Politiker sind entsetzt: Tschechischer Investor plant großen Güterterminal am Tanklager Krailling

Eine neuer, großer Verladebahnhof am Tanklager Krailling soll Güter der A 96 auf die Schiene bringen. Politiker finden das Vorhaben überdimensioniert.
Krailling – Im Großtanklager im Kreuzlinger Forst lagern Mineralölhändler Kraftstoffe in unterirdischen Tanks ein. Sie werden mit dem Zug angeliefert und danach von Lkw abgeholt. Konkrete Zahlen finden sich auf der Homepage: Auf dem 252 Hektar großen Gelände befinden sich 32 unterirdische Tanks mit einem Fassungsvermögen von je 125 000 Kubikmetern. Für die ein- und ausfahrenden Züge stehen 14 Kilometer Gleisanlagen und drei Bahnhöfe zur Verfügung. Das Gelände wurde einst in der NS-Zeit zur Vorbereitung auf den Zweiten Weltkrieg gebaut, danach gehörte es der Bundesrepublik Deutschland, inzwischen ist es in der Hand von G1 Krailling Real Estate. Soweit die Ausgangslage.
Das Fernziel: Eine Verbindung zum Brenner-Basistunnel
Seit einiger Zeit trägt sich der Eigentümer mit Überlegungen, das Gelände weiterzuentwickeln. Die Ideen reichen von Eisspeicherheizungen über Windräder bis zu einem Ökoenergiepark. Die aktuellen Überlegungen weisen nun aber eine ganz andere Dimension auf. Geplant ist, auf dem Areal einen großen Verladebahnhof zu errichten: Güter von der nahen A 96, möglicherweise abgeleitet über eine neue Autobahnausfahrt, sollen in Krailling auf die Schiene gebracht werden. Auf diese Weise könnten – so erste Schätzungen – täglich rund 150 Lkw von oberbayerischen Straßen geholt werden. Das Ziel: Anschluss an der Brenner-Basistunnel, der ab 2032 Deutschland und Italien unterirdisch verbinden soll. Als Investor für Krailling tritt die tschechische Firma Metrans auf.

Nach Informationen des Starnberger Merkur fand Ende September vergangenen Jahres ein Ortstermin im Tanklager statt. Es waren alle eingeladen, die von der Sache betroffen sind, Bürgermeister, Landtags- und Bundestagsabgeordnete, die Regierung von Oberbayern, Vertreter der staatlichen Ämter. In erster Linie ging es darum, der hochrangigen Runde den geplanten Gleisanschluss nach Gauting-Stockdorf plausibel zu machen. In der Nazizeit gab es diese Querverbindung bereits, doch die Gleise wurden bombardiert und existieren seither nur noch in Restspuren. Jetzt soll sie reaktiviert werden. Es geht um drei Kilometer quer durch den Bannwald.
Der Investor sieht einen wichtigen Schritt zur Verkehrswende
Es wurde auch über die Alternative diskutiert, das Gleis Richtung Freiham intensiver zu nutzen. Angeblich trägt sich der Eigentümer mit dem Gedanken, die Trasse um einige hundert Meter nach Osten zu verlagern, um den Lärm für Germering, speziell Harthaus, in Grenzen zu halten. Ob das möglich ist, ist jedoch völlig ungewiss. Es steht außerdem die Idee im Raum, sowohl eine Trasse nach Gauting zu bauen als auch das Gleis nach Freiham stärker in Anspruch zu nehmen.
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Der Investor dementiert die Planungen nicht: „Derzeit prüft die Metrans Gruppe als Tochterunternehmen der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) in enger Abstimmung mit der Eigentümergesellschaft des Tanklagers G1 Krailling Real Estate und der Betreibergesellschaft Krailling Oils die Möglichkeiten einer Entwicklung“, erklärt ein Sprecher. Das Projekt befinde sich in einem frühen Stadium, für eine Einschätzung bedürfe es einer verlässlichen Datengrundlage. Diese liege im Lauf der nächsten Monate vor. Einen Zeitrahmen oder eine Investitionssumme zu nennen, sei im Moment nicht seriös. Zur Motivation für das Riesenprojekt heißt es: „Wir sind der Überzeugung, dass eine Verlagerung des Straßen-Güterverkehrs auf die Schiene ein maßgeblicher Baustein im Sinne des Klimaschutzes und der Mobilitätswende ist.“
Die Politik ist erschrocken von der Wucht des Projekts
Landrat Stefan Frey (CSU) kann kaum glauben, was da geplant ist. „Das passt in dieser Dimension und Wucht überhaupt nicht in unsere Gegend“, sagt er. Vor dem Bau einer Trasse in Richtung Gauting warnt er. „Da ist der Protest doch programmiert. Der Hambacher Forst lässt grüßen.“ Ein Verladebahnhof von dieser Dimension soll seiner Ansicht nach dahin, wo die Infrastruktur bereits vorhanden ist – nämlich in der Landeshauptstadt München. „Aber doch nicht bei uns, in unserer wunderbaren Natur.“
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Frey misstraut auch den Vorhabensträgern. „Wir wissen gar nicht genau, wer konkret unser Ansprechpartner ist“, sagt er. „Krailling Oils? Metrans? Der Hamburger Hafen? Oder sonst jemand? Das ist alles sehr intransparent.“ Die Sorge, die ihn umtreibt: „Im schlimmsten Fall werden wir als Landkreis beim Genehmigungsverfahren nur Zaungäste sein.“ Tatsächlich wird bei Projekten dieser Größe ein Planfeststellungsverfahren eingeleitet, Landkreis und Gemeinden können nur ihre Einwände vorbringen. Die Entscheidung liegt schlussendlich bei der Regierung von Oberbayern, der noch nichts vorliegt. „Es war ein Fehler, dass der Bund seinerzeit das Gelände verkauft hat“, sagt Frey. „Jetzt ist es ein Spekulationsobjekt.“
