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Nawalny-Vergiftung: Russland droht Deutschland weiter - Merkels Sprecherin antwortet

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Von: Richard Strobl, Florian Naumann, Franziska Schwarz

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Eskalation im Fall Nawalny: Selbst Kanzlerin Angela Merkel schließt einen Baustopp von Nord Stream 2 nicht mehr aus. Der Putin-Kritiker liegt unterdessen nicht mehr im künstlichen Koma.

Update vom 9. September 2020, 16.39 Uhr: Das russische Außenministerium hat nach einem Gespräch mit dem deutschen Botschafter in Moskau entschieden gegen das Vorgehen der Bundesregierung im Fall Nawalny zu protestiert. „Die volle Verantwortung für die Folgen einer solchen Politik liegt bei der Bundesregierung, ihrer Nato-Verbündeten und der Europäischen Union“, teilte das Ministerium am Mittwoch in Moskau mit. Zuvor war der deutsche Botschafter Géza Andreas von Geyr zu einem Gespräch im Ministerium.

Es gebe „unbegründete Anschuldigungen und Ultimaten an die Adresse Russlands“, hieß es aus dem russischen Außenministerium. Dies sei eine „Diskreditierung unseres Landes in der internationalen Arena“.

Nawalny-Vergiftung: Nordische und baltische Staaten fordern Aufklärung

Update vom 9. September 2020, 15.57 Uhr: Die nordischen und baltischen Staaten (NB8) haben die Vergiftung des Kremlkritikers Alexej Nawalny auf das Schärfste verurteilt und Aufklärung verlangt. In einer gemeinsamen Erklärung forderten sie Russland und die internationale Gemeinschaft dazu auf, eine unparteiische, internationale Untersuchung einzuleiten. Daran sollten sich auch Experten der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) beteiligen, hieß es am Mittwoch in einer Mitteilung. Zuvor hatten sich die Außenminister der NB8 im estnischen Tallinn beraten. Zu der Staatengruppe gehören Schweden, Finnland, Norwegen, Island, Dänemark, Estland, Lettland und Litauen.

Nawalny-Vergiftung: Russland erhebt schwere Vorwürfe gegen Deutschland - Merkels Sprecherin antwortet

Update vom 9. September 2020, 14.37 Uhr: Im Streit um den Mordanschlag auf den russischen Oppositionellen Alexej Nawalny verhärten sich die Fronten zwischen Deutschland und Russland: Die Bundesregierung hat nun noch einmal die Kreml-Forderung nach Aushändigung von Beweisen zurückgewiesen.

„Wir bleiben dabei, an die russische Seite zu appellieren, Informationen zu liefern“, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Martina Fietz am Mittwoch in Berlin. Die Vergiftung sei auch kein Fall zwischen Deutschland und Russland, sondern ein Verstoß gegen das Chemiewaffenabkommen. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums sagte dazu, die Testergebnisse seien an die zuständige Organisation für das Verbot chemischer Waffen, OPCW, übergeben worden, an der auch Russland beteiligt sei.

Nawalny-Vergiftung: Russland erhebt heftige Vorwürfen gegen Deutschland

Update vom 9. September 2020, 12.25 Uhr: Russland wirft Deutschland einen „unkonstruktiven Ansatz“ bei der Aufklärung des Giftanschlags auf den Kremlkritiker Alexej Nawalny vor. Die russische Regierung wolle einen intensiven Dialog mit den deutschen Kollegen, erklärte das Außenministerium in Moskau. „Leider bremst die deutsche Seite diesen Prozess.“ Der deutsche Botschafter Géza Andreas von Geyr wird im russischen Außenministerium zu einem Gespräch erwartet. Außerdem wies das Ministerium internationale Kritik an Russland vehement zurück.

Die russische Generalstaatsanwaltschaft hatte ein Rechtshilfegesuch in Deutschland gestellt. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) hatte in der ARD angekündigt, Deutschland werde dem zustimmen. Das russische Außenministerium erklärte nun, es gebe grundlose Angriffe auf Russland und eine massive „Desinformationskampagne“. „Die Hysterie in diesem Fall nimmt nur zu.“ Im Vordergrund stehe nicht Aufklärung und Sorge um Nawalnys Gesundheit, sondern Stimmungsmache für Sanktionen.

