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Afghanistan: Grüner zerreißt bei „Lanz“ Merkels Asylpolitik - „Das macht uns erpressbar!“

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Omid Nouripour (Grüne) kritisiert bei „Markus Lanz“ Angela Merkel und Armin Laschet.
Omid Nouripour (Grüne) kritisiert bei „Markus Lanz“ Angela Merkel und Armin Laschet. © Screenshot: ZDF-Mediathek/fn

Afghanistan-Katastrophe und die vierte Corona-Welle. Die „Markus Lanz“-Runde analysiert die Lage in Kabul und wägt zwischen 2G- und 3G-Regelung ab.

Hamburg - Markus Lanz meldet sich am Dienstagabend nach zweiwöchiger Sommerpause zurück. Die Runde nimmt sich zu Beginn der Situation in Afghanistan an, der Grüne-Außenexperte Omid Nouripour schildert die düstere Situation: „Die Taliban haben jahrelang systematisch Todeslisten erarbeitet von denjenigen, die sie für Verräter halten. Das beginnt bei denjenigen, die für Frauenrechte kämpfen, die halten sie für Häretiker und Häretikerinnen. Und geht natürlich weiter über diejenigen, die mit den internationalen Streitkräften gearbeitet haben, die mit den internationalen Medien gearbeitet haben.“

Derzeit sei in den Provinzen Afghanistans deshalb zu erleben, dass Menschen, die auf solchen Listen stehen, auf offener Straße hingerichtet werden. „Wir haben heute einen Bericht bekommen der Vereinten Nationen“, legt Nouripour die Situation weiter dar, „da steht eindeutig drin, dass die Leute zusammengepfercht haben, auch der afghanischen Armee, und da einfach Massenexekutionen vollzogen haben. Das ist ganz wichtig, dass das erzählt wird, weil die Taliban ja Woche für Woche, Tag für Tag ganz weiche Pressekonferenzen machen und sagen: Alles wird gut, wir passen auf alle auf.“

Afghanistan-Drama sorgt bei „Markus Lanz“ für Ratlosigkeit

In Sachen Evakuierung der Ortskräfte pflichtet Nouripour Außenminister Heiko Maas (SPD) bei, der einräumte, es sei nicht möglich, alle relevanten Personen bis Ende des Monats herauszubekommen: „Er hat Recht, das wird nicht mehr funktionieren. Als es geordnet ging, bevor Kabul gefallen ist, ist es einfach nicht passiert. Man hat einfach weggeguckt, man wollte nicht wahrhaben, was da passiert und es ist nicht gehandelt worden. Es ist absehbar, dass die Ortskräfte nicht rausgehen – es ist auch nicht ganz klar, ob alle Deutschen bis dahin noch rauskommen.“

Daran, dass Unionskanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) auf Twitter mitgeteilt hat, man wolle allen Menschen helfen, die in den letzten 20 Jahren als Ortskräfte in Afghanistan tätig waren, lässt Nouripour kein gutes Haar: „Das ist nicht nur einfach Sandstreuen in die Augen der deutschen Öffentlichkeit. Die machen auch den Leuten vor Ort Hoffnung, die sie nicht erfüllen können. Das ist einfach nur grausam.“ Ähnlich hatte sich am Dienstag auch der Ortskräfte-Helfer Marcus Grotian geäußert - er allerdings mit Blick auf Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

Der Grüne urteilt hart über die Asylpolitik der Bundesregierung. „Diese Angst vor Debatten in Wahlkämpfen, wo man sich nicht einfach mal traut, Empathie zu zeigen führt dazu, dass wir international erpressbar sind!“, erklärt er. „Der unique selling point der Deutschen ist, dass wir Angst haben vor Flüchtlingen“, meint Nouripour. Staaten und Diktatoren nutzen das Thema längst als Druckmittel. Er rügt die Haltung von Innenminister Horst Seehofer (CSU) bei Abschiebeflügen gen Afghanistan - und gemeinsam mit Niedersachsen Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) auch bei der Aufnahme von Ortskräften.

