Innenminister-Konferenz in München: Durch die Runde geht ein Riss – Streit um Asyl und Aktivisten

Drei Tage konferieren die Innenminister von Bund und Ländern in München, am Ende sind 81 Themen abgearbeitet. Bei der Migration, dem aktuell größten Streitthema, wird der Ton erneut scharf.
München – An warmen Worten mangelt es nicht. Nancy Faeser bedankt sich am Freitagmittag ausdrücklich für die „Gastfreundschaft hier im schönen München“ und das, obwohl sich schräg hinter ihr durchs Fenster die Stadt eher von ihrer nasskalt-ungemütlichen Seite zeigt. Zweieinhalb Tage hat die Bundesinnenministerin mit ihren Länderkollegen konferiert. „81 Themen“ habe man abgearbeitet, sagt Gastgeber Joachim Herrmann (CSU), „bei den allermeisten“ habe es einen Konsens gegeben. Ein paar gewichtige Differenzen bleiben am Ende dennoch.
Als Herrmann über die Asyl- und Flüchtlingspolitik spricht, das aktuell kontroverseste Thema, ist vom Konsens nicht mehr viel übrig. „Meiner Auffassung nach“, „Aus meiner Sicht“, „Ich persönlich“ – mit jedem Satz unterstreicht der Minister, wie weit er und Faeser (SPD) auseinander liegen. „Wir müssen den Zugang von Flüchtlingen begrenzen“, fordert er und beklagt „weitere Zuwanderungs-Anreize wie das Bürgergeld für jeden“. Speziell bei der Rückführungsoffensive müsse der Bund „den Worten auch Taten folgen lassen“.
Auch beim Umgang mit Klimaaktivisten geht ein Riss durch die Runde
Faeser verweist an dieser Stelle auf die Abstimmung im Bundestag zum Chancen-Aufenthaltsrecht (siehe unten). In dem seien auch „berechtigte Wünsche für die Rückführung enthalten“. Doch der Eindruck bleibt, dass eine Annäherung kaum möglich ist. Die „Tonalität“ sei „schon anders“ als bei früheren Treffen, bemerkt Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) spitz. Es sei „schädlich, wie ständig die Dinge miteinander vermischt“ würden – konkret nennt er die Themen geordnete Zuwanderung und Staatsbürgerschaft.
Auch beim Umgang mit Klimaaktivisten geht ein Riss durch die Runde. Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) als Wortführer der unionsgeführten Ressorts fordert eine Überprüfung, ob es sich bei der „Letzten Generation“ um eine kriminelle Vereinigung handelt. Die Aktionen könne man „nicht mehr als friedlichen Protest“ bezeichnen. Pistorius kontert, eine solche Einschätzung sollten „die Gerichte treffen“.
Während in Niedersachsen noch kein einziger Klimakleber in Präventivhaft genommen wurde, geht kein Land so streng vor wie Bayern, das bis zu 30 Tage vorsieht. Faeser würde sich eine einheitliche Regelung wünschen, der Freistaat wäre dabei nicht ihr Maßstab. Herrmann verweist auf die straffe Organisation der Aktivisten, auf Pressekonferenzen und offizielle Ankündigungen zu weiteren Aktionen oder deren Aussetzen. Prompt meldet sich die „Letzte Generation“ und kündigt an, ab Montag wieder die „Adern der Gesellschaft“ in den Fokus zu nehmen. Am Ende gibt es wenigstens in einem Punkt eine Einigung. Die Runde beschließt, dass der Bund ein Lagebild über die Aktionen der Klimaschützer erstellt.
Die Systeme müssten besser ausgestattet werden gegen Ausfälle
Noch vor Weihnachten will Faeser im Kabinett einen Gesetzentwurf für einen besseren Schutz kritischer Infrastrukturen einbringen, etwa durch Cyberattacken. Die Systeme müssten besser ausgestattet werden gegen Ausfälle. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) solle zu einer Zentralstelle ausgebaut werden, kündigt sie an. Der Schutz der Infrastrukturen habe „höchste Priorität“.
Wie Herrmann mitteilt, gibt es im Streit um den Ausbau des Sirenennetzes einen Kompromiss. Der Bund wolle nun gemeinsam mit den Bundesländern ein 2024 beginnendes Förderprogramm auf den Weg bringen. Ganz ohne Differenzen geht es aber auch bei diesem Thema nicht. Die bisher im Haushalt veranschlagten fünfeinhalb Millionen Euro, bemängelt Herrmann, seien „nicht einmal ansatzweise ausreichend“.
Einig sind sich die Minister darin, dass „bis auf Weiteres“ keine Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber in den Iran mehr stattfinden werden. Ein solches Aussetzen war in den vergangenen Wochen von verschiedenen Seiten immer wieder gefordert worden. Ausnahmen soll es aber weiterhin geben: bei Gefährdern oder schweren Straftaten.
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