Nawalny-Vergiftung: Kanzlerin Merkel mit interner Klartext-Ansage - Folgen für Russland?

Update vom 8. September, 19.50 Uhr: Bereits zuvor waren Details aus der Fraktionssitzung der CDU/CSU um Kanzlerin Merkel zum Fall Nawalny durchgesickert. Daraus wurde ersichtlich, dass Berlin sich alle möglichen Sanktionen offen hält. Jetzt sickern weitere Details durch, die vor allem den Blick der Kanzlerin auf das Geschehen deutlich machen.

Nach Bild-Informationen nannte Merkel die Vergiftung Nawalnys einen „bestürzenden Vorgang“. Zudem soll die Kanzlerin hinzugefügt haben, dass Russland „diese Art von Attacken nicht zum ersten Mal macht“. Dabei soll sie auf den Fall Skripal verwiesen haben. Ihre Unions-Kollegen rief Merkel deshalb dazu auf, über den Vorfall „nicht so schnell“ hinwegzusehen.

Dem Bericht nach pflichtete CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer dem bei. Sie äußerte sich demnach entsetzt von den russischen Anschuldigungen, Deutschland habe Nawalny vergiftet. Dann soll AKK Entschlossenheit gezeigt haben: Auf deutscher Seite sei man sich „ganz sicher“, die richtigen Analysen vorgelegt zu haben. Jetzt müsse nicht Deutschland, sondern Russland Beweise in dem Fall liefern.

„Patient Nawalny“: Interne Merkel-Einschätzung durchgesickert - Kreml sieht „schmutziges Getue“

Update vom 8. September, 15.20 Uhr: Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat einen Stopp der umstrittenen Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 als Reaktion auf die Vergiftung des russischen Regierungskritikers Alexej Nawalny offen gelassen. „Ich habe mir da noch kein abschließendes Urteil gebildet“, sagte Merkel am Dienstag, wie die dpa von mehreren Teilnehmern in der ersten Sitzung der Unionsfraktion nach der Sommerpause in Berlin erfahren haben will. Die Kanzlerin forderte erneut eine europäische Antwort auf die Vorgänge um Nawalny. Es sei zweifelsfrei erwiesen, dass dieser vergiftet worden sei - die Kanzlerin sprach vom „Patienten Nawalny“.

Auch Russland setzt allerdings nun klare diplomatische Zeichen. Moskau erwartet nun den deutschen Botschafter zum Gespräch. Das teilte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, am Dienstag auf Facebook mit. Das Gespräch soll am Mittwoch stattfinden, hieß es aus der deutschen Botschaft. Der Kreml erwartet laut Sacharowa, dass Deutschland seine Erkenntnisse zum Fall vorlegt. Sie äußerte sich drastisch: „Es ist an der Zeit, die Karten offen zu legen, weil es für alle klar ist: Berlin blufft, um einem schmutzigen politischen Getue dienlich zu sein.“

Die Bundesregierung hält sich bei möglichen Sanktionen gegen Russland im Fall Nawalny unterdessen weiter alle Optionen offen - trotz mahnender Worte von Wirtschaftsminister Altmaier (siehe vorangegangenes Update). „Wir haben sehr deutlich gemacht, dass wir den gesamten Instrumentenkasten prüfen“, sagte Außenamts-Staatsminister Michael Roth (SPD) der Nachrichtenagentur AFP. Er bezog sich dabei auch auf Fragen nach der umstrittenen Erdgaspipeline Nord Stream 2.

