So erlebte Dr. Gabriele Stauner ihre Zeit als Hostess

Dr. Gabriele Stauner war eine von 1500 Hostessen, die prominente Gäste betreute. Ihre besondere Qualifikation: Sie sprach Englisch, Französisch und Russisch.
Wolfratshausen/Eurasburg – Ganz schön kurz waren sie, dafür aber hochgeschlossen: die weiß-blauen Dirndl, die für die Hostessen der Olympischen Sommerspiele 1972 in München entworfen wurden. Eine blaue Jacke, eine Bluse und Strümpfe in Weiß komplettierten das Outfit der Frauen. Zweieinhalb Wochen trugen sie es von morgens bis abends. Immerhin habe es zwei Garnituren gegeben, erzählt die gebürtige Wolfratshauserin Dr. Gabriele Stauner. Sie war eine von rund 1500 Olympia-Betreuerinnen. Eine andere war bekanntlich Silvia Sommerlath, die heutige Königin von Schweden.
Eine Kollegin von Silvia Sommerlath
Ausgewählt wurde Gabriele Stauner aus der großen Zahl der Bewerberinnen aufgrund ihrer „besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten“, wie es in der Zusage heißt. Die junge Frau konnte ein Dolmetscherdiplom für Englisch, Französisch und Russisch vorweisen. Bereits im Herbst 1971 begannen die Vorbereitungen auf das Großereignis mit einer Fernschulung, Arbeitsheften und Testbögen.

Ernst wurde es einige Tage vor Beginn der Spiele, als die Schulungszeit in München startete. „Wir waren in einem Studentenwohnheim untergebracht“, erinnert sich Stauner, die heute in Eurasburg wohnt. Im Gedächtnis geblieben ist ihr ein Buch, das sie allerdings nicht mehr hat, mit vielen sportlichen Fachausdrücken, die auf Deutsch, Englisch, Französisch und Russisch angegeben waren und die die Hostessen beherrschen sollten. Vergütet wurde die Vorbereitungszeit mit 200 D-Mark wöchentlich, die Einsatzzeit mit 250 D-Mark pro Woche.
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Zur Eröffnungsfeier am 26. August 1972 standen die Hostessen in ihren Dirndl aufgereiht am oberen Rand der Sitzreihen im Olympiastadion. „Wie wir da alle so gestanden haben, das hat wirklich schön ausgeschaut“, sagt sie beim Blick ins Fotoalbum. Die folgenden vier Wochen war Stauner hauptsächlich im Hotel „Vier Jahreszeiten“ im Einsatz, um prominente Gäste wie IOC-Präsident Avery Brundage und König Konstantin von Griechenland sowie zahlreiche IOC-Mitglieder aus aller Welt zu betreuen. Zusammen mit einem Fahrer ging’s im Dienstauto zu den Sportstätten und offiziellen Terminen.
Bei Boxkämpfen floss richtig Blut
Aufregend sei die Eröffnung des Kanu-Slaloms in Augsburg gewesen, sagt Stauner. Die damals 24-Jährige musste vor Publikum dolmetschen und hatte keinen Text, weil frei gesprochen wurde. Die Gäste, die sie während der Olympiade begleitete, seien sehr nett gewesen, erinnert sich die ehemalige Abgeordnete im Europaparlament. Als unangenehm empfand sie nur die Termine mit einem Afrikaner, den sie zu Boxkämpfen brachte. „Das lag aber nicht an ihm“, betont Stauner. Vielmehr seien es die Umstände gewesen, unter denen die Kämpfe damals ausgetragen wurden, da sei schon Blut geflossen. „Einen Kopfschutz gab es damals nicht.“

Trotz ihrer Aufgaben blieb der Hostess genügend Zeit, die Wettkämpfe zu verfolgen. „Als Deutschland an einem Tag drei Goldmedaillen gewonnen hat, war ich im Stadion“, erinnert sich die Eurasburgerin. Hildegard Falck, Bernd Kannenberg und Klaus Wolfermann waren die Besten in ihren Disziplinen. Das Publikum sei aus dem Häuschen gewesen. Der US-Amerikaner Mark Spitz war mit sieben Weltrekorden und sieben Goldmedaillen der Superstar der Spiele – und Mädchenschwarm, so Stauner mit einem Augenzwinkern. Leider habe es sich nicht ergeben, ihn zu treffen. Auch ihre Russisch-Kenntnisse konnte die Dolmetscherin nicht einbringen. „Die Russen waren sehr abgeschottet“, bedauert die 74-Jährige.
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Die Atmosphäre während der Sommerspiele sei toll gewesen, sehr offen und freundschaftlich, erinnert sich Stauner. Mit dem Attentat schlug die Stimmung um. „Das war einfach furchtbar.“ Man habe nicht gewusst, wie es mit den Spielen weitergeht. Sie wurden fortgesetzt – in den Augen von Stauner die richtige Entscheidung. Die Hostess nahm an der Trauerfeier für die Opfer teil. Sie sei sehr würdig und bewegend gewesen.
Während ihrer Studienzeit in München – Stauner ist promovierte Juristin – lebte sie übrigens in einem Bungalow im Olympischen Dorf. Gern joggte sie am Olympia-Park entlang. „Ich bin dem schon sehr verhaftet gewesen“, sagt sie mit Blick auf die Olympia-Sportstätten und das, was daraus hervorgegangen ist.
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Das Olympia-Dirndl – Größe 34 – ist eine schöne Erinnerung an diese aufregende Zeit. Leider könne sie es nicht mehr anziehen, sagt Stauner. Aber ihre Tochter Katharina (34) trägt es – wie zuletzt beim gemeinsamen Besuch der Ausstellung „50 Jahre Olympiapark München“.
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