Plante die FC-Bayern-Zentrale: Dieser Star-Architekt entwarf neues Geschäftshaus in Wolfratshausen

Die Ruine des Isar-Kaufhauses in der Wolfratshauser Altstadt ist abgerissen, an der Stelle steht ein neues Geschäfts- und Wohnhaus. Unsere Zeitung traf den Architekten des Gebäudekomplexes - Ankermieter ist die Drogeriemarktkette Müller.
Wolfratshausen – Sage und schreibe fast elf Jahre sind seit dem Tag ins Land gezogen, an dem Geschäftsführer Frederik Holthaus das Isar-Kaufhaus in der Wolfratshauser Altstadt schloss. Inzwischen steht auf dem Grundstück am Wolfratshauser Untermarkt 7-11 ein von der gleichnamigen Grünwalder Projektgesellschaft errichtetes neues Geschäfts- und Wohnhaus. Ankermieter ist die Drogeriemarktkette Müller, die am Donnerstagmorgen ihre Filiale mit rund 1400 Quadratmetern Verkaufsfläche auf zwei Etagen eröffnete. „Sehr zufrieden“ mit dem imposanten Neubau ist der Architekt des Objekts, der Wolfratshauser Tom Ferster.
Plante die FC-Bayern-Zentrale: Dieser Star-Architekt entwarf neues Geschäftshaus in Wolfratshausen
Der 82-Jährige, dem eine üppig bebilderte Boulevardzeitung das Prädikat „Star-Architekt“ verpasste, hat in seinem Berufsleben viele Bauten entworfen. „2500 bis 3000“, sagt er rückblickend. Schon als Schulbub kristallisierte sich sein potenzielles Betätigungsfeld heraus, „ich habe immer gerne gezeichnet, nicht gemalt“. Um fürs Studium an der Fachhochschule München – später Technische Universität – zugelassen zu werden, musste er eine Eignungsprüfung bestehen. An eine Frage kann er sich noch gut erinnern: Warum ist ein Kanaldeckel immer rund? „Weil er so nicht in den Schacht fallen kann“, lautete die korrekte Antwort des Prüflings.
Begonnen hat er seine Karriere nach Abschluss des Studiums 1972 in einem Zwei-Zimmer-Büro in der Loisachstadt. Seither ist sehr viel geschehen. Das Wolfratshauser Rathaus trägt seine Handschrift, der Haderbräu-Komplex, das Sportheim an der Kräuterstraße im Isar-Loisach-Stadion in Farchet, der Sitz der Baugenossenschaft Wolfratshausen an der Bahnhofstraße, der Golfclub Beuerberg und nicht zuletzt Dutzende Wohnhäuser und Promi-Villen im Speckgürtel der Landeshauptstadt sowie weit darüber hinaus.
Ferster-Bauten von Wolfratshausen über Saint-Tropez bis Marbella
Ferster konzipierte für Kunden mit dem nötigen Kleingeld Traumhäuser in Saint-Tropez an der französischen Riviera, auf der spanischen Insel Mallorca und in der spanischen Küstenstadt Marbella. Sein Netzwerk ist engmaschig, der gebürtige Reichenberger ist mit vielen Spitzenvertretern aus Politik, Wirtschaft, Sport und Gesellschaft per Du. „Wenn’s keinem gefallen hätte, was ich mache, hätte mich wohl keiner weiterempfohlen“, stellt Ferster fest und lächelt. Namen nennt er nicht, doch es ist weithin bekannt, dass Bayerns Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber, der Musikproduzent Ralph Siegel, die Jazz-Legende Klaus Doldinger und „Winnetou“-Darsteller Pierre Brice seine Dienste in Anspruch nahmen. Nach Fersters Plänen entstanden die Schaltzentrale des Fußball-Rekordmeisters FC Bayern München an der Säbener Straße („das war der Ritterschlag“), und bei der Sanierung des denkmalgeschützten Orlando-Hauses am Platzl in München („mein größtes Projekt“) war der Wolfratshauser federführend.

