AfD verspricht „Fakten statt Fake News“ - doch macht in groß angekündigter Studie Fehler
„Alternative Fakten“ wurde zum Unwort des Jahres 2017 gewählt. Experten sagen: Fake News und Verschwörungstheorien haben Hochkonjunktur. Die AfD hat nun eine umstrittene Faktensammlung veröffentlicht.
Berlin - Die hessische AfD-Landtagsfraktion hat diese Woche eine 128-seitige Datensammlung mit dem Titel „Wie es wirklich um Deutschland steht - Fakten statt Fake News“ erstellt. Vorgestellt wurde das Papier vom Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktion, Frank Grobe.
Doch auch der AfD-Bundesvorsitzende Jörg Meuthen bekundete seine Unterstützung für die „Studie“. Er sagte, seine Partei wolle nachprüfbare Fakten für die politische Debatte liefern. Allerdings halten manche zentrale Schlussfolgerungen, die von der AfD gezogen wurden, einer Überprüfung nicht stand. Einige Beispiele:
AfD zum Thema Klima: China stößt zwar mehr CO2 aus - Aber die Pro-Kopf-Statistik spricht nicht für Deutschland
Treibhausgase: Die AfD sagt, obwohl Deutschland 2018 die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt gewesen sei, habe es vergleichsweise wenig Treibhausgase ausgestoßen. Tatsächlich haben China, Indien und die USA mit mehr als 50 Prozent den weltweit höchsten Anteil an energiebedingten Emissionen von Kohlendioxid (CO2). Wissenschaftler machen das Gas für den Klimawandel mit verantwortlich. Mit insgesamt mehr als drei Milliarden Menschen leben in diesen drei Staaten allerdings auch rund 40 Prozent der Weltbevölkerung.
In einer Studie des britischen Mineralölkonzerns BP liegt Deutschland bei den Emissionen mit 2,1 Prozent 2018 weltweit auf Platz 6. Geht es um den CO2-Anteil pro Kopf, lag Deutschland aber laut Weltbank mit im Durchschnitt 8,9 Tonnen 2014 sogar vor China mit 7,5 Tonnen. Fakt ist auch: Kein anderes Land der Europäischen Union bläst annähernd so viel Kohlenstoffdioxid in die Atmosphäre wie Deutschland. In der EU folgen nach BP-Angaben mit großem Abstand Großbritannien (1,2 %), Italien und Polen (je 1,0 %).
AfD zum Thema Tuberkulose: Partei zitiert Daten des Robert-Koch-Instituts - ignoriert aber das finale Urteil
Tuberkulose: Die AfD behauptet, die Bevölkerung sei einem erheblichen Risiko ausgesetzt, an Tuberkulose zu erkranken. Dafür macht die Partei vor allem Flüchtlinge verantwortlich.
Die AfD zitiert Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI), aber nicht die Einschätzung der RKI-Experten. Die Zahl der Tuberkulose-Erkrankten in Deutschland sank bis 2012 und stieg dann auch durch den verstärkten Zuzug von Flüchtlingen an. Ein Teil der Asylsuchenden stammt aus Regionen, in denen die Tuberkulose weiter verbreitet ist als hierzulande.
Das RKI sieht jedoch ausdrücklich kein „erhebliches Gesundheitsrisiko“ für die Bevölkerung durch Tuberkulose bei Flüchtlingen, wie es von der AfD behauptet wird. Das Institut teilte im November 2015 mit, es gebe „keine relevante Infektionsgefährdung der Allgemeinbevölkerung durch Asylsuchende“. Diese Bewertung hielten die Experten auch im Januar 2018 aufrecht.
AfD zählt 102 Morde an Deutschen durch Zuwanderer - interpretiert dabei aber eine Zahl falsch
Morde: Die AfD behauptet, im Jahr 2018 seien 102 Deutsche von Zuwanderern ermordet wurden. Das ist falsch. Die Zahl der Ermordeten ist um ein Vielfaches niedriger. Laut BKA wurden zwar 102 Deutsche Opfer eines vollendeten Tötungsdeliktes. Darunter fallen aber nach Angaben der Behörde auch Menschen, die bei Taten verletzt wurden, in deren Verlauf es Todesopfer gab. Ein Großteil der 102 Personen sind demnach nicht Tote, sondern Verletzte.
Außerdem ist nicht jedes Tötungsdelikt ein Mord. Das BKA hat im Jahr 2018 bundesweit 21 Morde erfasst, bei denen mindestens ein Zuwanderer tatverdächtig war. Unter den Mordopfern sind allerdings auch mehrere Nichtdeutsche. Als Zuwanderer gelten Asylbewerber, anerkannte Flüchtlinge, Geduldete und Menschen, die sich unerlaubt in Deutschland aufhalten.
Zur Frage von Gewalt junger Flüchtlinge war Anfang 2018 auch eine kriminalwissenschaftliche Studie veröffentlicht worden.
Die Bundesregierung hat zuletzt einige selbstgesteckte Ziele in ihrem Klimaschutzgesetz abgeschwächt - das sorgt auch für Kritik in den eigenen Reihen. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte im Sommer neu eingereisten Migranten ein erhöhtes Gewaltpotenzial bescheinigt. Er reagierte damit auf die Attacken in Frankfurt und Stuttgart. Bei der Wahl zum „Unwort des Jahres“ 2019 nahm die Jury Bezug auf die Klimadebatte. Am 31. Januar 2020 verlässt Großbritannien die EU. Der „Brexit“ kam bei Teilen der AfD gut an - jetzt hofft man auf den „Dexit“. Die Immunität des AfD-Fraktionschefs Alexander Gauland wurde aufgehoben. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt gegen ihn.
dpa/fn