Im Wahlkampf hat er ein bisschen die Rolle des Scholz-Cheerleaders eingenommen, manchmal mitten in der Nacht auf Twitter seinen Superstar angefeuert. Sein Getwittere wurde ihm aber kürzlich zum Verhängnis: Weil er verbotenerweise Dokumente zur Razzia im Finanzministerium veröffentlicht hat, wird gegen ihn ermittelt. Wo Scholz ist, ist Schmidt jedenfalls nicht weit: Egal, ob es ums Kanzleramt oder um Finanzaffären geht.
Die dreifache Mutter, Ex-Pfadfinderin, staatlich geprüfte Informatikerin und SPD-Chefin Saskia Esken ist gerne im Internet. Auf Twitter steht ihr Lebensmotto: „Möge stets jemand an deiner Seite sein, mit dem du lachen kannst und der deine Lieder kennt.“ Ihrem Gesangsbruder Olaf Scholz hat sie den Parteivorsitz abgejagt, das Verhältnis war zerrüttet. Doch inzwischen gilt die Partei-Linke aus dem Schwarzwald als „selbstverständlich ministrabel“ (Fast-Kanzler Scholz).
Esken, 60, hat einen erfolgreichen Wahlkampf hinter sich, bei dem sie nimmermüde sagte, dass es die CDU-Bildungsministerin nicht kann. Sie hingegen schon. Ihre Stärken (Selbstbeschreibung): Bildung, Digitalisierung, Familie. Auch als Gesundheitsministerin wird sie gehandelt.
Kevin Kühnert, 32, war ein prominentes Thema im Unions-Wahlkampf: Immer wieder wurde er im selben Atemzug mit SPD-Parteichefin Saskia Esken genannt: Kühnert und Esken, das versteckte linke Team der SPD*, die Schreckgespenster der Konservativen. Kühnert ist aber nicht nur mit der Union im Zwist – als er noch Juso-Chef war, galt er auch als Rebell der eigenen Partei. Oft attackierte er die damaligen Parteichefs Martin Schulz und Andrea Nahles.
Kritiker werfen ihm vor, keinen Studienabschluss zu haben – seinen Jusos war das egal, sie haben ihn als Hoffnungsträger gefeiert. Heute ist er weniger Rebell und vielmehr fester Teil der Parteispitze – bei den Koalitionsgesprächen leitet der SPD-Vize den Bereich Wohnen und Bauen. Seine Macht dürfte bald noch größer werden: Sein Fanclub, die Jusos, macht fast ein Viertel der Fraktion aus.
Als „Trümmerfrau“ hatte Wolfgang Kubicki seine Parteifreundin Marie-Agnes Strack-Zimmermann einst verspottet, als sie 2013 nach der verlorenen Bundestagswahl zur FDP-Vizevorsitzenden gewählt worden war. Nun wird die 63-Jährige, Kürzel „MASZ“, womöglich die Trümmer der Verteidigungspolitik zusammenräumen. Allem voran Afghanistan, für das sie einen Untersuchungsausschuss fordert.
Deutliche Worte scheut sie nicht: So warf sie der Wehrbeauftragten Eva Högl vor, sie habe so viel mit der Bundeswehr zu tun wie sie selbst mit dem Mäusemelken. Die passionierte Motorradfahrerin setzt sich für eine bessere Ausstattung der Truppe ein. Und ein schlankeres Ministerium: Sie will von 2500 auf 2000 Mitarbeiter reduzieren und externe Berater kappen.
Von Anton Hofreiter gibt es unfassbar viele Details, die die Welt kaum weiß. Kleine und große. Sein linkes Bein ist vier Zentimeter länger als das rechte, er promovierte über das Inka-Liliengewächs, traf sich mehrfach heimlich mit Alexander Dobrindt, er kann aus dem Nichts einen langen Vortrag über den Schachtelhalm halten und Alpenblumen in Wasserfarben malen. Kein Zweifel: Der 51-Jährige aus Sauerlach südlich von München ist alles andere als langweilig. Er kann unterhaltsam sein, mitreißend. Aber kann er auch Minister?