Nawalny: Streit um deutsche Reaktion geht weiter - Altmaier warnt bei „Hart aber fair“

Update vom 8. September, 7.05 Uhr: Der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier bezweifelt angesichts des „feigen Mordanschlags“ auf den Kremlkritiker Alexej Nawalny die Wirksamkeit von Sanktionen gegen Staaten wie Russland. Er kenne keinen Fall, in dem ein Land wie Russland durch Sanktionen zu einer Verhaltensänderung bewegt worden sei, sagte der CDU-Politiker am Montagabend (7. September) in der ARD-Talkshow „hart aber fair“. Eher führe dies zu einer Verhärtung der Politik. „Wir müssen auch die Frage klären, was wir denn mit unseren Sanktionen erreichen wollen: Geht es nur darum, in den Spiegel zu schauen, oder geht es darum, etwas positiv für Menschenrechte zu erreichen und zu schaffen?“, so Altmaier.

„Für Nord Stream 2 brauchen wir jetzt zumindest einen Baustopp, sollte es von Russland keine Kooperation geben“, sagte der CSU-Politiker weiter. „Es geht um ein System, das offenbar bereit ist, Menschen zu töten oder, im Fall Nawalny, zu vergiften, um sie mundtot zu machen. Da kann Europa nicht an der Seite stehen.“ Nötig seien klare Signale.

Vergifteter Nawalny aus Koma erwacht - Langzeitfolgen nicht auszuschließen

Update vom 7. September, 18.55 Uhr: Alexej Nawalny ist aus dem Koma erwacht. Der Streit um die Täterschaft bei der Vergiftung des russischen Oppositionellen tobt aber weiterhin. CDU-Innenexperte Patrick Sensburg hat nun aber noch einmal Zweifel an der Herkunft des offenbar eingesetzten Giftes Nowitschok zurückgewiesen.

Die deutschen Behörden haben Sensburgs Einschätzung nach sehr genaue Erkenntnisse zu dem Stoff, mit dem Nawalny vergiftet wurde. „Die westlichen Dienste haben natürlich Nowitschok-Proben, um die unterschiedlichen Formen aus dieser Gruppe nachweisen zu können“, sagte Sensburg am Montag am Rande einer Sitzung des für die Geheimdienste zuständigen Parlamentarischen Kontrollgremiums zu dem Fall. Diese Proben habe man sich durch „nachrichtendienstliche Erkenntnisse“ beschaffen können, sagte er der Welt. „Das hat die Russen sehr geärgert.“

Die Proben dienten dem Nachweis der Substanz, sagte Sensburg. Die Bundeswehr habe dafür sehr exakte Analysemethoden. „Man kann ja teilweise sogar nachweisen, aus welcher Produktion diese Art von Nowitschok dann jeweils kommt“, fügte er hinzu.

Nawalny nach Vergiftung aus Koma erwacht - Langzeitfolgen nicht auszuschließen

Update vom 7. September, 15.18 Uhr: Kreml-Kritiker Andrej Nawalny ist nach dem Giftanschlag aus dem Koma erwacht. Das geht aus einer Mitteilung der Berliner Charité hervor, wo Nawalny aktuell behandelt wird. Sein Gesundheitszustand habe sich verbessert, und er werde schrittweise von der maschinellen Beatmung entwöhnt, erklärte die Universitätsklinik am Montag. Er reagiere auf Ansprache, Langzeitfolgen der schweren Vergiftung seien jedoch weiterhin nicht auszuschließen.

Russland bestreitet weiterhin, in den Fall des 44 Jahre alten Oppositionellen (siehe Ursprungsmeldung) verwickelt zu sein. Kremlsprecher Dmitri Peskow sprach am Montag erneut von „absurden Versuchen“, die russische Staatsführung damit in Verbindung zu bringen.

Die russische Generalstaatsanwaltschaft hatte ein Rechtshilfegesuch in Deutschland gestellt. Der deutsche Außenminister Heiko Maas (SPD) hatte in der ARD gesagt, die deutsche Seite werde dem zustimmen. Peskow zufolge sieht Moskau auch keinen Grund dafür, weshalb Berlin nicht in dem Fall kooperieren sollte.

Vergifteter Nawalny: Merkel und Maas drohen Putin - „Ich hoffe nicht, dass die Russen uns zwingen ...“

Ursprungsmeldung vom 7. September: Berlin - Nach dem Giftanschlag auf den Kreml-Kritiker Alexej Nawalny* fordern verschiedene Politbetrieb-Angehörige als Konsequenz für Russlands Präsidenten Wladimir Putin den Baustopp oder eine Bau-Aussetzung der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2*. Nun hat auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)* erstmals einen Stopp des Projekts in Betracht gezogen.

