Ein Festakt im Zeichen der Zeitzeugen

1945 richteten die Amerikaner im heutigen Waldram ein rein jüdisches Lager ein - Föhrenwald. Daran erinnerte am Sonntag ein emotionaler Festakt im Badehaus.
- Das DP Lager Föhrenwald war eines der größten in Europa
- Es existierte von 1945 bis 1957
- Ohne den Badehausverein wäre es wohl vergessen
Wolfratshausen – Als Esther Alexander-Ihme in den 1970er Jahren Waldram besuchte, machte sie eine ernüchternde Erfahrung: Man wollte ihre Geschichte nicht hören. „In dem Haus, in dem ich als Kind gewohnt hatte, hieß es nur: ,Wir sind selbst Heimatvertriebene, wir hatten ja nichts.‘ Es war bedauerlich, dass kein Interesse da war.“ Am Sonntag konnte man im Badehaus erleben, wie fundamental sich die Zeiten geändert haben: In Waldram, einst Föhrenwald, ist ein Erinnerungsort entstanden, der seinesgleichen sucht. Und auch die heute in Frankfurt lebende Zeitzeugin war beeindruckt, wie sie auf der Bühne im Gespräch mit Emanuel Rüff sagte: „Ich bin unglaublich froh über das, was hier entstanden ist.“

Die Zeitzeugen, die vom Leben im jüdischen Lager zwischen den Jahren 1945 und 1957 erzählen können, sind essenziell wichtig für das Badehausprojekt. Deshalb standen sie am Sonntag im Zentrum des Festakts anlässlich von „75 Jahre DP Lager Föhrenwald“ . Der Film von Sebastian d’Huc „Von Zeit und Hoffnung“ ließ Ex-Föhrenwalder aus aller Welt zu Wort kommen, zu denen junge Mitarbeiter via Zoom Kontakt aufgenommen hatten. Es waren die kleinen Details – etwa der Geschmack der Erdbeeren an der Isar oder eingeworfene Fenster im heutigen Badehaus – die die damalige Zeit wieder lebendig werden ließen.
Die israelische Konsulin zu Gast
Fotografin Justine Bittner sprach über die – extrem eindringlichen – Porträts, die sie bei der Eröffnung des Badehauses vor zwei Jahren eher spontan gemacht hat und die die Besucher danach betrachten konnten. Und Esther Alexander-Ihme berichtete aus ihrem Leben in Föhrenwald, das insofern besonders war, als ihre Mutter keine Jüdin, sondern Katholikin gewesen ist. Davon gab es einige. „Am Sabbat hat sie mit anderen Christinnen immer am Rande des Lagers geraucht.“
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Dass Erinnerung kein Selbstzweck ist, sondern Orientierung für die Zukunft geben soll, betonte die israelische Generalkonsulin Sandra Simovich. Sie zeigte sich alarmiert über den derzeit grassierenden Völker- und speziell Judenhass. „Es ist offensichtlich, dass die gegenwärtige Krise die antisemitischen Klischees verstärkt“, sagte sie. Insofern sei ein Ort wie das Badehaus eminent wichtig. Die Vorsitzende des Badehausvereins, Dr. Sybille Krafft, rief in Erinnerung, was in Waldram eigentlich entstanden ist, nämlich „eine große Familie, über Ländergrenzen und religiöse Grenzen hinweg“. Sie dankte dem Wolfratshauser Stadtrat ausdrücklich für die regelmäßige Zuwendung und appellierte an die anwesenden Politiker – Ex-Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber, Landrat Josef Niedermaier, die Landtagsmitglieder Florian Streibl (Freie Wähler) und Hans Urban (Grüne) –, die Zukunft des Badehauses zu sichern. „Vielleicht finden wir einen gemeinsamen Weg in die Zukunft.“
Die Ehrenamtlichen brauchen kontinuierlich Geld
Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler), zuständig für Erinnerungskultur und zum ersten Mal Gast im Badehaus, war des Lobes voll. „Wenn sich Ehrenamt mit so hoher Professionalität verbindet, ist das ein Glücksfall.“ Auch er betonte, wie wichtig die Berichte von Zeitzeugen sind. „Aus der Schule wissen wir, dass ihre Berichte der jungen Generation die Vergangenheit aufschließen können.“ Weil er nicht nur „warme Worte mitbringen“ wollte, kam er auch auf das Thema Geld zu sprechen. „Wenn es wieder ein Projekt gibt, werden wir uns im Kultusministerium Gedanken machen, was haushaltstechnisch darstellbar ist.“
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Dass das reicht, darf bezweifelt werden. Vereins-Vize Jonathan Coenen (23) als Vertreter der jungen Generation richtete zum Abschluss einen flammenden Appell an die Politik. „Wir kommen an unsere Grenzen“, sagte er. Jede Führung, jeder Kassendienst, jeden Förderantrag müssen die 30 Ehrenamtlichen in ihrer Freizeit stemmen. „Wir brauchen eine dauerhafte finanzielle Förderung“, sagte er. Es klang wie ein Hilferuf. Ob er gehört wird?