Im grünen Machtgefüge ist der Bayer schon seit 2013 auf einer Schlüsselstelle, Fraktionschef an der Seite von Katrin Göring-Eckardt, eine Ewigkeit. Trotz unrundem Start wurde er zur Symbolfigur des linken Flügels. Von allen, die sich dazu nicht zählen, bekam er oft Spott, meist oberflächlich (Haare, vollgestopfte Hosentaschen, Dialekt). Er hat es meist ignoriert. „Kantig, grantig, unangepasst“, titelte unsere Zeitung 2014. Themen fürs Kabinett: Als Verkehrsexperte trieb er die CSU* vor sich her (Maut!). Und natürlich alles rund um Biologie, also Agrar bis Umwelt.
Mit Angela Merkel* verbindet Katrin Göring-Eckardt nicht nur, in der DDR groß geworden zu sein. Tatsächlich war es Merkel, die Göring-Eckardt per SMS bat, auch nach der Abwahl von Rot-Grün 2005 in der Politik zu bleiben, als diese bereits andere Pläne hatte. Eine gewisse Nähe zur Union hat die 55-Jährige, die als Realo gilt, schon lange: In den 90ern war Göring-Eckardt Mitglied der „Pizza-Connection“, zu der sich Grüne und Unions-Abgeordnete in einer Bonner Pizzeria trafen.
Auch mit „Obermachos“ wie Gerhard Schröder (SPD) könne sie gut umgehen, sagt die Grüne von sich selbst. Vermutlich ist sie wegen ihrer ausgleichenden Art immer wieder als Kandidatin für das Bundespräsidentenamt im Gespräch. Als besonnene und dennoch zähe Verhandlerin gilt die Thüringerin, die sich als „fromm“ bezeichnet und Präses der Synode der Evangelischen Kirche war.
Vielleicht würde heute kaum jemand Robert Habeck kennen, wenn es 2002 im Kreis Schleswig-Flensburg genug Radwege gegeben hätte. Weil seine vier Söhne zwischen Bulldogs zur Schule radeln mussten, ist Habeck zum Kreismitgliederabend der Grünen* gefahren – und kam als neuer Vorstand nach Hause. Für den Philosophen und Schriftsteller war das der Beginn einer steilen Karriere.
Zwei Jahre danach wurde er Parteichef in Schleswig-Holstein, dann Umweltminister und Vize-Ministerpräsident, später dann Grünen-Chef. Mittlerweile zählt Habeck, 52, zu den beliebtesten Politikern: 2019 sahen ihn Umfragen vor Merkel. Er wäre gern ihr Nachfolger geworden, hat aber Annalena Baerbock die Bühne überlassen. Jetzt konkurriert er mit Christian Lindner um das Finanzministerium – vieles deutet aber darauf hin, dass er ein neues Klimaministerium bekommt.
Gesetzestexte und pfälzischer Wein – da geht Volker Wissings Herz auf. Beide Leidenschaften hat der FDP-Generalsekretär mit in die Politik genommen. So hat der ehemalige Staatsanwalt und Richter Anfang der 2000er den damaligen Justizminister von Rheinland-Pfalz beraten. Und später wurde Wissing, der auf dem Weingut seiner Großmutter aufgewachsen ist, Weinbau-Minister.
Die Winzer-Erfahrung wird ihm in der neuen Regierung vermutlich nicht ganz so viel nützen wie seine juristische Gerissenheit – die ihm womöglich sogar das Justizministerium bescheren könnte. Allemal kann ihn aber seine Ampel-Erfahrung aus Rheinland-Pfalz weiterbringen – das Bündnis regiert dort seit 2016. Wissing, 51, brachte die FDP als Spitzenkandidat in den Landtag.
Lars Klingbeil, 43, betreibt in seiner Freizeit Crossfit. Das ist eine neumodische, besonders quälende Form des Zirkeltrainings. Beruflich macht er dasselbe. Der verheiratete Hobby-Gitarrist und FC-Bayern*-Fan aus Niedersachsen ist seit 2017 Generalsekretär der SPD. Zur Erinnerung: Damals war die deutsche Sozialdemokratie noch Wahlniederlagen-Weltmeister und nicht Kanzlerwahlverein. Der 1,94-Meter-Mann ist zu einem der bekanntesten Gesichter der SPD geworden.
Bei den Koalitionsverhandlungen gehört er zum Führungsteam. Seine Hauptthemen: innere Sicherheit, Digitalisierung – und die Bundeswehr. Der Vater war Soldat, trotzdem verweigerte der junge Lars den Wehrdienst. Er änderte seine kritische Haltung bei einem Praktikum in New York. Datum: 11. September 2001. (mmä/mb/cd/hgy/kab/sts) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA