Renten-Rätsel von Scholz: Kanzler will ältere Menschen länger im Arbeitsmarkt halten
Die Deutschen gehen immer häufiger vorzeitig in Rente. Kanzler Olaf Scholz will Ältere hingegen länger im Arbeitsmarkt halten. Wie genau, lässt er vorerst offen.
München – Olaf Scholz nähert sich dem Rentenalter. Doch auch wenn der Bundeskanzler im Juni 65 Jahre alt wird, denkt er noch nicht an seinen Ruhestand. Im Gegenteil: Scholz hat angekündigt, für eine zweite Amtszeit kandidieren zu wollen. Zu deren Beginn im Herbst 2025 wäre er 67 – ein Alter, in dem viele Deutsche längst nicht mehr arbeiten wollen. Und das ist, so sieht es nicht nur Sozialdemokrat Scholz, ein Problem.
Renteneintritt: Deutsche wollen früher mit Arbeit aufhören - Scholz will dagegen wirken
Der Trend ist klar erkennbar. Ein möglichst früher Ausstieg aus dem Arbeitsleben in den Ruhestand scheint für deutlich mehr Menschen in diesem Land das Ziel zu sein, als nur für die oft angeführten Dachdecker, die körperlich nicht länger durchhalten. Erreichbar ist dieses Ziel vor allem für diejenigen, die entweder genug zur Seite legen konnten oder früh zu arbeiten begonnen haben. Denn die Großen Koalitionen aus Union und SPD haben im vergangenen Jahrzehnt mit Gesetzen wie der sogenannten Rente mit 63 (die mittlerweile wegen des ansteigenden Eintrittsalters eigentlich Rente mit 64 heißen müsste) besondere Möglichkeiten geschaffen. Die Zahl der Menschen, die seither nach 45 Versicherungsjahren eine abschlagsfreie Rente beziehen, hat inzwischen fast die Zwei-Millionen-Marke erreicht, teilt die Deutsche Rentenversicherung mit. Allein im vergangenen Jahr haben 269.000 Menschen diesen Weg genutzt – mehr als ein Viertel aller Neurentner.
Zudem gehen auch immer mehr Menschen vorzeitig in Rente, die deshalb Abschläge hinnehmen müssen, hat das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) herausgefunden – im Schnitt 28 Monate vor der Regelaltersgrenze. Nachdem noch Anfang des Jahrtausends immer mehr ältere Menschen berufstätig blieben, stagniert dieser Trend ausgerechnet bei den Babyboomer-Jahrgängen, die in den geburtenstarken Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg zur Welt kamen.

Rätsel um Renteneintritt: Kanzler Scholz mit vager Formulierung - Rente mit 63 abwickeln?
Der Kanzler will diesen Trend brechen. „Es gilt, den Anteil derer zu steigern, die wirklich bis zum Renteneintrittsalter arbeiten können“, sagte er in einem Interview mit der „Funke“-Gruppe. Es ist ein typisch vage formulierter Scholz-Satz, der Raum für Interpretationen lässt, welche politischen Handlungsabsichten dahinter stehen könnten.
Stefan Müller, Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU im Bundestag, vermutet gar, die SPD starte nun damit, ihr Prestige-Projekt Rente mit 63 abzuwickeln.
Renten-Streit? FDP drängt auf mehr Individualität und fordert flexibles Renteneintrittsalter
Bei Scholz’ Koalitionspartner FDP drängt man hingegen auf mehr Individualität. „Über ein flexibles Renteneintrittsalter und verschiedene Arbeitszeitmodelle könnte jeder Einzelne den persönlichen Übergang in die Rente viel passgenauer gestalten als heute“, sagt Fraktionschef Christian Dürr dem Tagesspiegel. „Das würde insgesamt zu einer höheren Attraktivität und damit zu einer höheren Bereitschaft für ein längeres Arbeitsleben führen.“
Während aber der Kanzler selbst seine Aussagen erst einmal so stehen lässt, bemüht sich die SPD, die in Fahrt geratene Debatte wieder einzufangen. Das Rentenalter – derzeit bei 67 Jahren – stehe nicht zur Diskussion. „Es ging dem Kanzler darum, deutlich zu machen, dass wir angesichts des dramatischen Mangels an Arbeitskräften, den wir derzeit haben, auch älteren Beschäftigten Beschäftigungschancen ermöglichen müssen“, sagt Parteichefin Saskia Esken. Die Arbeitswelt sei für die Beschäftigung Älterer „nicht gut ausgerichtet“, fügt sie hinzu. „Daran müssen wir etwas ändern, damit alle eine gute Chance haben, das reguläre Rentenalter zu erreichen“, verlangt die SPD-Chefin.
Die Rente mit 63 ohne Abschläge sei gleichwohl weiterhin wichtig, „weil es Menschen gibt, die so hart arbeiten, dass sie das reguläre Alter nicht gesund erreichen können“.