Als er jedoch auf dem Rollfeld auf die Starterlaubnis für den Rückflug wartete, bemerkte er, wie sich am Flughafen Panik ausbreitete. „Die Situation war nicht normal“, erinnerte er sich. „Immer mehr Menschen drängten sich in den Flughafen und es waren Schüsse zu hören.“
Dann traf er die wohl wichtigste Entscheidung seiner Pilotenkarriere: „Nachdem ich mir die Situation eine Stunde lang angesehen hatte, startete ich einfach“, erzählte er. Die Sicht war klar, nur so war es Barajni möglich, eine Kollision mit den Militärflugzeugen zu vermeiden. „Hätten wir uns nur ein paar Minuten später entschieden, wären wir nicht mehr rausgekommen“, sagte er. „Es war der letzte kommerzielle Flug an diesem Tag.“
Sein PIA-Kollege Uzair Khan war am selben Tag ebenfalls in Kabul gestartet. Er musste seine Fluggäste, unter ihnen viele Kabinettsmitglieder der abgesetzten afghanischen Regierung mit ihren Familien, beruhigen. „Sie flohen aus dem Land, zusammen mit ihren Familien und drängten uns dazu, so schnell wie möglich zu starten“, erzählte Khan. Die Anspannung fiel erst von ihnen ab, als das Flugzeug in Islamabad landete.
In den folgenden Tagen wurde die Lage in Kabul immer unübersichtlicher. Fotos eines britischen Transportflugzeugs zeigten Menschen, die zusammengedrängt am Boden der Maschine sitzen. Für den französischen Oberst Yannick Desbois, Kommandant der Militärbasis 104, gilt es in solchen Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren. „Man muss die Leistungsfähigkeit des Flugzeugs analysieren und darf dann nur so viele Menschen mitnehmen, wie das Flugzeug tragen kann“, sagte er.
Eine französische A400M hat Sitzplätze für 110 Passagiere, doch bei den Evakuierungsflügen wurden bis zu 235 Menschen an Bord genommen. „Es ist eine Frage des Gewichts“, sagte Desbois. Die Passagierzahlen seien zwar hoch, doch darunter seien auch viele leichte Kinder. Nach dem Start werde der Job der Piloten und Soldaten an Bord einfacher. „Die Menschen sind müde, der Druck fällt von ihnen ab“, sagte Desbois. „Meistens schlafen sie ein und wir können unseren Job machen“.
Die dramatische Fehleinschätzung der Lage in Afghanistan bringt trotz des Einsatzes der Piloten Tausende Ortskräfte in Gefahr, deren Ausreise aus dem Land immer unwahrscheinlicher wird. Nach Bombenanschlägen am Flughafen von Kabul ist etwa die Bundeswehr vollständig aus Afghanistan ausgereist. Von einer geglückten Mission kann aber kaum die Rede sein. (dpa)