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Reichsbürger bereut Angriff auf SEK-Mann: „Habe mich von einer Art Sekte beeinflussen lassen“

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Von: Peter Herrmann

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Beamte eines Spezialeinsatzkommandos der Polizei
Beamte eines Spezialeinsatzkommandos der Polizei nahmen den Wolfratshauser, den die Behörden der Reichsbürgerszene zuordnen, im Sommer 2022 in Geretsried fest. © Symbolfoto/Marius Becker/dpa

Ein Wolfratshauser, den die Behörden als Reichsbürger einstufen, wehrte sich bei seiner Festnahme durch ein Spezialeinsatzkommando der Polizei vehement. Nun bereut er die Tat, was ihn nicht vor einer hohen Strafe schützt.

Wolfratshausen – Die Szenerie trug Züge eines Actionfilms: Wegen eines bestehenden Haftbefehls aufgrund eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz nahmen mehrere Polizisten vor dem Amtsgericht einen von den Behörden als Reichsbürger eingestuften Wolfratshauser in Empfang. Die Beamten legten dem Mann noch vor dem Beginn der Verhandlung Handschellen an. Zur Last legte ihm die Staatsanwaltschaft weitere Straftaten.

Reichsbürger wehrt sich gegen Festnahme – SEK-Beamter verletzt - „Großes Kino“ bei Gerichtsverhandlung

Im August vergangenen Jahres hatte sich der 49-Jährige gegen 15.30 Uhr laut Anklageschrift auf einem Geretsrieder Parkplatz mit Gewalt gegen die Festnahme durch ein Spezialeinsatzkommando (SEK) gewehrt. Bei der Auseinandersetzung brach sich ein Polizist die Hand. Wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte sowie Körperverletzung verurteilte das Amtsgericht den mutmaßlichen Reichsbürger deshalb zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten auf Bewährung. Als Auflage muss er 5000 Euro an die Polizeigewerkschaft zahlen. Die Bewährungszeit beträgt drei Jahre.

„Wir mussten hier großes Kino auffahren. Das kennt man bei uns so nicht, vielleicht in Berlin oder anderswo“, stellte Richter Helmut Berger angesichts des großen Polizeiaufgebots fest. Mehrmals bat Rechtsanwalt Burkhard Pappers während der knapp zweistündigen Verhandlung darum, dass einer der Polizisten die laut Pappers zu eng angelegten Handschellen seines Mandanten lockert.

Ich habe mich von einer Art Sekte beeinflussen lassen. 

Der Angeklagte in der Verhandlung vor dem Amtsgericht

Denn der Angeklagte entschuldigte sich für seine Vergehen und gab sich geläutert. „Ich habe mich von einer Art Sekte beeinflussen lassen“, umschrieb der kräftig gebaute Mann seinen Kontakt zur Reichsbürgerszene. Er habe „fragwürdige Websites“ im Internet angeklickt und sich von den Inhalten infizieren lassen – aber sich von einer verfassungsfeindlichen Weltanschauung mittlerweile verabschiedet.

Das war im Sommer des Vorjahres laut Anklageschrift noch ganz anders. Damals bestanden zwei offene Haftbefehle – aufgrund nicht bezahlter Geldstrafen wegen Beleidigung beziehungsweise Hausfriedensbruch – gegen den Wolfratshauser, die nach einer vorangegangenen Observation am 18. August 2022 vollstreckt werden sollten. Sprich: Der 49-Jährige sollte festgenommen werden.

Polizei findet bei Durchsuchung Cannabis, ein Kampfmesser und ein Metzgerbeil

„Ein Zugriff in seiner Wohnung hätte aufgrund seiner Kontakte zur Reichsbürgerszene ein hohes Gefahrenpotenzial bedeutet“, erklärte ein Polizeibeamter vor Gericht. Deshalb verfolgte das SEK das Zielobjekt bis zu einem Parkplatz an der Geretsrieder Jeschkenstraße. Als der Mann aus einem Getränkemarkt kommend in sein Fahrzeug eingestiegen war, umzingelte ihn blitzschnell das schwer bewaffnete Spezialkommando.

„Er zeigte keine Reaktion und saß zunächst regungslos im Auto“, berichtete einer der Beamten, der an dem Einsatz beteiligt war. Man habe versucht, den Wolfratshauser dazu zu bewegen, sein Fahrzeug freiwillig zu verlassen. Ohne Erfolg. Schließlich hätten die Beamten durchgegriffen, der 49-Jährige hätte sich jedoch vehement gewehrt, bei dem Gerangel brach sich einer der Polizisten eine Hand. Erst der Einsatz einer Elektroschockwaffe (Taser) habe den Mann zur Räson gebracht, auch der Wolfratshauser trug bei seiner Überwältigung Blessuren davon.

Zwölf Vorstrafen wirken sich strafverschärfend für Wolfratshauser aus

„Das war ein absoluter Ausnahmefall“, erklärte der SEK-Beamte dem Amtsrichter. Unmittelbar nach der Festnahme habe der Mann erklärt, „dass die Polizei in diesem Land überhaupt keine Rechte habe und die Bundesrepublik Deutschland nicht existiere“. Eine krude Rechtsauffassung, die in Reichsbürger- und Verschwörungstheoretikerkreisen kursiert. Bei der Durchsuchung des Wagens des Wolfratshausers fand die Polizei eine geringe Menge Cannabis sowie ein Kampfmesser und ein Metzgerbeil. Erschwerend kam hinzu, dass der Angeklagte ohne gültige Fahrerlaubnis unterwegs war.

„Ich möchte so eine Festnahme nie wieder erleben“, so der einsichtige Straftäter rückblickend. Seine Lebensgefährtin zahlte kurz vor Verhandlungsbeginn knapp 5000 Euro, um den mittlerweile dritten Haftbefehl aus der Welt zu schaffen. Dieser Geldbetrag war dem Angeklagten in dem vorhergehenden Strafbescheid wegen eines Betäubungsmittel-Vergehens auferlegt worden. „Hätte die Frau nicht gezahlt, wäre eine zusätzliche Ersatzfreiheitsstrafe verhängt worden“, erklärte Rechtsanwalt Pappers auf Nachfrage unserer Zeitung.

Amtsrichter Helmut Berger bildet Gesamtstrafe

Dennoch wirkten sich die insgesamt zwölf Vorstrafen – darunter Körperverletzung, Besitz illegaler Betäubungsmittel, Computerbetrug und Hausfriedensbruch – strafverschärfend aus. Da zudem noch eine Geldstrafe wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis offen war, bildete Richter Helmut Berger eine Gesamtstrafe. Er ließ den Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte sowie die Körperverletzung in das Urteil mit einfließen. (ph)

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