Nach mehreren Unfällen: Bootstouren auf der Isar bleiben verboten

Bad Tölz-Wolfratshausen - Auf der Isar ereigneten sich mehrere Bootsunfälle. Das Schlauchbootfahren ist inzwischen strafbar. Das Verbot schreckte Ausflügler aber nicht ab.
++ Update vom 9. August: Die Kosten für mögliche Rettungseinsätze müssen die Betroffenen meist nicht selbst bezahlen. Die Feuerwehreinsätze sind meist kostenlos - und für den Rettungsdienst kommen die Krankenkassen auf.
++ Update vom 8. August: Schlauchbootfahren auf der Isar ist weiterhin verboten. Das teilten die Landratsämter in Bad Tölz-Wolfratshausen und München am Montagvormittag auf Nachfrage unserer Zeitung mit. Man rechne auch die kommenden Tage "mit Hochwasser und zudem starken Regenfällen", sagt Cornelia Breiter vom Tölzer Landratsamt.
Verstöße gegen die Allgemeinverfügung, die das Bootfahren zwischen der Tattenkofener Brücke in Geretsried und der Dürnsteiner Brücke in Egling verbietet, können mit bis zu 50.000 Euro Bußgeld geahndet werden. "Uns geht es aber nicht ums Bestrafen", sagt Breiter. Vielmehr weise man auf die enormen Gefahren hin. Auch von der Dürnsteiner Brücke bis zur Münchner Stadtgrenze ist das Schlauchbootfahren seit Samstag verboten.
Am Großhesseloher Wehr kam es zu einer dramatischen Rettungsaktion.
Am Samstag ereigneten sich mehrere Bootsunfälle auf der Isar
Das rot-weiße Flatterband versperrt an der Pupplinger Au den Weg zur Isar. „Polizeiabsperrung“ steht in Großbuchstaben darauf. Eine Szene wie am Tatort. Ein handgeschriebenes Blatt Papier klärt auf, es ist provisorisch mit einer Klammer an dem Band befestigt. Spaziergänger beäugen es am Sonntagmittag neugierig. „Achtung, Lebensgefahr“, hat ein Polizist mit blauem Kugelschreiber notiert. „Derzeit besteht ein Verbot zum Befahren der Isar.“
Die Absperrung ist ein Versuch, Schlauchbootfahrer von der Isar fernzuhalten. Der Fluss führt Hochwasser, ist reißend und unberechenbar. Und dennoch steigen immer wieder leichtsinnige Ausflügler in Schlauchboote, lassen sich die Isar hinabtreiben und begeben sich so in Lebensgefahr.
Die Rettungskräfte mussten heuer schon oft ausrücken. Ein 15-Jähriger und ein 16-Jähriger sind wie berichtet beim Schwimmen ertrunken. An diesem Samstag häuften sich dann die Notrufe. „So etwas habe ich schon lange nicht mehr erlebt“, sagt Andreas Spohn, Kommandant der Wolfratshauser Feuerwehr. Den ganzen Tag über waren ehrenamtliche Rettungskräfte im Einsatz.
Vier gekenterte Studenten waren sichtbar betrunken
Den ersten Alarm löste eine Passantin um 12.10 Uhr aus. Sie hatte laut Polizei vier Personen nördlich des Ickinger Wehrs aus ihrem Schlauchboot ins Wasser fallen sehen. Andere Bootsfahrer kamen den vier gekenterten Studenten im Alter zwischen 28 und 31 Jahren zu Hilfe.
Im Bereich der Dürnsteiner Brücke bei Deining gelangten sie ans Ufer und wurden von Einsatzkräften versorgt. Rettungswesten hatten die Studenten nicht. Dafür aber Nikolausmützen auf dem Kopf und reichlich Bier in einem kleinen Beiboot. „Alle waren sichtbar betrunken“, berichtet Polizeihauptkommissar Ingo Wagner.
Zwei Männer ertrinken beinahe an der Staumauer des Ickinger Wehrs
Zweieinhalb Stunden später, um 14.10 Uhr, der nächste Alarm. Zwei 36-jährige Männer aus Worms und Würzburg riefen am Ickinger Wehr um Hilfe. Die Wassermassen d

rückten ihr Boot an die Staumauer des Wehrs. „Das war eine lebensbedrohliche Zwangslage“, sagt Robert Buxbaum, Kommandant der Weidacher Feuerwehr. Die Männer drohten aufgrund des starken Sogs zu kentern. „Sie hätten im Wasser keine Chance gehabt. Sie wären gestorben.“ Zum Glück kam es nicht so weit. Laut Polizei warfen zwei Wanderer aus Taufkirchen Rettungsleinen der Wehranlage zum Boot. Die Feuerwehr seilte sich dann zu den Verunglückten ab. Die Rettung vom Motorboot aus wäre aufgrund der Strömung nicht möglich gewesen. Die Männer gaben laut Feuerwehr an, die Warnschilder vor dem Wehr zwar gesehen zu haben. Sie hätten die Gefahr aber unterschätzt und gedacht, noch ein Stück weiterfahren zu können. „Als sie ihre Lage bemerkt haben, war es zu spät“, sagt Buxbaum. „Bei der Strömung lassen sich Boote nicht mehr lenken.“ Etwa 40 Gaffer behinderten laut Polizei zunächst die Arbeit der Rettungskräfte. Es gab Platzverweise.
Eine Gruppe steigt in Bad Tölz auf Luftmatratzen und schwimmt bis Icking
Kurz nach dem Einsatz eilten die Wasserretter wieder zur Dürnsteiner Brücke. Vier Personen und ein Hund waren gekentert, sie retteten sich auf eine Sandbank. Dort holte sie ein Rettungshubschrauber ab. Zuvor waren schon vier Personen bei Baierbrunn gekentert. Schon einmal hatten die Rettungskräfte vier unterkühlte Kinder aus Kanus gerettet. Die Eltern waren betrunken. „Außerdem haben wir eine Gruppe getroffen, die mit Luftmatratzen von Tölz aus die Isar runtergefahren ist“, sagt Spohn. „Den Irrsinn kann man sich eigentlich gar nicht vorstellen.“
Der nächste Notruf um 16.45 Uhr. Vor der Marienbrücke bei Wolfratshausen gingen mehrere Personen über Bord. Vor Ort traf die Polizei 20 Ausflügler in zwei Raftingbooten eines Verleihs an. Sie hatten sich ans Ufer gerettet und teilten mit, dass zwei weitere Boote schon bei Geretsried in Seenot geraten seien. Die 20 Vermissten saßen dort abgeschnitten vom Ufer auf einer Sandbank.
Den Tag über waren rund 150 Helfer im Einsatz. Vor Ort waren die Feuerwehren Ergertshausen, Egling, Wolfratshausen, Weidach, Geretsried und Ascholding, außerdem die Polizei, das Bayerische Rote Kreuz, die Wasserwacht, die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) und Rettungshubschrauber. „Das war ein enormer Kraftaufwand“, sagt Maiko Alpers von der Geretsrieder DLRG auf Nachfrage. „Ein Einsatz im Neoprenanzug ist so anstrengend wie ein mehrstündiger Saunagang.“
Isarfahren ist zwischen Geretsried und München strafbar
Am Samstagnachmittag reagierte das Landratsamt mit einer so genannten Allgemeinverfügung: Das Befahren der Isar ist nun von der Tattenkofener Brücke in Geretsried

bis zur Dürnsteiner Brücke in Egling und weiter bis nach München verboten. Wer dagegen verstößt, kann bestraft werden – und muss zudem mögliche Rettungseinsätze bezahlen. So ein Verbot hat es vor zwei Jahren schon einmal gegeben. Auch damals führte die Isar Hochwasser.
Am Samstagabend hat das Polizeipräsidium Oberbayern Süd eine Gefahrenmitteilung herausgegeben. Das Betreten der Isar zwischen Geretsried an der Tattenkofener Brücke bis zum Stadtgebiet München sei lebensgefährlich. "Wegen der starken Regenfälle der letzten Tage und diversen Hinternissen, die sich knapp unter der Oberfläche befinden, besteht zur Zeit eine erheblich Gefahr bei der Befahrung der Isar", hieß es.
Die Einsatzkräfte positionierten sich auf Brücken und warnten Schlauchbootfahrer. Viele Ausflügler waren uneinsichtig, berichtet die Polizei. Eine Gruppe bestand etwa darauf, ihr Schlauchboot an der Marienbrücke ins Wasser zu lassen. Die Polizei sprach Platzverweise aus. „Manche haben uns sogar absichtlich getäuscht“, sagt Kreisbrandinspektor Christian Sydoriak. „200 Meter nach unserem Posten sind sie wieder ins Wasser. Das ist eben die konsumorientierte Ellenbogengesellschaft, die alles will, wann es ihnen gerade passt.“
Das Fahrverbot auf der Isar schreckte einige Personen auch am Sonntag nicht ab. Wieder waren Boote unterwegs. Die Polizei patrouillierte an Einstiegstellen. „Die Leute sind nicht boshaft, sie haben kein Gefühl“, sagt Hauptkommissar Wagner. „Ihnen fehlt das Einfühlungsvermögen.“ Andreas Spohn sagt, dass einige Bootfahrer sogar bewusst warten würden, bis die Isar Hochwasser hat. „Da macht’s dann am meisten Spaß. Das ist unverantwortlich.“
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Wasserwacht warnt vor Betreten der Isar
Schon gestern hatte die Wasserwacht in München von Schlauchbootfahrten auf der Isar abgeraten. „Appell an alle Schlauchbootfahrer - bitte fahrt nicht dieses Wochenende auf der Isar“, teilte die Ortsgruppe München-Mitte auf ihrer Facebook-Seite mit und warnte in dem Zusammenhang generell vor der Hochwassergefahr, die sich grundsätzlich nicht nur am Pegelstand ablesen lasse.
Hochwasser auf der Isar erkenne man auch daran, dass das Wasser braun und trüb sei, teilte die Gruppe mit. „Die Strömung fließt sehr schnell, Inseln sind überspült, Baumstämme treiben im Wasser.“
dor