„Markus Lanz“ - das waren seine Gäste am 24. August:

Sozialarbeiterin Claudia Peppmüller war Mitte August noch für eine Hilfsorganisation in Kabul, sie wurde am 17. August aus Afghanistan evakuiert. „Wir hätten niemals für möglich gehalten, dass wir das erleben“, schildert sie ihre Eindrücke, „also so einen Regierungsumsturz in Windeseile. Wir haben eine Karte im Behandlungsraum gehabt, wir konnten täglich verfolgen, wie wir umzingelt wurden, was Kabul betrifft. Wir haben uns auch gefragt: Wie kann das sein, dass die durchgehen wie Butter?“

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) findet, dass es falsch war, im Mai einen Antrag der Grünen auf Evakuierung der Ortskräfte im Bundestag abzulehnen: „Natürlich war es ein Fehler. Es gab damals vor zwei Monaten auch schon 16 Landesinnenminister, die den Bundesinnenminister dringend aufgefordert haben, die Ortskräfte jetzt zügig nach Deutschland zu holen. Ich bin kein Afghanistan-Experte, ich stecke da nicht drin in diesen Entscheidungsprozessen, aber dass das alles in allem für uns beschämend ist, das muss man, glaube ich, so sagen.“

Markus Lanz führt durch die Sendung (ZDF)
Markus Lanz führt durch die Sendung (ZDF) © ZDF/Markus Lanz

Corona-Verordnung Niedersachsen: Ministerpräsident Weil stellt bei „Markus Lanz“ Präsenzunterricht in Aussicht

Im letzten Drittel der Sendung widmen sich Lanz und Gäste der vierten Corona-Welle. Die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Alena Buyx, findet, die Bevölkerung müsse sich um das Geschehen in den Schulen herum noch möglichst am Riemen reißen: „Also möglichst gucken, dass es uns nicht im ganzen Land und in den einzelnen Regionen entgleitet und wir müssen gucken, dass wir als Erwachsene das Möglichste tun.“ Nur so ließen sich ungeimpfte Kinder schützen. Junge Menschen hätten in den letzten 18 Monaten „so gelitten. Die haben solche sozialen und psychischen und identitätsentwickelnde Einbußen gehabt, dass wir jetzt einfach nochmal für die im Herbst und im Winter aufpassen sollten. Und das bezieht sich auf viele andere Maßnahmen, die gar nicht in der Schule stattfinden“.

Weil weist darauf hin, dass Schulen bislang zwar kein pandemischer Treiber gewesen seien, sieht aber durch die Delta-Variante die Gefahr, dass Bildungseinrichtungen doch zu Hotspots werden. „Gleichzeitig wollen wir und das haben wir uns ganz fest vorgenommen“, kündigt Weil an, „im neuen Schuljahr Präsenzunterricht möglich machen. Wir wollen nicht wieder zurück in eine Situation, wie wir sie so lange hatten.“

Eine Änderung der 3G-Regel (Genesen, Geimpft, Getestet) auf eine 2G-Regel (Genesen, Geimpft) wünscht sich Weil zwar nicht, ausschließen will er eine solche Maßnahme aber ebenso wenig: „Bei der Infektionslage wie wir sie jetzt haben und wie wir sie aus meiner Sicht auch auf absehbare Zeit haben werden, ist es nicht notwendig. Aber wenn ich mir überlege, was kann eigentlich in einer Eskalationssituation dann noch geschehen – ja, dann landet man bei der Frage, dass man die Gruppe der Ungeimpften natürlich in den Fokus nehmen muss und dann ist man auch bei 2G-Themen.“

„Markus Lanz“ - Das Fazit der Sendung

Die „Markus Lanz“-Runde erörtert die aktuelle Situation in Afghanistan. Dabei kommt vor allem der Politiker Omid Nouripour (Grüne) zu Wort, der beklagt, dass sich die Bundesregierung durch die jetzige Lage international erpressbar mache. Sozialarbeiterin Claudia Peppmüller war während des Umsturzes in Kabul und berichtet von ihren Erfahrungen vor Ort. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) trägt zur Analyse der Afghanistan-Lage wenig bei, attestiert aber eine „kolossale Fehleinschätzung der deutschen Bundesregierung“. Ethikrat-Vorsitzende Alena Buyx hält sich aus der Afghanistan-Debatte heraus. Dafür macht sie sich in der Corona-Diskussion umso mehr für einen letzten Kraftakt der Bevölkerung während der vierten Welle sowie die 3G-Regel stark.

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