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USA vor Kulturkampf um Abtreibungen? Gericht könnte Frauen-Recht kippen – Konservative frohlocken

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Von: Anna-Katharina Ahnefeld

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Der Supreme Court könnte das bisherige Recht auf Abtreibung zu Fall bringen. Der US-Bundesstaat Oklahoma peitscht das „Herzschlag“-Gesetz durch.

Washington, D.C. – „My body, my choice“ ist ein feministischer Slogan, der das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper verteidigt. In den USA könnte dieses nun durch ein drohendes Abtreibungsurteil in seinen Fundamenten verändert werden. Die US-Zeitung Politico veröffentlichte am Montag einen durchgestochenen Urteilsentwurf des Supreme Court, der das 1973 in dem Grundsatzurteil „Roe v. Wade“ verankerte Grundrecht auf Schwangerschaftsabbrüche aufheben würde.

Während die Demokraten von Präsident Joe Biden scharfe Kritik übten, jubelten die konservativen Republikaner. Unterdessen sind in der erhitzten US-Abtreibungsdebatte tausende Menschen auf die Straße gegangen. Große Demonstration von Abtreibungsgegnern und -befürwortern gab es am Dienstag in Städten wie Washington, New York, Boston, Los Angeles und Seattle.

Abtreibungsrecht in den USA: Grundsatzurteil „Roe v. Wade“ in Gefahr – Gesetzesentwurf durchgestochen

In vielen Ländern haben Frauen bis heute kein Recht auf Selbstbestimmung über ihren eigenen Körper. Um Beispiele zu finden, muss man den Blick nicht besonders weit schweifen lassen. Erst 2020 wurde im EU-Mitgliedsstaat Polen ein restriktives Abtreibungsgesetz eingeführt, dass Abtreibungen nur noch erlaubt, wenn das Leben der Schwangeren in Gefahr ist oder die Schwangerschaft durch eine Vergewaltigung entstanden ist. Auch in Deutschland ist eine Abreibung durch Paragraph 218 StGB erstmal gesetzeswidrig – und nur nach einem verpflichtenden Beratungsgespräch erlaubt.

Die Uhr in den USA könnte mit der Gesetzesänderung nun schlagartig um 50 Jahre zurückgedreht werden. Denn sollte der Supreme Court, an dem das konservative Lager seit der Amtszeit von Präsident Donald Trump eine Mehrheit stellt, „Roe v. Wade“ tatsächlich kippen, können Bundesstaaten Abtreibungen verbieten oder den Zugang massiv einschränken. Rund die Hälfte der 50 Bundesstaaten plant ein solches Vorgehen. Eine Entscheidung des Supreme Court wird für Juni erwartet.

In dem von Politico veröffentlichen Urteilsentwurf bezeichnet der konservative Richter Samuel Alito „Roe v. Wade“ als „von Anfang an ungeheuerlich falsch“. Dieses Recht sei „nicht tief in der Geschichte und den Traditionen der Nation verwurzelt“. „Roe v. Wade“ und „Casey“ müssten deswegen „aufgehoben“ und „die Frage der Abtreibung an die gewählten Volksvertreter zurückgegeben“ werden.

Mit „Roe v. Wade“ hatte der Supreme Court 1973 ein Grundrecht auf Abtreibungen verankert. 1992 bestätigte der Gerichtshof dies in seinem Urteil „Planned Parenthood v. Casey“. Als Richtlinie gilt, dass Schwangerschaftsabbrüche so lange erlaubt sind, bis der Fötus außerhalb des Mutterleibs lebensfähig wäre. Das ist in der Regel etwa ab der 24. Schwangerschaftswoche der Fall.

