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Ausgerechnet zum Frauentag: Verein wettert gegen „Gender-Unfug“ - Nuhr und Maaßen unterschreiben

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Von: Florian Naumann

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Ausgerechnet zum Frauentag: Verein wettert gegen „Gender-Unfug“ - Nuhr und Maaßen unterschreiben
Dieter Nuhr (li.) und Hans-Georg Maaßen unterstützen Unterschriften gegen „Gender-Unfug“ © dpa/Henning Kaiser/Bernd von Jutrczenka/Montage Merkur.de

Am Freitag ist Weltfrauentag. Kurz zuvor hat ein Verein eine kontroverse Unterschriftenaktion gegen das Gendern in der deutschen Sprache gestartet.

Ergolding/Berlin - Ausgerechnet pünktlich zum Frauentag: Der „Verein Deutsche Sprache“ (VDS) - bekannt etwa durch Aktionen wie die Kür des „Sprachpanschers des Jahres“ - hat eine Initiative gegen das Gendern im deutschen Sprachgebrauch gestartet. „Schluss mit dem Gender-Unfug“ lautet der markige Titel des am Aschermittwoch veröffentlichten Aufrufs.

„Die sogenannte gendergerechte Sprache beruht erstens auf einem Generalirrtum, erzeugt zweitens eine Fülle lächerlicher Sprachgebilde und ist drittens konsequent gar nicht durchzuhalten. Und viertens ist sie auch kein Beitrag zur Besserstellung der Frau in der Gesellschaft“, heißt es in dem Aufruf des Vereins: Angela Merkel sei Kanzlerin geworden, obwohl im Grundgesetz nur vom „Bundeskanzler“ die Rede ist.

Unterschriften-Aktion gegen das Gendern: Verein Deutsche Sprache wettert heftig

Auch von „Verrenkungen“ und dem „seltsamen Gender-Stern“ ist in dem Aufruf die Rede. Durchaus bemerkenswert: Die Initiatoren um den Niederbayern Josef Kraus richten sich in ihrem Appell nicht etwa gegen konkrete rechtliche Regelungen - sondern fordern von „Politikern, Behörden, Firmen, Gewerkschaften, Betriebsräten und Journalisten“ einfach eine andere Praxis beim Sprechen und Schreiben. 

Paradoxerweise schreibt der Verein in seinem wesentlich polemischeren Petitionstext aber auch von einer „staatlich verordneten Indoktrinierung“ - als Beispiel wird ein Verwaltungsakt in Hannover genannt, über dessen Einführung unter anderem kreiszeitung.de* berichtete. Auch angebliche Milliarden-Förderungen des Bundes für das „Gender-Mainstreaming“ führen die Verfasser ins Feld - allerdings ohne auf konkrete Verwendungsfelder zu verweisen oder auf den Zusammenhang des wesentlich allgemeineren Konzepts des „Gender-Mainstreamings“ mit dem Gendern in der deutschen Sprache einzugehen. Von einem „tiefen Eingriff in Köpfe, Körper, Persönlichkeitsrechte und gewachsene soziale Kommunikationsstrukturen“ wird weiter geschrieben.

Die Positionen des VDS sind immer wieder Gegenstand kontroverser Debatten. Sprachwissenschaftler rügten den Verein vor einiger Zeit in einem offenen Brief als „ein Musterbeispiel für einen intoleranten, unaufgeklärten Sprachpurismus“. Der Verein bediene „immer wieder nationalistische Tendenzen“.

„Mitgemeint“ oder nicht? Kontroverse Debatte schwelt seit Jahren

Als Hauptargument führt der Verein nun ins Feld, es sei ein Irrtum, dass zwischen natürlichem und grammatischem Geschlecht ein fester Zusammenhang bestehe. „Gemeint (nicht nur „mitgemeint“) sind alle Mitglieder der genannten Gruppe, ganz unabhängig von ihrem biologischen Geschlecht.“ 

Gleichwohl: Ob dies beim Leser oder Hörer auch so ankommt, wird seit Jahren wissenschaftlich infrage gestellt. „In einem psycholinguistischen Experiment wurde schon vor zehn Jahren herausgefunden, dass bei maskulinen Bezeichnungen für stereotyp männliche (Spione), neutrale (Zuschauer) und weibliche Tätigkeiten (Kosmetiker) von den meisten Menschen angenommen wird, dass es sich dabei um reine Männergruppen handelt“, erklärten der Sprachwissenschaftler Henning Lobin und die Professorin für Historische Sprachwissenschaft, Damaris Nübling in einem Gastbeitrag in der Süddeutschen Zeitung. Das Gendern diene der Gleichstellung der Geschlechter, so ihre Folgerung.

„Hört auf zu gendern!“ - Maaßen, Hallervorden und Nuhr unterschreiben Vorstoß des „Verein Deutsche Sprache“

Bis Mittwochmittag zählte die Initiative nach eigenen Angaben knapp 13.000 Unterschriften. Unter den Erstunterzeichnern finden sich auch prominente Namen - etwa der Comedian Dieter Nuhr, Kabarettist Dieter Hallervorden oder der Autor Rüdiger Safranski. Aber auch der unter dem Vorwurf des Verbreitens von Verschwörungstheorien abgetretene frühere Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen zählt zu den Unterstützern. Erstunterzeichner ist auch der Publizist Rolf Stolz, der unter anderem für das umstrittene rechtsgerichtete Magazin Compact schreibt.

Der „Verein Deutsche Sprache“ hatte sich schon zuvor polemisch zum Thema gendergerechte Sprache geäußert. „So ein Gendersternchen ist im Prinzip auch nix anderes als fünf Deppenapostrophe in kreisförmiger Anordnung“, postete der Verein etwa am 1. März auf Twitter - in eher schludrigem Deutsch.

Vorstoß gegen das Gendern - Sprachwissenschaftler hält dagegen: „Kann Bevormundung nicht erkennen“

Kritik weniger am konkreten Inhalt, denn am Ansatzpunkt der Kritik der Initiative äußerte am Donnerstag erneut der Sprachwissenschaftler Thomas Niehr - er hatte schon zu den Unterzeichnern des erwähnten kritischen offenen Briefs gegen den VDS gehört. „Da wird eine Bevormundung kritisiert und ich kann diese Bevormundung nicht erkennen“, erklärte Niehr in einem Gespräch mit dem Radiosender Deutschlandfunk Kultur. Schließlich dürfe weiterhin jeder reden und schreiben wie er wolle. Tatsächlich würden daran auch verwaltungsinterne Maßgaben nichts ändern.

Die Motivation hinter dem von einigen Medien und Menschen gepflegten „Gendern“ könne er durchaus verstehen, sagte Niehr. Es gebe ein Bedürfnis danach, nicht nur mitgemeint, sondern auch mitgenannt zu werden. „Das kann man meines Erachtens nicht einfach abtun mit Verweisen auf abstrakte grammatische Regeln“, betonte er.

In einem deutschen Bundesland wird am Freitag der Frauentag erstmals mit einem öffentlichen Feiertag begangen. Mehr über das Novum erfahren Sie in diesem Artikel.

Lesen Sie bei Merkur.de* auch: Gendergerechte Sprache - Wie es die Behörden im oberbayerischen Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen damit halten

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fn

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