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USA übergeben Taliban offenbar Namen von Ortskräften: „im Grunde auf die Todesliste gesetzt“

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Von: Andreas Schmid

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Kabul
Ein Taliban-Kämpfer steht an einem Kontrollpunkt in Kabul. Dort wurden auch die Namen von Ortskräften überprüft. Offenbar besitzen die radikalen Islamisten entsprechende Listen. © Rahmat Gul/AP/dpa

Die USA haben den Taliban offenbar die Namen von Ortskräften und Helfern übergeben. „Im Grunde haben sie sie einfach auf die Todesliste gesetzt“, wird ein Verteidigungsbeamter zitiert.

Kabul - Der Umgang mit den Ortskräften wirft immer mehr Fragen auf. Jene Menschen, die den Westen und damit auch die USA und Deutschland in den vergangenen Jahren unterstützt hatten, bitten nun um Hilfe. Nicht alle von ihnen konnten bereits aus Afghanistan gerettet werden. Etliche Ortskräfte harrten zuletzt am Flughafen Kabul aus, um einen der letzten Evakuierungsflieger zu ergattern. Am Donnerstag detonierten am Hamid Karzai International Airport zwei Sprengsätze. Was mit den Menschen, die sich nun noch immer in Kabul befinden, passiert, ist derzeit unklar. Die USA wollen offenbar mit den Taliban verhandeln – ein riskanter Plan?

Afghanistan: Berichte über Namensliste - müssen Ortskräfte jetzt um ihr Leben fürchten?

Die Vereinigten Staaten haben den Taliban offenbar eine Liste mit den Namen von Ortskräften sowie amerikanischen Staatsbürgern vor Ort und generellen Verbündeten übergeben. Das berichtet das US-amerikanische Magazin Politico. Wann genau die Übergabe erfolgte, ist unklar. Möglicherweise entschieden sich die USA schon vor einer Woche zu dem Schritt, um die Evakuierung bessere koordinieren zu können. In Washington hofft man dem Bericht zufolge darauf, dass die radikalen Islamisten kooperieren und die Ausreise der entsprechenden Personen unterstützen. Das hatten die Taliban zwar auch angekündigt, doch es gibt Zweifel, wie viel Wert man derartigen Aussagen beimessen könne – auch aus Deutschland.

Für die Ortskräfte hat die mutmaßliche Offenlegung ihrer Namen womöglich drastische Konsequenzen. Viele von ihnen hatten sich gerade wegen der Taliban für die Flucht entschieden. Menschen, die mit dem Westen und damit einem Gegner der Taliban zusammengearbeitet haben, droht Bestrafung. Es gibt bereits Berichte über öffentliche Hinrichtungen und Vergeltungsaktionen. Die Taliban suchen offenbar gezielt nach Kollaborateuren. Dabei könnten sie bisher von Dokumenten profitiert haben, die in den Botschaften zurückgelassen wurden. Einen entsprechenden Verdacht hegte zuletzt die Zeitung The Times.

Von deutscher Seite aus seien keine Listen mit Namen an die Taliban übergeben worden. Ein Sprecher des deutschen Außenministeriums sagte am Freitag, es seien noch etwa 300 Deutsche in Afghanistan. Deutschland habe insgesamt über 10.000 Afghanen als schutzwürdig identifiziert.

Afghanistan: USA hat wohl Namen an Taliban weitergegeben - „im Grunde auf die Todesliste gesetzt“

Die vermeintliche Übergabe der Namen sorgt daher für Kritik. Innerhalb von US-Militärkreisen soll es Befürchtungen geben, dass die USA damit das Leben der Helfer aufs Spiel setzt. „Im Grunde haben sie all diese Afghanen einfach auf die Todesliste gesetzt“, zitiert Politico einen nicht genannten Verteidigungsbeamten. „Das ist einfach entsetzlich und schockierend.“

Das US-Magazin konfrontierte das Weiße Haus mit den Vorwürfen. US-Präsident Joe Biden wollte die Weitergabe einer Liste weder bestätigen noch dementieren. Der Demokrat erklärte aber, dass die USA manchmal Namen an die Taliban weitergeben würden. „Es hat Fälle gegeben, in denen sich unser Militär mit den Taliban in Verbindung gesetzt und ihnen gesagt hat, dass zum Beispiel dieser Bus mit einer Anzahl von X Personen an Bord, die sich aus der folgenden Personengruppe zusammensetzt, durchkommen wird. Wir möchten, dass ihr diesen Bus oder diese Gruppe durchlasst“, meinte Biden auf einer Pressekonferenz. Die Taliban hatten die Zufahrt zum Flughafen kontrolliert.

Joe Biden, US-Präsident, trauert im Weißen Haus nach dem tödlichen Anschlag in Kabul.
Joe Biden, US-Präsident, trauert im Weißen Haus nach dem tödlichen Anschlag in Kabul. Der Demokrat kündigte Vergeltung an. © Evan Vucci/dpa

Afghanistan: Kritik an Biden - „Wir können den Taliban die Sicherheit der Amerikaner nicht anvertrauen“

Wie Politico berichtet, soll innerhalb der US-Regierung ein Streit darüber entbrannt sein, inwiefern Namen generell an die militant-islamistischen Taliban weitergegeben werden soll – und ob man überhaupt mit ihnen verhandeln dürfe. Biden sieht im Austausch mit den Taliban den besten Weg, möglichst viele Menschen sicher zu evakuieren. Das sehen allerdings nicht alle Politiker in den USA so. Kritik kommt auch aus der eigenen Partei.

Der demokratische US-Senator Bob Menendez (New Jersey) hat sich gegen seinen Präsidenten gestellt. Menendez ist auch Vorsitzender des Ausschusses für auswärtige Beziehungen des Senats. Der 67-Jährige schrieb in einer Erklärung in Richtung Weißes Haus: „Während wir auf weitere Details (zur Lage in Kabul, d. Red.) warten, ist eines klar: Wir können den Taliban die Sicherheit der Amerikaner nicht anvertrauen.“ (as)

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