Kaum hatte das ehemalige Isar-Kaufhaus einen neuen Eigentümer, die Projektgesellschaft Untermarkt 7-11 mit dem Unternehmer Rainer Scherbaum und dem Rechtsanwalt Dr. Harald Mosler an der Spitze, holte die Grünwalder GmbH Ferster ins Boot. „Ich war vor vielen, vielen Jahren der erste Kunde von Rechtsanwalt Dr. Mosler“, sagt der 82-Jährige. Erste grobe Skizzen, wie das neue Gebäude in der Altstadt aussehen könnte, zeichnete er bereits vor acht Jahren. Nicht ahnend, wie kompliziert das Vorhaben werden sollte. „76 Werkpläne habe ich erstellt“, zieht Fersters langjährige Mitarbeiterin, die Architektin Christiane Kronewirth, Bilanz. „Ja“, konstatiert ihr Chef, „das war das schwierigste aller meiner Objekte.“
Architekt Ferster ist mit Neubau-Komplex „sehr zufrieden“ und „ein bisschen Stolz“
Kaum eine Immobilie in der Flößerstadt weist eine vergleichbare Vita auf. Erstmals urkundlich erwähnt wird ein Gebäude am Untermarkt 7 im Jahr 1633 – als Betriebsstätte eines Lebkuchenbäckers. In der Folge diente der Komplex am Untermarkt unter anderem als Getreidestadel, Schlachthaus, Landgerichts-Apotheke sowie Knabenschule und im Zweiten Weltkrieg als Lazarett.
Vor dem Abriss des Kaufhauses diktierte das Denkmalamt: Der Wiederaufbau muss streng nach dem historischen Vorbild erfolgen – „das war der Auftrag, und das ist uns gelungen“, sagt der Architekt. Eine Herausforderung: „Optisch sind es drei Gebäude“, doch im Inneren gibt’s durchgehende Ebenen. „Etwas anderes könnte man ja heute gar nicht mehr vermieten“, gibt Ferster zu bedenken. „Sehr zufrieden“ ist er mit dem Neubau – „und ja, auch ein bisschen stolz“.
Bis auf den Tag zeichnet Ferster seine Entwürfe „frei Hand“ mit einem Bleistift
Ob’s sein letztes Projekt war und er fortan ausschließlich das süße Leben mit Ehefrau, Kindern, Enkelkindern und Freunden genießen wird? Der 82-Jährige zögert. Vielleicht einen Gang runterschalten, eventuell „ein bisschen kürzertreten“. Aber den Bleistift endgültig aus der Hand legen, nein, das mag Ferster noch nicht. Apropos Bleistift: Mit dem zeichnet er bis auf den Tag seit gut 50 Jahren alle Entwürfe. Auch die sogenannte Reißschiene, die dem Architekten hilft, exakte horizontale und parallele Linien zu ziehen, steht nach wie vor auf seinem Schreibtisch. „Einen Computer schalte ich nicht an“, verrät der Wolfratshauser und lacht. „Ich zeichne nach wie vor frei Hand“, anschließend digitalisieren seine Mitarbeiter das, was der Meister zu Papier gebracht hat.
Der berufliche Erfolg machte den Architekten ein Stück weit unabhängig
Ein Architekt sei durchaus ein Künstler, meint Ferster im Gespräch mit unserer Zeitung. Allerdings „ein Künstler in einem Korsett“, eingeschnürt in rechtsverbindliche Bestimmungen eines Bebauungsplans, strikte Vorgaben des Landschafts- und/oder des Denkmalschutzes sowie die Wünsche des Bauherrn. Hat er schon mal einen Auftrag abgelehnt? Daran kann sich der 82-Jährige nicht erinnern. Aber der berufliche Erfolg machte Tom Ferster ein Stück weit unabhängig. Er legt Wert darauf, dass sich „Dienstleister“ und Auftraggeber „auf Augenhöhe“ begegnen. Ganz egal, wie prominent beziehungsweise betucht der potenzielle Bauherr ist. „Mir hat mal jemand auf Gutsherrenart gesagt, dass ich ihm von jemandem empfohlen worden sei und er sich aus diesem Grund für mich entschieden hat. Ich habe geantwortet, dass das nicht heißt, dass ich mich für ihn entscheiden werde.“ (cce)
Unser Wolfratshausen-Geretsried-Newsletter informiert Sie regelmäßig über alle wichtigen Geschichten aus Ihrer Region. Melden Sie sich hier an.