Neues Lieferkettengesetz: Erste Beschwerde gegen Amazon und Ikea

Drei Organisationen haben gegen Amazon und Ikea Beschwerde eingelegt. Der Vorwurf: Sie sollen menschenrechtliche Sorgfaltspflichten in ihren Lieferketten nicht einhalten.
Dieser Artikel liegt IPPEN.MEDIA im Zuge einer Kooperation mit dem ESG.Table Professional Briefing vor – zuerst veröffentlicht hatte ihn ESG.Table am 24. April 2023.
Berlin – Drei Organisationen haben gegen Amazon und Ikea auf Grundlage des neuen deutschen Lieferkettengesetzes eine Beschwerde beim zuständigen Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) eingereicht. Beteiligt sind die Organisationen FEMNET, European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) und der National Garment Workers Federation (NGWF) aus Bangladesch. Die Beschwerden liegen Table.Media vor.
Aus Sicht der Beschwerdeführenden müssten Unternehmen dem Internationalen Abkommen für Gesundheit und Sicherheit in der Textilindustrie (Bangladesch Accord) beitreten, um ihre menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten einzuhalten, wie sie sich aus dem deutschen Lieferkettengesetz ergeben. „Wir sind davon überzeugt, dass die Nichtunterzeichnung eine Verletzung der Sorgfaltspflicht von Unternehmen darstellt“, sagt Miriam Saage-Maaß, Juristin und Legal Director des ECCHR. Das Gesetz trat Anfang des Jahres in Kraft und gilt auch für ausländische Unternehmen in Deutschland mit hierzulande mehr als 3.000 Beschäftigten.
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Das BAFA wollte den Eingang der Beschwerde auf Anfrage nicht bestätigen und teilte mit, „generell gilt, dass jede Beschwerde durch das BAFA gründlich und individuell geprüft wird“. Die Behörde prüfe immer, „ob die Beschwerde substantiiert, ist“.
Immer noch unsichere Fabriken in Bangladesch
Zur Begründung der Beschwerde sagte NGWF-Präsident Amirul Haque Amin, zehn Jahre nach Rana Plaza gebe es noch immer Fabriken in Bangladesch, die für internationale Konzerne wie Amazon oder Ikea produzierten, „in denen es kaum Sicherheitskontrollen gibt“. Laut der Beschwerde ist die Vereinigungsfreiheit in Zulieferfabriken nicht gewährleistet und Beschäftigte hätten Angst, sich zu beschweren.
Rana Plaza: Zehn Jahre nach der Tragödie
Im April 2013 stürzte in Bangladesch das mehrstöckige Fabrikgebäude Rana Plaza nahe der Hauptstadt Dhaka ein, in dem damals viele internationale Bekleidungsfirmen ihre Mode nähen ließen. Mehr als 1100 Menschen kamen bei der Katastrophe ums Leben. Durch die Tragödie waren die Arbeitsbedingungen der Textilarbeiter in dem südasiatischen Land auch im Ausland stark in die Kritik geraten. Sie führte dazu, dass Bangladesch die Kontrollen der Fabrikgebäude verstärkt und die Löhne anhob. Das Unglück wurde zum Inbegriff der Missstände in den Lieferketten der globalen Bekleidungsindustrie.
Das ist laut Organisationen das Ergebnis einer Studie der Gewerkschaft unter Beschäftigten von Exportfabriken, welche für Amazon und Ikea fertigen und nicht dem Accord sowie dem Nachfolgeabkommen angehören. Die Studie ist aber noch nicht abgeschlossen und unveröffentlicht. Bangladesch gehört laut dem Rechtsindex des Internationalen Gewerkschaftsbundes zu den zehn Ländern mit den schlimmsten Bedingungen für Erwerbstätige.
IKEA will weiterhin auf „eigene Systeme“ setzen
IKEA teilt Table.Media mit, es begrüße die Verpflichtungen zur Verbesserung der Standards und Arbeitsbedingungen im Produktionssektor, „wird aber unabhängig von der Internationalen Vereinbarung bleiben“. Das Unternehmen setze auf „eigene Systeme, die auf jahrzehntelanger Erfahrung und der Zusammenarbeit mit Tausenden von Zulieferern auf der ganzen Welt beruhen“ und Ikea „am besten in die Lage versetzen, die Bedingungen im Produktionssektor und darüber hinaus weiter zu verbessern und zu stärken“. Amazon antwortete nicht auf Table.Media-Anfrage.
Um Mängel bei Gebäudesicherheit und Feuerschutz in Bangladesch abzustellen, hatten Marken, Gewerkschaften und NGO nach dem Unglück von Rana Plaza den sogenannten Bangladesch Accord gegründet. Unabhängige Inspektoren hatten darauf mehr als 1.600 Fabriken inspiziert und mehr als 120.000 Sicherheitsrisiken identifiziert. Im September 2021 trat das Nachfolgeabkommen in Kraft, das mittlerweile 195 Unternehmen unterzeichnet haben. Es wurde zudem auf Pakistan ausgeweitet, allerdings machen hier bislang nur 45 Unternehmen mit – darunter C&A und die Otto Group. Die NGO Inkota fordert nun die Ausweitung des Accord auf Gerbereien, Schuh- und Lederfabriken.
Es sei an der Zeit, „das deutsche Gesetz dafür zu nutzen, solche Unternehmen, die nicht freiwillig Verantwortung für die Menschen in ihren Lieferketten übernehmen wollen, endlich dazu zu verpflichten„, sagte Gisela Burkhardt, Vorstandsvorsitzende von FEMNET. Die NGO hatte Ikea und Amazon Ende 2022 auf ihre Sicht der Dinge hingewiesen. Ikea verwies auf andere Standards. Amazon antwortete nach den Angaben der NGO zufolge überhaupt nicht.
Von Caspar Dohmen für ESG.Table