Gauting und Germering wären am meisten betroffen
Hochgradig alarmiert sind auch die Bürgermeister der am meisten betroffenen Kommunen, Germering und Gauting. Germerings OB Andreas Haas (CSU) lehnt die Pläne von Krailling Oils rundweg ab. Er hat in nicht öffentlicher Sitzung auch den Stadtrat bereits darüber informiert, der die Pläne ebenfalls einhellig zurückweist. „Das hat keinerlei Mehrwert für Germering. Es ginge nur zu unseren Lasten“, sagt Haas. Alleine die Anbindung über die bestehenden Gleise, die an Harthaus entlang zur S-Bahnlinie führen, rechtfertigten eine Ablehnung. Er habe schon beim Ortstermin nachgefragt, wann die Züge denn fahren sollten. Möglich sei das ja nur nachts, wenn keine S-Bahnen verkehren. Stutzig sei er vor allem geworden, als er erfahren hat, dass als Investor nicht Krailling Oils, sondern das tschechische Unternehmen Metrans auftrete. „Ich glaube, dass in den vergangenen Jahren immer eine Salamitaktik gefahren wurde. Die wahren Hintergründe sind verschwiegen worden.“
Der Verkehr würde das ganze Würmtal betreffen
Die Gautinger Bürgermeisterin Dr. Brigitte Kössinger (CSU) will sich nicht ausmalen, was passiert, wenn in Gauting plötzlich drei Kilometer Wald gerodet werden, um Platz für Gleise zu schaffen. „Die Proteste kann man sich vorstellen.“ Sollten die aktuellen Pläne tatsächlich eines Tages Wirklichkeit werden, bedeute das für ihre Bürger eine Vervielfachung von Lärm und Dreck, zumal die Bebauung sehr eng sei. Das Problem, das da buchstäblich auf Gauting zurolle, werde das ganze Würmtal betreffen: „Das zieht sich rauf bis nach Pasing“, sagt Kössinger. Auch, dass ausgerechnet ein ausländischer Investor die Hand auf deutsche Infrastruktur hat, missfällt ihr. „Das sollten wir doch seit dem Ukraine-Krieg besser wissen.“
Das sagt das Bayerische Verkehrsministerium
„Der kombinierte Verkehr ist ein Rückgrat des Güterverkehrs und liegt dem Freistaat sehr am Herzen. Gerade im wirtschaftlich so bedeutsamen Großraum München braucht es auch weitere Verladeterminals. Deswegen ist einerseits das Engagement des Investors zu begrüßen. Andererseits sind die Bedenken der Landräte und Bürgermeister nicht von der Hand zu weisen. Das Ministerium ermutigt den Investor, mit allen Beteiligten vor Ort intensive Gespräche zu führen, dort die Ziele des Vorhabens, den aktuellen Planungsstand und die Auswirkungen auf die Bürgerinnen und Bürger vor Ort zu erörtern und offen zu diskutieren.“
Eine etwas abweichende Meinung vertritt Kraillings Bürgermeister Rudolph Haux (FDP). Der Gemeinderat habe sich für einen Öko-Energiepark mit Windrädern und Wasserstoffproduktion auf dem Gelände des Tanklagers ausgesprochen. Ein Verladebahnhof würde damit nicht kollidieren. „Wir als Gemeinde haben natürlich Interesse daran, dass es Krailling Oils wirtschaftlich gut geht, schließlich zahlen sie Gewerbesteuer“, sagt Haux. Einfluss werde die Gemeinde auf das Genehmigungsverfahren nur sehr begrenzt nehmen können. „Wir haben da keine Planungshoheit.“ Haux ist sicher, dass sich das Verfahren noch lange hinziehen wird. „Ich gehe von zehn Jahren aus.“ Allerdings weist er darauf hin, dass es bald Möglichkeiten geben wird, strategisch wichtige Projekte zu beschleunigen. Auch dieses? „Da fehlt mir der Erfahrungshorizont.“
Eine eindeutige E-Mail der Politik
Im Januar dieses Jahres haben Krailling Oils und Metrans eine E-Mail bekommen, unterzeichnet von einer ganzen Reihe von Politikern. Sie zeichnet ein klares Stimmungsbild, und zwar klar gegen den Verladebahnhof. Michael Kießling (Bundestagsabgeordneter Wahlkreis Starnberg-Landsberg-Germering, CSU), Dr. Ute Eiling-Hütig (Landtagsabgeordnete Stimmkreis Starnberg, CSU), Benjamin Miskowitsch (Landtagsabgeordneter Stimmkreis Fürstenfeldbruck-Ost, CSU), die Landräte Stefan Frey und Thomas Karmasin (Fürstenfeldbruck, CSU) sowie die Bürgermeister Kössinger und Haas baten Metrans und Krailling Oils ebenso einhellig wie dringend, von den Planungen Abstand zu nehmen. „Ein Verlade- und Güterterminal mit Auswirkungen auf die Stadt Germering und die Gemeinde Gauting können wir uns auf dem Gelände von Krailling Oils nicht vorstellen. Ein solches Vorhaben greift massiv in kommunale Belange ein. Es wäre mit einem erheblichen Anstieg von Verkehr auf der Schiene wie auch auf der Straße zu rechnen, untertags wie auch in der Nacht“, heißt es darin. Dann folgt der Zusatz: „Die betroffenen Kommunen lassen sich nun anwaltlich vertreten, um ihre Interessen zu wahren.“
Damit dürfte das letzte Wort wohl kaum gesprochen sein.