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Baerbock als „Prostituierte“ beschimpft: Anti-deutsche Debatten im Serben-TV – Werbung kommt aus Deutschland

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Von: Patrick Mayer

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Deutsche Außenministerin: Annalena Baerbock (Grüne), hier mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).
Deutsche Außenministerin: Annalena Baerbock (Grüne), hier mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). © IMAGO/Emmanuele Contini

Das ZDF deckt auf, wie im serbischen TV Stimmung gegen Deutschland und für Kremlchef Putin gemacht wird. Die Werbung zwischen den Debatten zahlen offenbar auch deutsche Unternehmen.

München/Belgrad – Die Bande zwischen Belgrad und Moskau sind seit über 100 Jahren sehr eng. Anfang des 20. Jahrhunderts wandte sich Serbien den russischen Zaren zu, als Österreich-Ungarn 1908 Bosnien und Herzegowina annektierte. Als 1914 Wien den Serben schließlich den Krieg erklärte, folgte umgehend eine Kriegserklärung Moskaus an die österreichischen Habsburger.

Happy TV und Pink in Serbien: Sender wettern gegen den Westen und für Wladimir Putin

Noch ein Beispiel für die Verbundenheit: Als im März 1999 das westliche Militärbündnis Nato im Kosovokrieg Belgrad bombardierte, protestierte der Kreml entschieden. Bis heute erkennt Russland die Unabhängigkeit des Kosovo nicht an, während serbische Nationalisten die Wiedereingliederung der Republik als Provinz in ihr Land fordern. Umgekehrt hat Belgrad den völkerrechtswidrigen Ukraine-Krieg des Kreml bisher nicht verurteilt.

Wie weit diese enge Beziehung zwischen dem Moskauer Regime Wladimir Putins und der serbischen Regierung von Aleksander Vucic reicht, lässt sich im serbischen TV nachvollziehen, in dem prorussische Stimmung gemacht und der Westen in Talk-Shows verunglimpft wird. Das ergeben Recherchen des ZDF. Vielleicht das krasseste Beispiel: Kürzlich wurde Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) im quotenstarken „Happy TV“ als ehemalige Prostituierte bezeichnet.

Im Video: Friedensplan für den Kosovo? Tausende Serben demonstrieren in Belgrad dagegen

ZDF-Journalistin Britta Hilpert und ein Team des „Auslandsjournals“ gingen der Sache nach. Neben „Happy TV“ betreibe auch der Sender „RTV Pink“ Moskau-nahe Propaganda – mit dazwischengeschalteter Werbung deutscher Unternehmen, heißt es in einem Bericht für die Sendung vom 22. März. So hätten zum Beispiel der Supermarkt-Riese Lidl mit Hauptsitz im schwäbischen Neckarsulm, die Drogeriekette dm mit Sitz im badischen Karlsruhe, die Pflegemarke Nivea der Hamburger Beiersdorf AG und der Düsseldorfer Konzern Henkel Werbeanzeigen während besagten Polit-Talks Werbung im serbischen Fernsehen geschaltet.

Polit-Talk im Serben-TV: Annalena Baerbock wird als Prostituierte bezeichnet

Auch vor und nach den Sätzen, wonach Deutschlands Außenministerin Baerbock früher eine professionelle Prostituierte gewesen sei, wie am 13. März 2023 ein weiblicher Studiogast bei „Happy TV“ behauptete. Die Dame wird nicht namentlich benannt, das ZDF zeigt in seinem Beitrag – der in der Mediathek abrufbar ist – aber sehr wohl die Sequenz, in der die beschriebene Behauptung ausgesprochen wird.

Was der Regierungschef aus Belgrad dazu sagt? In dem ZDF-Beitrag konfrontiert Hilpert den serbischen Präsidenten auf einer Pressekonferenz mit der Aussage aus der TV-Show. Demnach entschuldigte sich Vucic für die Aussage über die Außenministerin und gab an, der Sender sei bekanntlich pro-russisch.

Auch laut der serbischen Botschaft in Deutschland unterstrich der Präsident, ihm tue die Äußerung zutiefst leid, wobei er Baerbock als eine erfolgreiche Ministerin und Freundin von Serbien bezeichnet habe. In einem Interview mit dem Sender Pink TV erklärte er später seiner offiziellen Internetseite zufolge: „Heute gibt es verrückte Leute, wie etwa die Person, die erfunden hat, dass Baerbock eine Prostituierte gewesen sei und dann bei Happy TV gelogen hat.“

Mit Blick auf die Berichterstattung zum Ukraine-Krieg in serbischen Medien ließ sich aus der Pressekonferenz aber dennoch ein Seitenhieb gegen Berlin raushören. „Lügen und Fake News sind nicht gut, da stimme ich Ihnen zu. Es ist gut, die Dinge von allen Seiten zu betrachten. In den großen Demokratien ist das oft nicht der Fall“, meinte Vucic.

Die Dame rechts bezeichnete Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) als professionelle Prostituierte.
Die Dame rechts bezeichnete Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) als professionelle Prostituierte. © Screenshot ZDF@Auslandsjournal

Es gibt offenbar etliche Beispiele für die Verunglimpfung des Westens in serbischen Medien. Analyst Sasa Borojevic verbeitete beispielsweise am 15. November 2022 bei „Happy TV“ die wirre These, dass die Ukraine Hitler den Rekord im Bücherverbrennen abgenommen hätten.

Serbisches TV: Stimmungsmache für Wladimir Putin und gegen Deutschland

Regisseur Dragoslav Bokan behauptete wiederum am 25. Januar 2023 bei „RTV Pink“, dass der Westen einen Kreuzzug gegen die Russen führe wie Hitler im Zweiten Weltkrieg. Markant: In einer Analyse vom Herbst 1997 schrieb das renommierte politische Magazin Osteuropa, das vom Berliner Wissenschafts-Verlag herausgegeben wird, dass Bokan in den Jugoslawienkriegen der „Beli Orlovi“ angehört habe. Der ultranationalistischen paramilitärischen Einheit „Weiße Adler“, die etliche Kriegsverbrechen gegen die nicht-serbische Bevölkerung verübt haben soll.

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Die Nichtregierungsorganisation CRTA erhebt laut „Auslandsjournal“ den Vorwurf, dass deutsche Unternehmen prorussische Propaganda im serbischen TV mit Millionen von Euro für Werbung begünstigen würden. Lidl sei dabei jenes Unternehmen, das am meisten in Werbung während der Polit-Talks investiere, heißt es in der ZDF-Recherche. Der Konzern aus dem Schwabenland habe indes auf Anfrage mitgeteilt, auf welchem Sender man wirbt, entscheide man nur auf der Basis von Marketing-Kennzahlen.

Serbien: Aleksandar Vucic lobt Engagement deutscher Firmen in seinem Land - aber kritisiert TV-Sender nicht

Und Vucic? Bekräftigte in einem eingeblendeten Interview: „Deutsche Firmen sind der Motor des serbischen Erfolgs.“ So würden deutsche Unternehmen in Serbien 78.000 Menschen beschäftigen. Ob er aber die anti-deutsche Stimmung im serbischen TV kritisiert? Dazu sagte er offenbar nichts. (pm)

Transparenzhinweis: Am 30.03.2023 haben wir die Reaktion von Präsident Aleksander Vucic auf die Aussagen zu Außenministerin Annalena Baerbock im Sender Happy TV mit Informationen der serbischen Botschaft in Deutschland ergänzt.

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