Merkel habe sich entsprechenden Äußerungen von Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) vom Wochenende „angeschlossen“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert vor Journalisten in Berlin. Auch die Bundeskanzlerin* sei der Auffassung, „dass es falsch wäre, etwas auszuschließen“. Sie habe mit Putin noch nicht über den Fall Nawalny* gesprochen, sagte Seibert laut focus.de weiter.

Die Pipeline Nord Stream 2 wird durch die Ostsee gebaut und soll Erdgas von Russland nach Deutschland transportieren. Maas hatte angedeutet: „Ich hoffe nicht, dass die Russen uns zwingen, unsere Haltung zu Nord Stream 2 zu ändern.“ Merkel arbeite „in dieser wichtigen Frage“ mit Maas zusammen, so Seibert. Die Bundesregierung habe die „klare Erwartung“, dass sich Moskau zum Fall Nawalny erklärt. Russland bestreitet, in die Vergiftung des Oppositionellen verwickelt zu sein.

Fall Nawalny: Kanzlerin Angela Merkel bezeichnet russischen Oppositionellen als „Opfer eines Verbrechens“

„Alexej Nawalny ist Opfer eines Verbrechens. Er sollte zum Schweigen gebracht werden, und ich verurteile das auch im Namen der ganzen Bundesregierung auf das Allerschärfste", hatte Merkel erklärt. Die Bundesregierung hatte nach Untersuchungen eines Spezial-Labors der Bundeswehr mitgeteilt, dass sie es als zweifelsfrei erwiesen ansehe, dass Nawalny mit dem militärischen Nervengift Nowitschok vergiftet worden sei.

Was den Stand von Nord Stream 2 angeht, liegen bereits Zehntausende mit Beton ummantelte Rohrstücke auf dem Boden der Ostsee, jedes einzelne gut 24 Tonnen schwer. Miteinander verschweißt bilden sie die beiden Stränge der Gas-Pipeline, die über eine Länge von rund 1230 Kilometern. Ihre Route verläuft in weiten Teilen parallel zur bereits bestehenden Pipeline Nord Stream.

Bundeskanzlerin Angela Merkel gibt am 3. September 2020 eine Pressekonferenz in Berlin.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) berät sich wegen des Giftanschlags auf Putin-Kritiker Alexej Nawalny aktuell mit Außenminister Heiko Maas (SPD) über die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2. © Michael Sohn/AP-Pool/dpa

Nord Stream 2: Trump-Regierung will Bau verhindern - Kritiker werfen USA Export-Interessen vor

Startpunkt ist die russische Ostseeküste westlich von St. Petersburg, Ziel ist Lubmin unweit von Greifswald. Fertig ist die gewaltige Doppelröhre noch nicht - der Widerstand aus den USA verzögerte bislang die Fertigstellung. Die Regierung unter US-Präsident Donald Trump* verhängte Ende 2019 Sanktionen, um die Fertigstellung der Pipeline zu verhindern. Mitte Juli drohte die US-Regierung weitere Sanktionen an. Die USA argumentieren, Deutschland und Europa würden sich in eine Energie-Abhängigkeit von Moskau begeben. Kritiker werfen den USA vor, lediglich eigenes Flüssiggas zu möglichst hohen Preisen exportieren zu wollen.

Auf übergeordneter Ebene spielt außerdem die Sorge Europas vor einer zu großen Abhängigkeit von russischem Erdgas eine Rolle. Derzeit deckt das Land fast ein Drittel des EU-Bedarfs. Die EU will ihre Abhängigkeit reduzieren. Dem könnte Nord Stream 2 aber zuwiderlaufen, auch die EU-Kommission ist daher gegen den Bau. (frs mit Material der AFP) *Merkur.de gehört zum Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerk.

Das Team um den Putin-Kritiker Nawalny teilte jetzt ein Video, in dem sie einen schweren Verdacht äußern.

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