„Widerlicher kann eine Gesinnung nicht sein“: Deutliche Worte zum Skandal um Rechtsextreme bei der Polizei

Wie schlimm steht es um die Polizei? In den „Tagesthemen“ hört ein Kommentator schon die „Alarmglocken schrillen“ - sieht aber auch positive Zeichen.
Berlin - Existieren in der Polizei, in der Bundeswehr und anderenorts in Behörden rechtsextreme Netzwerke? Es gibt zumindest klare Verdachtsmomente: Zunächst brachten Medienberichte eine mögliche „Schattenarmee“ bei den Streitkräften ans Licht. Nun wird gegen ein mutmaßliches rechtsextremes Netzwerk in der hessischen Polizei ermittelt: Fünf Beamte der Frankfurter Polizei stehen im Verdacht, rechtsextreme Chatnachrichten ausgetauscht zu haben und im Zusammenhang mit einem Drohschreiben an die Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz zu stehen. Basay-Yildiz war Nebenklagevertreterin im NSU-Prozess.
In den ARD-“Tagesthemen“ nahm sich am Montagabend der hr-Journalist Thomas Kreutzmann den jüngsten Fall vor - in einer Mischung aus Zurückhaltung und Forderung nach deutlichen Konsequenzen.
„Tagesthemen“-Kommentator über mutmaßliche rechtsextreme Netzwerke: „Widerlicher kann eine Gesinnung nicht sein“
„Einer unliebsamen Anwältin anzudrohen, ihre kleine Tochter - Zitat - ‚zu schlachten‘ und dann als ‚NSU 2.0‘ zu unterschreiben, widerlicher kann eine Gesinnung nicht sein“, urteilte Kreutzmann. Falls von den Vorwürfen etwas zutreffe, „müssen die Alarmglocken schrillen“, betonte er. Gleichwohl, so relativierte er, gelte auch im vorliegenden Fall die Unschuldsvermutung.
Der ARD-Journalist forderte zugleich von der Politik ein „Nachdenken“ über die Ursachen für derartige Gesinnungen bei der Polizei. Die Ursachenforschung dürfe allerdings nicht entsprechende Straftaten rechtfertigen.
„Schmale Bezahlung trotz Gefahr für Leib und Leben, Frustration bei der Strafverfolgung, sinkende gesellschaftliche Anerkennung“, benennt er Probleme der Ordnungshüter. All das seien schwierige Umstände, aber „keine Entschuldigung für Straftaten“.
ARD-“Tagesthemen“: Skandal um hessische Polizei hat auch „positive Seiten“
Zugleich erklärte Kreutzmann, es gebe auch „positive Seiten“ zu beachten. „Der Staatsschutz ermittelt schon länger gegen Polizeikollegen, ohne falschen Korpsgeist. Das Erschrecken über die Ermittlungspannen in der früheren NSU-Anschlagsserie hat offenbar etwas bewirkt“, urteilte er in den „Tagesthemen“. Auch habe das aktuelle Thema mittlerweile die politischen Spitzenkräfte im Lande erreicht.
Berichte lassen allerdings auch Zweifel am Willen zur rückhaltlosen Aufklärung zumindest innerhalb der Reihen der Polizei zu: So schreibt etwa die Frankfurter Allgemeine Zeitung, dass das hessische Landeskriminalamt vom Landespolizeipräsidium zunächst nicht darüber informiert wurde, dass die Ermittlungen zu den Drohungen gegen Basay-Yildiz in Polizeikreise hineinführten.
Der Hessen-Chef der Gewerkschaft der Polizei, Andreas Grün, sagte dem Blatt, es sei ihm nicht ersichtlich, „warum das LKA nicht von vornherein eingebunden war“.
„Tagesthemen“-Kommentator fordert Respekt für Anwälte - auch solche mit unliebsamen Mandanten
Weitgehend unstrittig dürfte hingegen die letzte These des ARD-Mannes sein: Es sei nötig, sich in die Lage einer Anwältin zu versetzen, die täglich Drohungen erhalte - und es bedürfe Respekts für den Job der Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz. Auch wenn sie - etwa mit dem mutmaßlichen Islamisten Sami A. - Menschen vertrete, die Kreutzmann selbst nicht in Deutschland sehen wolle.
Islamisten hätten „ebenso Anspruch auf anwaltliche Vertretung, wie ihre Anwältin Anspruch hat auf Respekt als Juristin und auf Schutz für sich und ihre Familie hat“, schließt er.
Über die Entwicklungen rund um das mutmaßliche rechtsextremistische Netzwerk in der hessischen Polizei halten wir Sie in diesem Artikel auf dem Laufenden.
fn (mit AFP)
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