Aus für „Bavaria first“? In Scholz‘ Ampel-Regierung werden wohl kaum Bayern sitzen

Der Koalitionsvertrag der Ampel ist angeblich fast fertig, in Berlin kursieren die ersten Entwürfe für Minister-Listen. Es dürfte ein eher un-bayerisches Bündnis werden. Das ist keine Frage von Lokalpatriotismus - sondern von vielen Milliarden Euro.
München - Vor zwei Monaten hat Andreas Scheuer ein Lob aus Bayern erhalten, das ihm im Rest der Republik Zorn und Wut eingebracht hat. Der CSU*-Vorsitzende Markus Söder* wollte was Nettes sagen über den dauervermöbelten Bundesverkehrsminister*. „Du hast uns viel Geld nach Bayern gebracht*“, sagte Söder also bei einer Parteitagsrede und wiederholte mit energisch wedelnden Händen: „Ich kenne keine Minister, die so viel Geld nach Bayern holen wie der Andi.“
Beifall auf dem Parteitag, Fassungslosigkeit im Norden, Osten und Westen: Söder hat da unverblümt das unausgesprochene Amtsverständnis für CSU-Bundesminister benannt. Sie sollen mehr Geld nach Bayern holen, als dem Freistaat nach Rechenschlüsseln zustünde. Bavaria first, so lief das nun in 16 Jahren Unionsregierung. Die Selbstverständlichkeit endet nun.
Erstmals nach 16 Jahren Bundesregierung ohne CSU
Im Dezember will die neue Bundesregierung ins Amt* kommen. Keine CSU mehr drin, die sich auch als bayerische Lobbypartei versteht. Wie viel Bayern jetzt noch in der Koalition steckt, hängt also an SPD*, Grünen* und FDP*.
In erster Linie ist das eine Frage von Personen. Bayerische Minister-Kandidaten sind in der Ampel rar. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter aus dem Landkreis München gilt als gesetzt*, vielleicht sogar wieder für das Thema Verkehr. Die FDP hat wohl keinen Minister-Kandidaten aus dem Freistaat. Die fränkische Finanzpolitikerin Katja Hessel wird hier und da als Vielleicht-Staatssekretärin genannt.
Auch bei der SPD, in Bayern seit Jahrzehnten Daueropposition, ist die Decke dünn: Einzig der Name von Bärbel Kofler, gebürtige Freilassingerin, fällt hier.* Mal für ein Amt als Staatssekretärin, bei sehr Wohlwollenden als neue Entwicklungsministerin. Auch die fränkische Gesundheitspolitikerin Sabine Dittmar wird für die zweite Reihe genannt. Das ist nicht viel bei rund 15 Ressorts.
Video: Baerbock frustriert über Koalitionsverhandlungen
Söder prägt schon den Spruch „Steine statt Brot“
Kein Zweifel: Die CSU wird inbrünstig darauf hinweisen, wie die Ampel den Süden benachteilige. „Steine statt Brot“ werde Bayern bekommen, sagt Söder schon seit Oktober. Hier geht es um mehr als Befindlichkeiten. Investitionen heimzuholen hat die CSU nicht erfunden.
Ein Beispiel aus der letzten Legislaturperiode: Da lenkte CDU-Forschungsministerin Anja Karliczek eine 500-Millionen-Finanzspritze für ein Batterieforschungszentrum zu sich nach Münster. Den Rat von Experten ignorierte sie, den Zorn aus Bayern und Baden-Württemberg sowieso, den folgenden Protest des Bundesrechnungshofs auch.
Bayern bevorzugt? CSU verweist auf schnelle Verwaltung im Freistaat
Man muss es nicht immer so plump machen. In der CSU heißt es, dass viel Geld auch deshalb nach Bayern fließe, weil die Verwaltung dort schneller sei. Stockt ein Infrastrukturprojekt irgendwo in der Republik, bleiben Mittel liegen, ist sofort ein bayerisches baureifes Vorhaben ersatzweise zur Hand.
Zahlen hat unlängst der Spiegel zusammengerechnet. Demnach flossen in der Amtszeit des CSU-Ministers Scheuer 6,3 Milliarden Euro in bayerische Bundesfernstraßen, gut 21 Prozent der Gesamtsumme. Nach dem „Königsteiner Schlüssel“ (eine Faustregel für die Aufteilung von Geldern unter den Ländern) würden Bayern nur 15 Prozent zustehen. Das größere NRW bekäme 21 Prozent - in der Realität aber einige Verkehrs-Milliarden weniger.

Dobrindt: „Bayern hatte immer wieder Verkehrsminister“
„Bayern profitiert erheblich davon, dass es immer wieder Bundesverkehrsminister hat oder hatte“, sagte Scheuers Vorgänger Alexander Dobrindt mal, in dessen Wahlkreis übrigens jahrelang „Danke“-Plakate hingen für Umgehungsstraßen, die er als Minister durchboxte.
Alles halb so wild, falls mit Hofreiter der nächste Bayer das Verkehrsressort führt*? Nur dann halt mehr für Bayerns Schienen? Mehrere Grünen-Politiker hatten die CSU-Praxis sehr scharf kritisiert. Sie mutmaßen, CSU-Verkehrsminister gäben unter der Hand Hinweise nach Bayern weiter, wann wo und wie der nächste Fördertopf bereitsteht.
Der Kampf wird allerdings auch in anderen Ressorts geführt. Der Forschungs-Etat, mehrere Investitions-Milliarden, ist begehrt. Und beim Verteidigungsministerium geht es zwar nicht um Finanzspritzen, aber um Truppenstandorte. Bayern sind für beide Ministerposten bisher nicht im Gespräch. (cd) *merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA