Putin-Lukaschenko-Bündnis: Neue Front mit 120.000 Soldaten? Ein Experte widerspricht entschieden
Ein belarussischer Oppositionspolitiker warnt vor einer riesigen Armee seines Landes mit Russland und einer Ukraine-Front im Norden. Ein Militärexperte hat eine andere Sicht auf die Pläne Wladimir Putins.
München/Minsk/Moskau — Sie wollen es gemeinsam versuchen, im Ukraine-Krieg. Sagen sie zumindest. Russlands Machthaber Wladimir Putin und der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko wollen gemeinsam einen regionalen Armeeverband in Weißrussland aufstellen. Dies verkündete Lukaschenko Anfang der Woche.

Ukraine-Krieg: Kommt ein Militärbündnis zwischen Russland und Belarus?
Eine leere oder ernstzunehmende Drohung aus Minsk? Kiew reagierte zumindest umgehend. Die Ukraine ergreife „Maßnahmen“, um sicherzustellen, dass die ukrainischen Truppen „in angemessener Zahl, mit den notwendigen Waffen, militärischer Ausrüstung und dem Kampfpotenzial“ an der Grenze zu Belarus zur Verfügung stünden, erklärte Generalleutnant Serhii Naiev laut The Kyiv Independent. Ratsam? Voreilig?
Ein belarussischer Oppositionspolitiker ist zumindest davon überzeugt, dass Putin und Lukaschenko im nächsten Frühjahr von Belarus aus eine Invasion planen. „Unsere Quellen sagen, dass die Russen bis dahin 120.000 Soldaten in Belarus stationieren wollen“, sagte der im Warschauer Exil lebende Pawel Latuschka dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Unsere Quellen sagen, dass die Russen bis dahin 120.000 Soldaten in Belarus stationieren wollen.
Nach Abmachung von Wladimir Putin und Alexander Lukaschenko - neue Ukraine-Front im Norden?
Er schätze die Zahl russischer Soldaten in seinem Land aktuell auf etwa 5000, verteilt auf vier russische Militärbasen. Hintergrund der russisch-belarussischen Pläne sei, ein Bedrohungspotenzial aufzubauen, um die Ukraine zu zwingen, mehr Truppen an die eigene Nordgrenze zu verlegen, erklärte der ehemalige Kulturminister Latuschka weiter: „Das würde die Ukraine zwingen, dafür Kräfte im Süden oder Osten abzuziehen. Putin benutzt unser Land für seine Aggressionen, und Lukaschenko ist dabei der nützliche Idiot.“
Lukaschenko versuche bis Frühjahr, die belarussische Armee von jetzt 65.000 auf 100.000 Soldaten aufzurüsten, meint Latuschka: „Das wird schwer für ihn. Wir sind ein friedliches Volk, unsere Leute wollen nicht gegen die Ukrainer kämpfen. Sie sehen gar keinen Grund in diesem Krieg und wollen nicht für Putin sterben.“
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Doch wie groß ist dieses Bedrohungspotenzial wirklich? Der belarussische Verteidigungsminister Viktor Chrenin hatte eine aktive Teilnahme seines Landes an Russlands Angriffskrieg kurz nach Lukaschenkos Ankündigung ausgeschlossen. „Wir wollen nicht gegen Litauer kämpfen, oder Polen, oder Ukrainer“, sagte er in einer Videobotschaft an diesem Montag (10. Oktober). Frankreichs Außenministerin Catherine Colonna hatte Belarus zudem vor einem Kriegseintritt gewarnt. „Wir müssen das Land warnen. Jede zusätzliche Unterstützung des Krieges, den Russland gegen die Ukraine führt, wird weitere Sanktionen nach sich ziehen“, sagte sie im französischen Fernsehen.
Zudem zweifelt ein Militärexperte, dass Belarus in der Lage ist, eine solch große Armee gemeinsam mit russischen Truppen aufzustellen. Der Österreicher Gustav Gressel vom European Council on Foreign Relations erläuterte seine Einschätzung Anfang der Woche in der Sendung „ZDF spezial“.
Russland-Ukraine-Krieg: Belarussische Arme bindet ukrainische Truppen im Norden
„Da müssen wir noch aufpassen was da rauskommt. Die belarussischen Streitkräfte sind untermannt. Sie haben auch weit weniger Zeit- und Berufssoldaten als die russischen Streitkräfte. Sie sind nicht ausgelegt darauf, um diese, in Anführungszeichen, Spezialoperationen zu führen“, erzählte Gressel im ZDF und meinte:“ Für Lukaschenko ist es schwierig mit dem russischen Tempo mitzugehen, trotz des Drucks, den Putin auf ihn ausübt. Bis jetzt hat man Manöver veranstaltet und versucht, die Ukraine durch Militärbewegungen nervös zu machen, damit sie Truppen im Hinterland bereithält und nicht alle Kräfte in den Donbass schickt. Aber sie haben sich nicht getraut, einzumarschieren und damit eine neue Achse zu bilden. Dafür ist die belarussische Armee an sich zu klein.“
Denn: Laut westlichen Einschätzungen zählt die Armee des autokratisch geführten Landes mit seinen rund 9,5 Millionen Einwohnern etwa 45.000 aktive Soldaten. „Dadurch, dass sie hauptsächlich auf Wehrpflichtige zurückgreift, ist es innenpolitisch nicht unriskant“ für Machthaber Lukaschenko, erklärt Gressel weiter. Jetzt müsse man erstmal schauen, „ob da auch was mit Substanz entsteht“. Dennoch stellt er klar: „Der de facto Kriegseintritt geht ja schon seit Februar, weil Belarus sein Territorium zur Verfügung stellt, weil Belarus Munition und Material zur Verfügung stellt, um den Krieg weiter zu führen.“ (pm)