Söder schaltet im Atomstreit auf Angriff: „Der Kanzler verbreitet Blödsinn“

Der CSU-Chef zürnt, weil Scholz den Weiterbetrieb der drei letzten deutschen Atomkraftwerke ablehnt. Doch was hat der Kanzler eigentlich wirklich vor? Ein Kommentar von Georg Anastasiadis.
München - Die bayerische Landtagswahl ist noch ein gutes Jahr entfernt, scheint aber ihr Megathema schon gefunden zu haben: Es geht um den Krieg in die Ukraine – und den Umgang der Politik mit der sich abzeichnenden Energienotlage, die tief in das Leben der Menschen einschneiden wird, sei es über drastisch höhere Preise oder die Sicherheit ihrer Arbeitsplätze.
Das gilt in besonderer Weise für Bayern, dessen Aufstieg zum Industrieland erst dank günstiger Energiepreise gelang. Auch der (schrille) Ton ist seit gestern gesetzt, und zwar vom CSU-Ministerpräsidenten Markus Söder: Einer Attacke vom Kaliber des Vorwurfs, er verbreite „fachlichen Blödsinn“, muss sich Kanzler Olaf Scholz nicht alle Tage erwehren. Konkret geht es um eine Aussage von Scholz im Interview mit unserer Zeitung, ein vorübergehender Weiterbetrieb der letzten drei deutschen Atommeiler sei nach dem Urteil von „Fachleuten“ technisch praktisch nicht zu bewerkstelligen. Das liege auch an fehlenden Brennstäben.
Debatte um AKW-Weiterbetrieb in Deutschland: Fehlende Brennstäbe?
Ob das stimmt – oder ob das Nein zum AKW-Weiterbetrieb nur ein zum Schutz der Grünen vorgeschobenes Argument ist –, rückt jetzt ins Zentrum der politischen Auseinandersetzung. Söders Argument, andere Länder in vergleichbarer Lage schafften den Ausstieg aus dem Ausstieg doch auch, ist jedenfalls nicht ganz leicht zu entkräften. Letztlich dürfte es sich um eine Frage des politischen Willens handeln. Auch der Branchenverband Kernenergie, der es schließlich wissen muss, bekräftigte gestern, dass aus seiner Sicht eine Verlängerung der AKW-Laufzeiten möglich sei. Die Politik müsse sich nur rasch entscheiden, sonst werde die Zeit knapp.
Wer Scholz aufmerksam liest, findet im Merkur-Interview übrigens auch Hinweise darauf, dass der Kanzler selbst den Weiterbetrieb der Meiler in Wahrheit schon vorbereitet, indem er signalisiert, für den Fall der technischen Machbarkeit kein grundsätzliches Problem mit einer Laufzeitverlängerung zu haben. Scholz ist schließlich SPD-Politiker – und damit den von der Energiepreisexplosion hart getroffenen kleinen Leuten viel näher als die Grünen, die aus ideologischen Gründen der Kernkraft ein für allemal den Garaus machen wollen.