „schlüssiges Konzept ist mir nicht bekannt“. Meixner wörtlich: „Ein Business- und Bieslplan fehlen“. Er warnte davor, „den zweiten Schritt vor dem ersten zu tun“.

Bürgermeister Heilinglechner reagierte überrascht. Der Surfer-Verein und die Tourismusmanagerin der Stadt, Gisela Gleißl, hätten in den vergangenen Monaten viel Aufklärungsarbeit betrieben, „aber das ist hier offenbar nicht angekommen“. Sollte der Antrag auf Wartungszusage durchfallen, „dann ist es vorbei“, und es werde mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Surfwelle in der Flößerstadt geben. Der Leader-Topf sei bereits fast leer, „und zukünftig werden die Mittel begrenzt“, berichtete Heilinglechner.

Er betonte, dass der Beschluss nur die Wartung der technischen Anlage betreffe. „Über Parkmöglichkeiten und WCs werden wir hier noch einmal sprechen, wir müssen das aber von dem Leader-Antrag abkoppeln.“ Und: Die Haftung übernehme der Verein „Surfing Wolfratshausen“, an einer entsprechenden Satzung arbeite bereits ein vom Verein beauftragter Jurist. Heilinglechner: „Ich hätte nicht gedacht, dass dieser Beschluss hier ein so großes Fragezeichen aufwirft.“

Annette Heinloth (Grüne) versuchte, CSU und SPD umzustimmen. Den „gefährlichen Eisbach“ könne man mit einer künstlich angelegten Surfwelle nicht vergleichen. Die Welle in der Loisach müsse „eingeschaltet werden“, gesurft werden könne quasi nur unter Aufsicht. Heinloth bestätigte: Der Verein habe zugesagt, die Haftung zu übernehmen. Das gesamte Projekt, so die Grünen-Rätin, sei von den Ehrenamtlichen nicht „larifari“ zusammengeschustert worden, „sondern gut durchdacht“.

Ein schlagkräftiges Argument lieferte der Fraktionssprecher der Bürgervereinigung Wolfratshausen (BVW): „Das ist ein Bauvorhaben“, sagte Josef Praller, „es folgen noch Genehmigungsverfahren.“ Die Kommune habe weiterhin die Möglichkeit, das Projekt zu stoppen. Um die Leader-Förderung nicht zu gefährden, sei die BVW bereit, „den zweiten Schritt vor dem ersten zu machen“. „Betrachten wir das heute doch einfach als Formalität“, pflichtete ihm Heinloth bei. „Wir entscheiden heute nicht über den Bau der Surfwelle.“

Stadtrat behält sich vor, das Projekt zu stoppen

CSU-Fraktionschef Eibl beantragte schließlich eine Sitzungsunterbrechung, um sich mit seinen Parteifreunden zu beraten. Fünf Minuten später präsentierte Vize-Bürgermeister Fritz Schnaller (SPD) einen mit allen Räten abgestimmten Beschlussvorschlag: Die Kommune sagt 5000 Euro jährlich für die Wartung der Welle zu, behält sich aber vor, „das Projekt im Zuge des Genehmigungsverfahrens jederzeit stoppen zu können“. Diesem Beschluss stimmten die Gremiumsmitglieder ohne Ausnahme zu. Kommentar des Bürgermeisters: „Vielen Dank.“

Dem Verein „Surfing Wolfratshausen“ wird die Gelegenheit gegeben, den Stand der Dinge in der Stadtratssitzung am 13. März zu präsentieren. Wie Vereinsvorsitzende Stefanie Kastner am Mittwoch bei einem Sponsorentermin bei der Raiffeisenbank Isar-Loisach bekannt gab, habe man inzwischen knapp 48 000 Euro – von den vom Stadtrat geforderten 60 000 Euro – Spenden gesammelt.

Kommentar: Beinahe-Blamage für den Stadtrat

Nur um Haaresbreite ist das Surfwellen-Projekt dem Todesstoß entgangen – und der Stadtrat einer Blamage. Seit 2013 wird das Vorhaben breit diskutiert, haben Ehrenamtliche viel Herzblut und Geld in ihren Traum investiert und an Aufklärungsarbeit nicht gespart. 100 000 Euro Unterstützung sagte die Kommune bereits zu, viele Unternehmen in der Region erklärten ihre Solidarität in Form von Finanzspritzen. Doch in einem entscheidenden Moment – EU-Mittel müssen beantragt werden – halten CSU und SPD den Surffreunden vor, ihre Hausaufgaben nicht gemacht zu haben.

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Redaktionsleiter Carl-Christian Eick kommentiert für unsere Zeitung. © Foto: sh/Archiv

Wie bitte? Die Mandatsträger wissen doch hoffentlich, dass sie das letzte Wort zu Bauanträgen sprechen. Warum also die künstliche Aufregung auf dem noch langen Genehmigungsweg zu einer künstlichen Welle? Dass der noch junge Verein und die städtische Tourismusmanagerin Gisela Gleißl eventuell nicht jede aktuelle Wasserstandsmeldung an die Bürgervertreter weitergereicht haben: geschenkt. Doch während der eine Stadtrat wegen jedem einzelnen gefällten Ahornbaum Amok läuft und andere ohne kritische Nachfragen Zuschussanträge von Traditionsvereinen großzügig durchwinken, bleibt offenbar keine Zeit, sich zum Stand der Surfwellen-Dinge zu erkundigen. Lernen wir: Für Räte gibt’s keine Hausaufgabenpflicht.

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