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Wolfgang Sacher startet ein Comeback - das Ziel heißt Paris

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Von: Peter Borchers

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Wolfgang Sacher Radsport Paralympics
Da bin ich wieder: Vergangenen September wurde Wolfgang Sacher fast ohne Training bayerischer Vizemeister. Seitdem arbeitet er konsequent am Comeback. © Ralf Ruder

Nach einer Pause von acht Jahren will es Handicap-Radler Wolfgang Sacher noch einmal wissen. Er trainiert für die Paralympics 2024.

Wolfratshausen/Penzberg – „They never come back“, das eherne Gesetz des Schwergewichtsboxens, durchbrach als erster Floyd Patterson. Er holte sich 1960 gegen den Schweden Ingemar Johansson den verlorenen WM-Titel zurück. Dem US-Amerikaner folgten weitere. Muhammad Ali 1974 nach dem Ende seiner Sperre im legendären „Rumble in the Jungle“ gegen George Foreman. Oder letzterer nach zehn Jahren Boxpause, als er mit 45 Jahren Weltmeister Michael Moorer ausknockte. Ein Schwergewicht des Paracyclings will es nun ebenfalls wieder wissen: Wolfgang Sacher hat sich zum Rücktritt vom Rücktritt entschlossen. Sein Ziel sind die Paralympics 2024 in Paris. Vielleicht würde sich dort der Kreis schließen.

2008, bei den Spielen in Peking, hatte Sacher den kompletten Medaillensatz – Gold, Silber und Bronze – abgeräumt. Nach London 2012, wo es nicht mehr so gut lief, beendete er, 45 Jahre alt, seine Karriere. „Es hat mir damals gereicht nach acht intensiven Jahren, einer Schlüsselbeinfraktur und drei Armbrüchen“, sagt er heute. Kontakt zum Radsport hielt er weiterhin als Klubchef des RSC Wolfratshausen.

Wolfgang Sacher 2008 Radsport Paralympics
Höhepunkt der Karriere: Bei den Paralympics 2008 in Peking gewann Wolfgang Sacher einen kompletten Medaillensatz. © Imago Images

Dann zog der September 2020 ins Land, die Bayerische Meisterschaft stand an – und Michael Teuber frotzelte. Als langjähriger Weggefährte weiß der mittlerweile zum Landestrainer aufgerückte Tegernseer, wie er den Ehrgeiz des alten Kumpels wecken kann. „Michi hat so lange an mich hingeredet, bis ich nicht mehr anders konnte“, sagt Sacher. Also stieg der Penzberger nach acht Jahren Pause und mit zehn Kilo mehr auf den Rippen aufs Rennrad. Und das war noch nicht einmal das eigene: Sacher hatte nach dem Karriereende sein komplettes Material verkauft. Vom RSC-Kollegen Horst Schwanke, ein Radmarathon-Spezialist, lieh er sich die Zeitfahrmaschine, veränderte kaum etwas am Set-up, schraubte lediglich seinen eigenen Sattel drauf. „Aus dem Stegreif und ohne Training“ raste Sacher als Zweiter hinter Teuber ins Ziel – und schnupfte, „die letzten fünf Kilometer mit wackelndem Sattel“, sogar den aktuellen Straßenweltmeister: „Dem Steffen Warias habe ich 30 Sekunden aufbrennt.“ Danach war für ihn klar: „Ich pack’s noch einmal an.“

Seit Anfang des Jahres trainiert der 54-Jährige regelmäßig, kommt auf etwa zwölf Stunden pro Woche – entweder auf dem Ergometer im Keller oder draußen, sofern es das Wetter zulässt. „Gerade eben habe ich meine Radlhosen angezogen und wollte zwei Stunden treten. Du hast Glück, dass du mich erwischt“, sagt der Ex-Weltmeister vergnügt am Telefon. Sein Pekinger Kampfgewicht hat er mit auf 1,91 Meter verteilten 73 Kilogramm fast wieder erreicht.

Dass Sacher mit seinen Einschränkungen neu klassifiziert wurde, erleichtert das Comeback. In Peking fuhr und siegte er in der stärksten Klasse C5 gegen Konkurrenten, „die fast kein Handicap wie zum Beispiel ein steifes Sprunggelenk hatten. Im Vergleich zu denen war ich schwerstbehindert.“ Dem 54-Jährigen fehlen nach einem Starkstromunfall in seiner Jugend der linke Arm sowie alle Zehen des rechten Fußes. Die Zehen des linken sind versteift. Vor zwei Jahren riss er sich die Bizepssehne, „weil ich gemeint habe, eine 120 Kilo schwere Stoßstange alleine an einen Jeep hinschrauben zu müssen“. Alle diese Verletzungen finden nach einer Neuordnung der Handicap-Klassen durch den Internationalen Radsportverband UCI nun Berücksichtigung. Der Penzberger rutschte in die C3, trifft dort auf ähnlich eingeschränkte Widersacher.

Wer den Ehrgeiz Sachers kennt, weiß, dass er nicht als Radtourist nach Paris reisen, sondern im Straßenzeitfahren und auf den 3000 Metern auf der Bahn um die Medaillen mitkämpfen möchte. Chancen dazu sieht er, obwohl er dort mit dann 57 Jahren wohl der älteste Radsportler sein würde. „Es werden ein paar Mittvierziger starten, aber ich bin sicher die Ausnahme.“ Eine schon wieder sehr fitte Ausnahme: Gerade erst ist er von einem Teamlehrgang unter Coach Teuber aus Mallorca zurückgekehrt. Dort radelte er an der Seite des Rosenheimers Ludwig Stadler auf den Puig Major, den mit 1445 Meter höchsten Berg der Balearen-Insel. Bemerkenswert: Stadler ist mit 19 Jahren 35 Jahre jünger als sein Trainingspartner, doch die Computer bei beiden zeigten „300 Watt im Schnitt“ an. Einen ausgiebigen Leistungstest hatte Sacher bereits vor dem Mallorca-Trip absolviert. Wie ist der ausgefallen? „Sauguad“, sagt Sacher und lacht. „Offenbar merkt sich der Körper das einfach, wenn er viele Jahre Leistungssport gemacht hat.“

Die weitere Planung ist abhängig davon, was wegen der Corona-Pandemie möglich ist. Wenn es geht, will Sacher September einen Weltcup fahren. Gerne würde er im Juni mit seinem Spezl Erich Winkler, ihm fehlt ein Arm und ein Fuß, auch die Transalp in Angriff nehmen. „Das ist Krafttraining am Berg, eine super Vorbereitung.“ Schon während seiner ersten Karriere hatte er die binnen einer Woche zu fahrenden 9000 Höhenmeter siebenmal unter die Räder genommen. Auch das Rennen über die Alpen wäre für Wolfgang Sacher also ein Comeback.

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