„Roe v. Wade“: US-Präsident Biden appelliert an Supreme Court – demokratische Spitze schockiert

Gerichtspräsident John Roberts bestätigte am Dienstag die Echtheit des öffentlich gewordenen Dokuments. Er betonte zugleich, es handle sich noch nicht um die endgültige Entscheidung. Roberts kündigte zugleich Ermittlungen dazu an, wer den Urteilsentwurf an die Presse weitergab. Der konservative Verfassungsrichter verurteilte einen „einmaligen und ungeheuerlichen Vertrauensbruch“.

Der demokratische US-Präsident Joe Biden appellierte an den Supreme Court, „Roe v. Wade“ nicht aufzuheben. „Ich glaube, dass Frauen ein Grundrecht auf Abtreibungen haben“, erklärte er. „Roe v. Wade“ sei schon seit fast 50 Jahren in Kraft, und „grundlegende Fairness und die Stabilität unseres Rechts verlangen, dass es nicht aufgehoben wird“. Biden warnte zudem, bei einem Aus für „Roe v. Wade“ wären auch zahlreiche andere Themen wie die gleichgeschlechtliche Ehe und die Frage, „wie man sein Kind erzieht“, in Gefahr. Die Spitzen der Demokraten im Kongress, Nancy Pelosi und Chuck Schumer, erklärten, die Abschaffung des Abtreibungsrechts wäre „eine der schlimmsten und schädlichsten Entscheidungen in der modernen Geschichte“.

Auch deutsche Spitzenpolitikerinnen und -politiker zeigten sich schockiert. Grünen-Bundesvorsitzende Ricarda Lang twitterte: „Es ist so krass, dass Frauen seit Jahrzehnten, immer und immer wieder für etwas so Selbstverständliches kämpfen müssen, wie selbst zu entscheiden, ob sie Kinder bekommen oder nicht.“ In den sozialen Netzwerken ging ein Zitat der 2020 verstorbenen Supreme-Court-Richterin Ruth Bader Ginsburg viral:

Reaktion der Republikaner – „Herzschlag-Gesetz“ gegen Abtreibungen in Oklahoma unterzeichnet

Republikaner, wie etwa Hardlinerin Marjorie Taylor Green, frohlockten hingegen: „Das ist die beste und wichtigste Nachricht unseres Lebens“, kommentierte sie Abgeordnete. Der Senator Josh Hawley forderte den Gerichtshof auf, die endgültige Entscheidung „jetzt“ zu veröffentlichen.

Menschen versammeln sich am frühen Dienstag, 3. Mai 2022, vor dem Obersten Gerichtshof. Der oberste US-Gerichtshof tendiert offenbar dazu, sein Grundsatzurteil zu Abtreibungen von 1973 zu kippen. Das geht aus einem im Gericht kursierenden Entwurf vor, der dem Magazin „Politico“ vorliegt.
Menschen versammeln sich am frühen Dienstag, 3. Mai 2022, vor dem Obersten Gerichtshof. Der oberste US-Gerichtshof tendiert offenbar dazu, sein Grundsatzurteil zu Abtreibungen von 1973 zu kippen. Das geht aus einem im Gericht kursierenden Entwurf vor, der dem Magazin „Politico“ vorliegt. © Alex Brandon/dpa

Inmitten der hitzigen Debatte hat der Gouverneur von Oklahoma bereits eines der restriktivsten Abtreibungsgesetze der USA unterzeichnet. Er wolle, dass sein Bundesstaat der am stärksten um den Erhalt ungeborenen Lebens kämpfende Staat der USA sei, erklärte Gouverneur Kevin Stitt am Dienstag (Ortszeit) auf Twitter. Er repräsentiere vier Millionen Einwohner, „die mit überwältigender Mehrheit die Ungeborenen beschützen wollen“. Das Gesetz verbietet Abtreibungen ab ungefähr der siebten Schwangerschaftswoche. Ausnahmen sind möglich, jedoch nicht im Falle von Vergewaltigungen oder Inzest. Stitts Unterzeichnung erfolgte nur wenige Stunden nach dem Bekanntwerden des durchgestochenen Urteilsentwurfs des Supreme Courts. (aka mit Material aus AFP)

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