Abschotten oder aufnehmen? Der große Länder-Vergleich der Asyl-Politik

Wie ist die derzeitige Position der Teilnehmer des Asyl-Vortreffens in Brüssel? Die Übersicht.
Brüssel - Es war nur ein informelles Vor-Treffen vor dem eigentlichen EU-Flüchtlingsgipfel am 28. und 29. Juni. Und Luxemburgs Premier Xavier Bettel betonte, es sei kein Sondergipfel zur Rettung Angela Merkels. Es zeichnete sich gestern aber bereits ab, dass die EU sich künftig stärker abschotten wird. Aber über das Ausmaß dieser Abschottung gehen die Meinungen schon in den 16 EU-Staaten, die gestern im kleineren EU-Kreis dabei waren, weit auseinander.
Zwölf EU-Staaten waren nicht dabei, allen voran die Visegrad-Staaten Ungarn, Polen, Tschechien und die Slowakei, die für strikte Anti-Flüchtlingspolitik eintreten. Wer steht in Europa noch für eine halbwegs großherzige Asyl-Politik, wer für strikte Abschottung schon vor den EU-Außengrenzen? Unsere Zeitung stellt Angela Merkels Verbündete und Gegner vor.
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Italien
Die neue italienische Regierung positioniert sich klar gegen Kanzlerin Angela Merkel. Innenminister Matteo Salvini von der rechtspopulistischen Lega sagte, Italien wolle angesichts Hunderttausender Ankömmlinge in den vergangenen Jahren Asylbewerber abgeben statt zurücknehmen. Merkels Ziel zwischenstaatlicher Vereinbarungen erteilte er eine Absage: „Wir können keinen Einzigen mehr aufnehmen.“ Rom stellt sich damit aber nicht nur gegen Merkels Plan eines bilateralen Abkommens: Sollte Innenminister Seehofer seine Ankündigung wahrmachen und Asylsuchende an der deutschen Grenze zurückweisen, droht Italien, Flüchtlinge nicht mehr zu registrieren, sondern ohne Kontrolle weiterreisen zu lassen.

Österreich
Nach seinem Schulterschluss mit Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder gilt Österreichs Kanzler Sebastian Kurz als einer der schärfsten Merkel-Gegner in der EU. Wien fordert Asyl-Lager außerhalb Europas und den Einsatz auch von Soldaten an den EU-Außengrenzen. Die EU müsse „endlich aufhören, weiter über ein Verteilungssystem zu sprechen, das einfach nicht funktionieren wird“.
Bulgarien
Das Land, das derzeit den EU-Ratsvorsitz innehat, versuchte vor dem gestrigen EU-Gipfel die einzubinden, die nicht dabei waren: Bulgariens Ministerpräsident Boiko Borissow telefonierte mit seinem ungarischen Kollegen Viktor Orban und plädierte danach für „unverzügliche Maßnahmen zur Schließung der EU-Außengrenzen und für strenge Kontrollen an den EU-Binnengrenzen“.
Dänemark
Der dänische Ministerpräsident Lars Lökke Rasmussen zeigte sich schon vor dem gestrigen Gipfel skeptisch: „Wir brauchen definitiv mehr als ein Treffen. Nicht unbedingt, um uns auf etwas zu verständigen, aber um eine Lösung umzusetzen“, sagte er der Bild. Der von der rechtspopulistischen Dansk Folkeparti gestützte Konservative ist wie Kurz und EU-Ratschef Donald Tusk für Asyl-Lager außerhalb Europas.

Niederlande
Der niederländische Premier Mark Rutte sieht sich als möglicher Vermittler im Asylstreit. Einerseits ist er wie Merkel gegen die Einführung von Grenzkontrollen innerhalb der EU – schon weil das auch erheblich den Handel belasten könnte. Auf der anderen Seite will Rutte verhindern, dass nur einige wenige Länder wie Deutschland, Schweden oder die Niederlande die Lasten tragen.
Frankreich
Vom wichtigsten Partner bekam Merkel im Asylstreit Rückendeckung. Staatschef Emmanuel Macron versicherte, sein Land sei bereit, in Frankreich registrierte Flüchtlinge aus Deutschland zurückzunehmen. Wie Spanien macht sich Frankreich für geschlossene Flüchtlingszentren in Europa stark. Diese Zentren müssten mit den Regeln des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR übereinstimmen, so Macron.

Griechenland
In Alexis Tsipras hat Kanzlerin Merkel einen Verbündeten: Der griechische Regierungschef ist überzeugt, dass die Migrationskrise „nur mit europäischer Solidarität zu bewältigen“ sei. Eine Destabilisierung Deutschlands und der Bundesregierung ist keinesfalls im Interesse Griechenlands. Als Gegenleistung für ein „Ja“ Athens könnten allerdings mehr Investitionen in Griechenland gefordert werden.
Spanien
Der neue linke Ministerpräsident Spaniens, Pedro Sánchez, steht für eine großzügigere Flüchtlingspolitik. Unter großem Beifall auch der Mehrheit der spanischen Bevölkerung hat das Land die 630 Flüchtlinge auf dem Schiff Aquarius anlanden lassen, die Italien nicht aufnehmen wollte. Zeichen setzt Madrid auch mit der Ankündigung von Innenminister Fernando Grande-Marlaska, man werde die umstrittenen messerscharfen Klingen an den Grenzzäunen der Afrika-Exklaven Ceuta (siehe großes Foto li.) und Melilla entfernen. Madrid macht sich für geschlossene Flüchtlingszentren in Europa statt in Nordafrika stark – und unterstützt damit den Kurs Merkels und Macrons.
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